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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Lippe

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Lippe (Fürstentum).

gericht in Detmold, als Oberlandesgericht fungiert kraft Staatsvertrags vom 4. Jan. 1879 das preußische Oberlandesgericht in Celle. Es bestehen neun Amtsgerichte. Die Enklave Lipperode-Kappel gehört zum preußischen Amtsgericht Lippstadt. Neben einzelnen Partikulargesetzen gilt gemeines Recht. Von besonderer Bedeutung ist die Gütergemeinschaftsordnung von 1786, welche allgemeine Gemeinschaft der Güter unter Ehegatten statuiert. Für Bauerngüter besteht Unteilbarkeit und Anerbenrecht. Das Land zerfällt in die 13 Ämter: Blomberg, Brake, Detmold, Hohenhausen, Horn, Lage, Lipperode, Örlinghausen, Schieder, Schötmar, Schwalenberg, Sternberg und Barntrup, Varenholz, mit 155 Gemeinden. Hauptstadt ist Detmold. Die Finanzen des Fürstentums sind vortrefflich geordnet. Der Etat der Landkasse für 1887 schließt mit 1,017,449 Mk. Einnahmen und 1,013,527 Mk. Ausgaben ab. Die Landesschuld belief sich Ende 1885 auf 972,907 Mk. Seit 1841 ist L. dem Deutschen Zollverein beigetreten. 1868 ist die Auseinandersetzung zwischen dem Domanium und dem Staatshaushalt vollzogen. Das Domanialvermögen umfaßt die Schlösser, Domänen, Forsten, herrschaftlichen Erbpachtgüter, Zinsgefälle etc., das Bad Meinberg, die Saline Uflen etc. und bildet ein unteilbares, in seinem wesentlichen Bestand unveräußerliches Fideikommißgut der fürstlichen Familie. Die Verwaltung desselben ist der Kammer übertragen, welche zugleich jetzt die Lehnskammer bildet. Die Verwaltung der Forsten wurde 1855 einer besondern Forstdirektion überwiesen. Seit 1869 besteht eine über die Verwaltung der Domänen und der Forsten sich erstreckende Direktion der fürstlichen Fideikommißverwaltung. Das Medizinalwesen, namentlich das Hebammenwesen, ist sehr gut geordnet und verwaltet. Das Konsistorium ist die Verwaltungsbehörde für geistliche und Schulsachen. Die Geistlichkeit zerfällt in drei Klassen und steht unter einem Generalsuperintendenten und drei Superintendenten; es gibt 45 reformierte und 4 lutherische Pfarrstellen, 13 jüdische Gemeinden. Die Synodalverfassung der Landeskirche beruht auf Gesetzen vom 12. Sept. 1877 und 19. Okt. 1882, auch die Lutheraner sind der Synode beigetreten. Die kirchlichen Verhältnisse der Katholiken sind seit 1854 durch eine besondere Verordnung geregelt und die Diözesanrechte dem Bistum Paderborn übertragen. Regierender Fürst ist seit 8. Dez. 1875 Günther Friedrich Woldemar (geb. 18. April 1824). Außer der regierenden Linie gibt es die gräflichen Nebenlinien L.-Biesterfeld und L.-Weißenfeld und die erbherrliche, in ihrem eignen Fürstentum souveräne Schaumburg-Lippesche Linie (s. unten, Geschichte). L. stellt zum deutschen Reichsheer das Füsilierbataillon des 6. westfälischen Infanterieregiments Nr. 55, welches mit dem Regimentsstab zu Detmold in Garnison steht. Das ursprüngliche Geschlechtswappen ist eine fünfblätterige rote Rose in silbernem Felde, das jetzige Wappen ein neunfelderiger Schild. Landesfarbe ist Gelb-Rot. Orden: das Lippesche Ehrenkreuz in drei Klassen (seit 1869), welches vom Fürsten zur L. und vom Fürsten zu Schaumburg-L. gemeinsam verliehen wird; außerdem das silberne Ehrenzeichen und die Verdienstmedaille.

[Geschichte.] Das jetzige Fürstentum L., das seinen Namen vom Fluß L. erhalten hat, wurde in der ältesten geschichtlichen Zeit von den Cheruskern bewohnt. Diese gingen später in dem Sachsenvolk unter und gehörten da zum Stamm der Engern. Als solche wurden sie von Karl d. Gr. unterworfen. Das Geschlecht der Grafen von L. läßt sich bis auf Hoold I. (um 948) verfolgen. Kaiser Heinrich II. verlieh 1014 die ausgedehnte Grafschaft dieses Geschlechts dem Bischof von Paderborn. Doch behauptete sich ein Zweig des Geschlechts im Besitz der Vogtei von Geseke und der Grafschaft im Havergau, Limgau, Thiatmelli (Detmold) und Aagau. Bernhard I. (1113-1144) nahm von seinem reichen Allod an der Lippe (dem Amt Lipperode) den Namen "edler Herr zur L." an. Sein Enkel Bernhard II. (s. d.), eine der großartigsten Erscheinungen dieses Geschlechts und seiner Zeit, überließ noch bei Lebzeiten die Regierung seinem Sohn Hermann II. (gest. 1229). Die jüngern Söhne des Hauses wurden häufig Bischöfe, vornehmlich in Münster und Paderborn. Da sich Hermanns II. Urenkel Simon I. (1275-1344) mit Adelheid von Schwalenberg vermählte, fiel bei dem Aussterben der Grafen von Schwalenberg um 1362 der älteste Teil dieser Grafschaft, bestehend aus den Ämtern Schwalenberg und Oldenburg und dem Kloster Falkenhagen, an das Haus L., doch mit der Beschränkung, daß das Hochstift Paderborn gleichen Anteil an diesen Gebieten haben solle. So finden wir denn fortan die Ämter in gemeinschaftlicher Verwaltung. Simon III. (1361-1410) führte 1368 das Erstgeburtsrecht ein. Bernhard VII. (1430-1511), mit dem Zunamen Bellicosus, errichtete mit dem Herzog Adolf von Kleve und Mark 1444 einen Vertrag, wonach er diesem die bis dahin verpfändet gewesene Stadt Lippstadt zur Hälfte abtrat. Zugleich wurde zwischen beiden Häusern ein Bündnis errichtet, welches Bernhard VII. in die sogen. Soester Fehde mit dem Erzbischof Dietrich von Köln verwickelte. Letzterer rief 1447 ein böhmisches Heer zu Hilfe, welches die lippeschen Lande gänzlich verwüstete, die Städte Lippstadt und Soest jedoch vergebens belagerte.

Unter Simon V. (1511-36), der sich seit 1528 Graf nannte, fand die Reformation Eingang. Sein Enkel Simon VI. (1563-13), der zur reformierten Kirche übertrat, ist der Stammvater der beiden Linien der jetzigen Fürsten von L. Sein ältester Sohn, Simon VII., stiftete die Linie Detmold, der zweite, Otto, die Linie Brake, welche 1709 erlosch; der jüngste, Philipp, erhielt Lipperode und Alverdissen und nach dem Aussterben der Schauenburger Grafen (1640) Bückeburg, wovon diese Linie dann den Namen Bückeburg oder Schaumburg führte (s. Schaumburg-Lippe). Simons VII. jüngster Sohn, Jobst Hermann, stiftete die Nebenlinie L.-Biesterfeld, von welcher sich wieder L.-Weißenfeld abzweigte. Doch erwarb das Haus L.-Detmold die Besitzungen beider 1763 durch Kauf. Während des Dreißigjährigen und nicht minder während des Münsterschen Kriegs (1675) hatte L. besonders durch Einquartierung viel zu leiden. Dennoch suchten Graf Friedrich Adolf (1697-1718) und sein Sohn Simon Heinrich Adolf (1718-1734), der 1720 in den Reichsfürstenstand erhoben wurde, an Luxus es dem französischen Hof gleichzuthun, wobei das gräfliche Domanialvermögen meist verschleudert wurde. Des letztern Enkel Friedrich Wilhelm Leopold (1782-1802) erhielt 1789 eine Bestätigung seiner reichsfürstlichen Würde. Nach seinem Tod regierte bis 1820 seine Witwe Pauline (von Anhalt-Bernburg) für ihren minderjährigen Sohn Paul Alexander Leopold zwar in patriarchalischer Weise, aber dem Land zum Segen, so daß jene Zeit trotz der französischen Invasion einen Glanzpunkt in der lippeschen Geschichte bildet. Pauline sah sich 1807 genötigt, dem Rheinbund beizutreten, wodurch das Fürstentum souverän wurde, und schloß sich nach Auflösung desselben 5. Nov. 1813 dem Deutschen Bund