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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Lokomotive

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Lokomotive (Dampfkessel).

Zeit sind besonders in England und Amerika zahlreiche Systeme von Straßenlokomotiven aufgetaucht, welche in einem oder wenigen Exemplaren kurze Zeit in Betrieb waren und dann andern von gleich kurzer Dauer Platz machten. Um das J. 1860 begann die Entwickelung der Technik des Dampfpflügens mit Straßenlokomotiven, und etwa von 1871 an wurden Straßenlokomotiven nach den Systemen von Thomson, von Clayton, Chuttleworth u. Komp., von Aveling u. Porter u. a. in beschränktem Maß zu militärischen Transportzwecken benutzt. Die Bolléeschen Dampffuhrwerke wurden zuerst auf der Pariser Weltausstellung 1878 bekannt. Vgl. Weber, Bau der Lokomobilen etc. (Leipz. 1871); Fritz, Handbuch der landwirtschaftlichen Maschinen (Berl. 1880); Wüst, Landwirtschaftliche Maschinenkunde (das. 1882); Perels, Handbuch des landwirtschaftlichen Maschinenwesens (2. Aufl., Jena 1879-80); "Handbuch der Ingenieurwissenschaften", Bd. 4, Abt. 1: Baumaschinen, herausgegeben von Franzius und Lincke (Leipz. 1883); Schotte, Bericht über die 1883 ausgeführte Prüfung von Lokomobilen (das. 1884).

Lokomotive (lat., "von der Stelle bewegend"), eine mitsamt ihrem Dampfkessel auf einem Wagengestell angebrachte Dampfmaschine, welche dazu bestimmt ist, sich selbst und einen angehängten Wagenzug auf Schienen fortzubewegen. Es sind somit Kessel, Wagen und Dampfmaschine die drei Hauptorgane jeder L. Hierzu kommen noch Vorratsräume für Kesselspeisewasser und für Brennmaterial, welche jedoch meist nicht auf der eigentlichen L. selbst, sondern auf einem besondern, direkt hinten angehängten Wagen angeordnet sind.

Dampfkessel (hierzu Tafel "Lokomotive").

Die Dampfkessel der L. sind, einige Ausnahmen für spezielle Zwecke abgerechnet, stets Heizrohrkessel (Röhrenkessel) von einer Form, welcher man den spezifischen Namen Lokomotivkessel beigelegt hat. Das Charakteristische des Lokomotivkessels ist seine Zweiteilung in den kastenförmigen Stehkessel mit der den Rost enthaltenden Feuerbuchse und den daran sich anschließenden liegend-cylindrischen Langkessel, der von einer großen Anzahl enger Heizrohre durchzogen ist, und dessen Verlängerung die Rauchkammer mit dem Schornstein bildet. Vgl. Dampfkessel, S. 450, nach der schematischen Darstellung auf Tafel "Dampfkessel I", Fig. 11, und die beifolgende Tafel. Auf die Versteifung der ebenen Kesselflächen muß bei den erforderlichen großen Dampfspannungen (8-15 Atmosphären) ganz besondere Sorgfalt verwendet werden. Die Feuerbuchsenwände sind mit den Außenwänden durch Stehbolzen zu verbinden, die Feuerbuchsendecke durch aufgeschraubte Träger, die obern Teile der Kesselstirnwand und der Feuerwand durch Eckverbindungen zu stützen. Das Material der Lokomotivkessel ist im allgemeinen Schmiedeeisen oder auch Stahl. Nur die Feuerbuchse wird, wenigstens in Europa, der größern Feuerbeständigkeit wegen aus Kupferblech hergestellt.

Die Feuerung der L. wurde zuerst nur mit bestem Brennmaterial (Koks, Stückkohlen) bedient. Der Wunsch und das Bedürfnis, an Heizkohlen zu sparen, trieben jedoch dazu, einerseits auch Brennmaterial von geringeren bis geringstem Wert (Mittelkohle, Förderkohle, Staubkohle) zu verwenden, anderseits neben dem gewöhnlichen horizontalen oder schwach geneigten Planrost (s. Feuerungsanlagen, S. 214) eine große Reihe von Feuerungskonstruktionen einzuführen, welche eine möglichst vollkommene Rauchverzehrung bezwecken. Hierher gehört die namentlich auf französischen Bahnen übliche Tenbrinksche Feuerung (Fig. 1). Zur kontinuierlichen Beschüttung des Rostes dient ein in der Rückwand der Feuerbuchse angebrachter Schlitz a von der Breite derselben, welcher außen in einen mit einem Deckel verschlossenen Rumpf b übergeht, dessen Boden die Rückwärtsverlängerung des geneigten Rostes c bildet. Die außerdem noch vorhandene Feuerthür wird beim Anfeuern nicht geöffnet und dient nur dazu, an den Heizrohren etwanige Reparaturen vornehmen zu können, während ein zwischen der Feuerthür und dem Rumpf befindlicher, mit Regulierklappe versehener Schlitz d die Zuführung von Luft oberhalb der Brennmaterialschicht bezweckt. Von der Heizrohrwand beginnend, zieht sich ein flacher, von einer Seitenwand der Feuerbuchse bis zur andern reichender Wasserkasten l (Sieder) nahezu parallel zur Rostfläche etwa durch zwei Drittel der Feuerbuchsenlänge hin. Er kommuniziert durch die Stützen m mit dem Wasserraum des Stehkessels. Die in den Rumpf geschütteten Kohlen rutschen nach Maßgabe der Verbrennung den geneigten Rost c hinab und werden aus diesem Weg durch die am untern Ende in voller Glut befindlichen Stücke abdestilliert, bis sie gleichfalls nach unten und in Brand geraten, um nun ihrerseits auf das nachkommende Material entgasend zu wirken. Die Verbrennungsprodukte mischen sich, an der untern Wand des Sieders hinaufziehend, mit den brennbaren Destillationsgasen und der durch d zuströmenden Luft derart, daß eine Verbrennung der Gase zu stande kommt. Die gänzlich ausgebrannten Kohlen (Schlacken) gelangen schließlich auf den Schlackenrost e, welcher auf Hebeln f ruht und mit diesen durch den Hebel g und die Schraube h zeitweise schräg gestellt wird, um die Schlacken in den Aschenkasten gleiten zu lassen. Die durch dieses System im Vergleich mit den gewöhnlichen Planrostfeuerungen zu erzielende Brennstoffersparnis soll bis 12 Proz. betragen. - Das Feuerungssystem von Nepilly (Fig. 2) besteht aus einem wenig geneigten Planrost a mit daranstoßendem, um eine horizontale Achse drehbarem Klapprost (Schlackenrost) b zur Entfernung der ausgebrannten Kohlenschlacken, ferner aus dem Feuerschirm d, einem von

^[Abb.: Fig. 1. Tenbrinksche Feuerung.]