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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ludwig

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Ludwig (Frankreich: L. XVI.).

nierte und auf die Generalstände hinwies. L. beseitigte diesen Widerstand, wie sein Vorgänger, auf gewaltsame Weise; als aber auch die zweite Notabelnversammlung 1788 der Finanznot nicht abhelfen konnte, berief er, nachdem er Necker von neuem an die Spitze der Verwaltung gestellt, doch die Reichsstände, die 5. Mai 1789 in Versailles zusammentraten. In gleicher Weise verfuhr er haltlos und schwankend in dem entscheidungsvollen Sommer 1789. Als sich der dritte Stand 17. Juni 1789 als Nationalversammlung konstituierte, ließ sich der König von der Hofaristokratie zu der unheilvollen königlichen Sitzung 23. Juni 1789 verleiten, in welcher er die Beschlüsse des dritten Standes kassierte. Dieser fügte sich jedoch nicht, und L. bat nun selbst die Geistlichkeit und den Adel, sich mit dem dritten Stand zu vereinigen. Dem König blieb jetzt nur übrig, sich selbst an die Spitze der politischen Revolution zu stellen oder dieselbe mit den Waffen in der Hand zu bekämpfen. Zum erstern fehlten ihm Energie und Überzeugung, gegen die Gewalt empörte sich sein Herz. Als er sich zur Zusammenziehung eines 30,000 Mann starken Truppenkorps in der Nähe der Hauptstadt bewegen ließ und den populären Necker verabschiedete, bewirkte er nichts als die Erhebung des Pariser Pöbels und die Erstürmung der Bastille (14. Juli), worauf er sich am 15. zu Fuß in die Nationalversammlung begab und hier erklärte, daß er mit der Nation eins sei und die Truppen zurückziehen werde. Darauf bestätigte er in Paris die Errichtung der revolutionären Autoritäten und der Nationalgarde. Die Nationalversammlung ging nun an die Abfassung der Konstitution und an die Zertrümmerung des Feudalstaats, und der König ließ sich auch 11. Sept. die Bestätigung aller Beschlüsse abzwingen. Statt aber sich jetzt mit der zwar liberalen, aber monarchisch gesinnten Majorität unter Mirabeau offen gegen die Hofkabale zu verbünden, nahm er 1. Okt. an dem Gastmahl der Garde du Korps teil, auf dem es zu realistischen Demonstrationen kam, die wieder das Mißtrauen des Volkes erweckten. Am 5. Okt. unternahm der Pöbel von Paris einen Zug nach Versailles; der Mordanschlag des Herzogs von Orléans auf den König mißlang, aber L. mußte dem stürmischen Verlangen des Volkes, das 6. Okt. in das Schloß eindrang, nachgeben und mit seiner Familie nach Paris in die Tuilerien übersiedeln. Er war von da an völlig gebrochen und hatte alle Willenskraft verloren. Er erwartete nur noch von der Hilfe des Auslandes Errettung, und als auch Mirabeau, mit dem der Hof zuletzt Unterhandlungen angeknüpft, 2. April 1791 starb, wurde die Flucht beschlossen, aber langsam und ungeschickt ins Werk gesetzt, schließlich noch gegen die Verabredung um einen Tag verzögert und erst in der Nacht vom 20. zum 21. Juni unternommen, so daß alle getroffenen Maßregeln sich unnütz erwiesen und er von dem Postmeister Drouet, der ihn in Ste.-Menehould erkannt, in Varennes angehalten und nach Paris zurückgebracht wurde. Die Nationalversammlung, die 24. Juni die Suspension ausgesprochen hatte, hob sie wieder auf und dekretierte in der neuen Verfassung die Unverletzlichkeit und Unverantwortlichkeit des Königs. Dieser leistete, in seinem Gewissen durch die kirchenfeindlichen Gesetze bedrängt, nach langem Sträuben unter Thränen 14. Sept. 1791 den Eid auf die Konstitution, geriet aber mit der neuen Gesetzgebenden Versammlung in Konflikt durch das Veto, welches er den Gesetzen gegen die eidweigernden Priester und die Emigranten entgegensetzte. Seitdem hatte die Gironde seinen Sturz beschlossen. Zu diesem Zweck wurde 20. Juni 1792 ein Zug des Pöbels nach den Tuilerien veranstaltet. L. ertrug mit Würde und Kaltblütigkeit drei Stunden lang die Beschimpfungen des Pöbels, setzte die dargereichte rote Mütze auf und nahm aus der Hand eines schmutzigen Kerls ein Glas Wein. Bei dem großen Sturm des Pöbels auf die Tuilerien 10. Aug. sah er sich genötigt, mit seiner Familie Schutz in dem Schoß der Nationalversammlung zu suchen, wo er in der Stenographenloge den Verhandlungen über seine zweite Suspension zuhören mußte. Am folgenden Tag brachte man ihn als Gefangenen mit seiner Familie nach dem Palast Luxembourg und von hier nach einigen Tagen nach dem Temple. L. bewies in dieser Lage eine große Resignation und beschäftigte sich mit dem Unterricht seines Sohns. Das Gericht über ihn überließ die Versammlung dem am 21. Sept. zusammentretenden Nationalkonvent, der sofort die Abschaffung des Königtums beschloß. Die Jakobiner wollten ihn ohne Umstände verurteilen und hinrichten, um den Bruch mit der Vergangenheit unheilbar zu machen; die Girondisten drangen auf eine förmliche Prozedur, um das Leben des Königs zu retten. Als dieser 11. Dez. vor den Schranken der Versammlung erschien, benahm er sich mit Würde, verteidigte sich mit Ruhe und Geistesgegenwart gegen die leichtfertige Anklageschrift, indem er gegen alle Anklagen auf seine früher nicht beschränkte Souveränität und seine spätere Unverantwortlichkeit mit wenigen schlagenden Worten hinwies, und erhielt Tronchet, Malesherbes und de Sèzes zu Verteidigern. Am 26. Dez. hielt de Sèzes seine glänzende, aber natürlich erfolglose Verteidigungsrede. Der Konvent erklärte nach einer mehrtägigen Debatte Ludwig Capet, wie man den König nannte, der Verschwörung gegen den Staat und die Sicherheit der Nation schuldig und bestimmte, daß das Urteil, wie es auch ausfallen möge, dem Volk nicht zur Bestätigung vorgelegt werden sollte. Die Abstimmung fand 16. Jan. 1793 statt und dauerte gerade 24 Stunden, bis zum 17., 8 Uhr abends; mit 361 gegen 360 wurde L. zum Tod verurteilt. L. vernahm sein Schicksal mit großer Fassung, bat aber um drei Tage Aufschub, um eine freie Zusammenkunft mit seiner Familie, von der man ihn während des Prozesses getrennt hatte, und um den Beistand seines Beichtvaters Edgeworth. Nur der Aufschub wurde ihm gewährt. Am 21. Jan. 1793, vormittags 10 Uhr, betrat L. das Schafott. Als ihn der Henker gebunden, rief er noch mit lauter Stimme: "Volk, ich sterbe unschuldig!" und zu den Henkern sagte er: "Meine Herren, ich sterbe unschuldig an allem, was man mir vorwirft; ich wünsche, daß mein Blut das Glück der Franzosen befestigen möge". Nachdem er die Vorbereitungen zur Hinrichtung mit Festigkeit und Seelenruhe ertragen, fiel sein Haupt unter der Guillotine. L. starb als das Sühnopfer der Verbrechen seiner Väter und trug für seine Person keine andre Schuld, als daß ihm die Natur die Eigenschaften eines Herrschers versagt hatte. Sein Leichnam wurde auf dem Kirchhof Ste.-Madeleine bestattet, nach der Restauration 1814 aber nach St.-Denis gebracht und auf dem Platz der Hinrichtung eine Chapelle expiatoire errichtet. Ludwigs Sohn war Ludwig XVII. Vgl. Soulavie, Mémoires historiques et politiques du règne de Louis XVI (Par. 1801, 6 Bde.); Bournisseaux, Histoire de Louis XVI (1829, 4 Bde.); Droz, Histoire du règne de Louis XVI (2. Aufl. 1858, 3 Bde.); Capefigue, Louis XVI (1844, 4 Bde.); Tocqueville, Coup d'œil sur le