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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ludwig

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Ludwig (Zuname).

Ludwig, 1) Otto, dramat. Dichter und Schriftsteller, geb. 11. Febr. 1813 zu Eisfeld im Herzogtum Meiningen, verlebte in engen Umgebungen eine bewegte Jugend voll zum Teil düsterer und schwer lastender Eindrücke. Seine poetischen und musikalischen Talente übte er zunächst autodidaktisch, nahm eifrig an einem Liebhabertheater seines Heimatstädtchens Anteil und verstieg sich zur Komposition eines größern Singspiels, welches die Aufmerksamkeit des regierenden Herzogs von Sachsen-Meiningen auf ihn lenkte, der ihm eine weitere Bildungslaufbahn erschloß. L. ging zunächst nach Leipzig, um unter Mendelssohn das Studium der Musik zu beginnen. Teils körperliche nervöse Reizbarkeit, die ihn am Klavier- und Orgelspiel hinderte, teils wohl auch der stärker werdende Drang zur poetischen Produktion (L. schrieb in dieser Zeit seine ersten Novellen und entwarf zahlreiche Dramen, von denen die Dramatisierung der E. T. A. Hoffmannschen Novelle "Das Fräulein von Scudery" erhalten blieb) veranlaßten ihn, die Musik als Lebensberuf aufzugeben. Mit der ganzen Energie seines Willens warf sich L. jetzt auf litterarische Studien, zog sich mehrere Jahre teils in sein Heimatstädtchen, teils in die Abgeschiedenheit eines Dorfs bei Meißen zurück, wo er mehrere unveröffentlichte Tragödien schrieb und schließlich das seit 1850 aus den hervorragendsten deutschen Bühnen zur Aufführung gelangende bürgerliche Trauerspiel "Der Erbförster" (Leipz. 1853) vollendete. Die kraftvolle Frische des darin offenbarten dramatischen Talents, die seltene Wärme und Ursprünglichkeit realistischer Charakteristik, die fortreißende Lebendigkeit und Fülle des Details namentlich der ersten Akte halfen über die bedenkliche Thatsache, daß die Tragödie in ihrer Schlußwendung ein Rückfall zum Schicksalsdrama war, bald hinweg. Einen höhern Schwung nahm der Dichter dann in der historischen Tragödie "Die Makkabäer" (Leipz. 1855), die sich gleichfalls durch die Plastik und Farbenfülle des realistischen Details auszeichnete, aber im dramatischen Aufbau, in der psychologischen Anlage der Gestalten wie in der schwungvollen, bilderreichen Sprache das ideale Pathos nicht ausschloß. L. hatte sich mittlerweile verheiratet und war 1852 nach Dresden übergesiedelt, wo er die Tragödie "Agnes Bernauer" begann und seine frühern novellistischen Versuche wieder aufnahm. Als Beginn einer Reihe von Geschichten aus seiner Heimat ("Thüringer Naturen") veröffentlichte der Dichter die allzu minutiös detaillierte Novelle "Die Heitherethei und ihr Widerspiel" (Leipz. 1857; 3. Aufl., Berl. 1874). Mächtiger erschien die Erzählung "Zwischen Himmel und Erde" (Frankf. a. M. 1857; 5. Aufl., Berl. 1877), ein Meisterwerk voll psychologischer Tiefe, packender Momente und eherner Konsequenz der Entwickelung, von innerster, aber dumpfer, bedrückender, nicht befreiender und erquickender Gewalt. Die weitern poetischen Bestrebungen des Dichters wurden durch schweres körperliches Siechtum unterbrochen und gehemmt. Dazu ergab sich L. vorwiegend theoretischen Reflexionen, als deren Resultat aus seinem Nachlaß einzig die "Shakespeare-Studien" (hrsg. von Heydrich, Leipz. 1871) erschienen, Reflexionen, die seine Produktionsfrische nicht minder niederhielten als die Krankheit. Zahlreiche Dramenfragmente ("Agnes Bernauer", "Marino Faliero", "Tiberius Gracchus" u. a.) zeugen dafür, daß von Zeit zu Zeit in dem Dichter die alte Kraft aufflammte, ohne daß es ihm gelungen wäre, einen dieser Anfänge auszuführen. Zu früh für sich selbst und die deutsche Poesie der Gegenwart starb der hochbegabte, wie kaum ein zweiter nach künstlerischer Läuterung ringende Autodidakt 25. Febr. 1865 in Dresden. Seine "Gesammelten Werke" (neue Ausg., Berl. 1883, 4 Bde., mit Einleitung von G. Freytag) enthalten das Wesentlichste seiner Dichtungen. Seinen litterarischen Nachlaß mit biographischer Einleitung gab Heydrich (Leipz. 1874) heraus.

2) Karl Friedrich Wilhelm, Physiolog, geb. 29. Dez. 1816 zu Witzenhausen im Hessischen, studierte in Marburg und Erlangen, habilitierte sich 1842 in Marburg, wurde 1846 außerordentlicher Professor der vergleichenden Anatomie daselbst, 1849 Professor der Anatomie und Physiologie in Zürich, 1855 Professor der Physiologie und Physik am Josephinum in Wien und 1865 Professor der Physiologie in Leipzig. Es gibt kaum ein Gebiet der Physiologie, auf welchem sich an Ludwigs Namen nicht wichtige Untersuchungen und Entdeckungen knüpften; auch waren einzelne seiner Arbeiten von durchaus fundamentaler Bedeutung für die gesamte Medizin und die Naturwissenschaften überhaupt. Seine Arbeiten über die Zirkulation des Bluts und die Druckschwankungen im Blutgefäßsystem (Kymographion), über die Resorption und die Anfänge der Lymphgefäße, über den Gasaustausch und die Bestimmung der Spannung der Blutgase, über den Stoffwechsel im thätigen und ruhenden Muskel, über das vasomotorische Zentrum, seine Filtrationstheorie zur Erklärung der Harnbildung in der Niere, seine Entdeckung des direkten Nerveneinflusses auf die Drüsenzellen der Absonderungsorgane und zwar zunächst der Speicheldrüsen gehören zu den schönsten Errungenschaften der neuern Physiologie. Sein Hauptwerk ist das "Lehrbuch der Physiologie des Menschen" (Leipz. 1852-56, 2 Bde.; 2. Aufl. 1858-61). Seit 1866 gibt er "Arbeiten aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig" heraus.

3) Alfred, Sanskritist und vergleichender Sprachforscher, geb. 1832 zu Wien, absolvierte seine Studien daselbst und in Berlin, habilitierte sich 1858 an der Universität seiner Vaterstadt, wurde 1860 als außerordentlicher Professor für klassische Philologie und vergleichende Sprachwissenschaft nach Prag berufen und 1871 zum Ordinarius daselbst ernannt. Er schrieb: "Der Infinitiv im Weda" (Prag 1871); "Agglutination oder Adaption, eine sprachwissenschaftliche Streitschrift" (das. 1873); "Die philosophischen und religiösen Anschauungen des Weda" (das. 1876) u. a. Auch gab er eine Übersetzung des "Rigweda", mit Einleitung und Kommentar (Prag 1875 bis 1882, 5 Bde.), heraus.

4) Karl, Maler, geb. 18. Jan. 1839 zu Römhild in Sachsen-Meiningen, besuchte von 1855 bis 1856 die Kunstschule zu Nürnberg und die Akademie zu München, widmete sich hier bei Piloty der Landschaftsmalerei, ging 1868 nach Düsseldorf, wurde 1877 Professor der Landschaftsmalerei an der Kunstschule in Stuttgart, siedelte aber schon 1880 nach Berlin über. Seine Bilder zeichnen sich durch großartige, poesievolle Auffassung, treffliche Zeichnung, wirkungsvolle Farbe und breite, aber doch solide Behandlung aus. Hervorzuheben sind: das verfallene Parkthor (im Besitz des Grafen Schack in München), Frühling, Sommer und Herbst (im Besitz des Herzogs von Meiningen), Mondnacht (in der Galerie zu Barmen), Schmugglerweg im Gebirge, St. Gotthardpaß (Berliner Nationalgalerie), Kyklopenschlucht, Eisackthal mit dem Schlern (1880), Hochgebirgslandschaft (St. Gotthard), stürmische Mondnacht am Bodensee (1881), ein Sommertag in den Graubündner