Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Magnētinduktion; Magnētische Deklination; Magnētische Gewitter; Magnētische Inklination; Magnētische Kuren

82

Magnetinduktion - Magnetische Kuren.

als wenn man ihn frei schwingen ließe; von diesem Mittel zur Dämpfung der Schwingungen eines Magnetstabs wird bei Galvanometern Gebrauch gemacht. Ebenso wirkt ein feststehender Magnet, in dessen Nähe ein Leiter bewegt wird, auf die Bewegung des letztern hemmend ein. Führt man z. B. ein Messingblech zwischen den Polen eines starken Elektromagnets hindurch, so fühlt man einen Widerstand, als wenn man durch eine zähe Substanz, wie Käse, hindurchschnitte. Die Bewegungsenergie, welche der bewegte Leiter durch diesen "magnetischen Reibungswiderstand" verliert, wird wie bei der gewöhnlichen Reibung in Wärme verwandelt: der bewegte Leiter erwärmt sich. Die Rückwirkung der in einem bewegten Leiter durch einen Magnet induzierten Ströme vermag sogar den letztern in Bewegung zu setzen, was durch folgenden Versuch nachgewiesen wird. Über einer wagerechten Kupferscheibe, welche durch eine Zentrifugalmaschine in rasche Umdrehung versetzt werden kann, hängt eine in wagerechter Ebene drehbare Magnetnadel. Wird nun die Kupferscheibe in hinreichend rasche Drehung versetzt, so dreht sich auch die Magnetnadel in demselben Sinn wie die Scheibe. Arago bezeichnete diese Erscheinung mit dem Namen Rotationsmagnetismus. Auch der Erdmagnetismus vermag in einem bewegten Leiter Ströme zu induzieren. Als Erdinduktionsapparat (Fig. 3) kann ein kreisförmiger Rahmen MN mit möglichst großem Durchmesser dienen, auf dessen Umfang zahlreiche Windungen übersponnenen Kupferdrahts gewickelt sind, und welcher um eine wagerechte Achse drehbar ist. Steht diese Achse senkrecht zum magnetischen Meridian und die Ebene des Rahmens senkrecht zur Inklinationsrichtung (s. Magnetismus, S. 87), und läßt man die Achse rasch eine halbe Umdrehung machen, so beobachtet man an einem eingeschalteten Galvanometer einen Induktionsstrom, dessen Stärke der des Erdmagnetismus proportional ist.

^[Abb.: Fig. 3. Erdinduktionsapparat.]

Magnētinduktion, s. Magnetelektrizität.

Magnētische Deklination, s. Magnetismus, S. 85.

Magnētische Gewitter, s. Polarlicht.

Magnētische Inklination, s. Magnetismus, S. 86.

Magnētische Kuren, auf Anwendung des sogen. tierischen Magnetismus beruhende Heilversuche. Der tierische Magnetismus (Lebens-, Zoo- oder Biomagnetismus, Mesmerismus) galt im Sinn der ältern Naturwissenschaft als eine hypothetische Kraft, die man unpassenderweise mit dem Magnetismus verglichen hat, weil sie, wie dieser, durch Bestreichen geweckt oder von dem "Magnetiseur" auf den Kranken übertragen werden sollte, um in wohlthätiger Weise auf das Nervensystem desselben einzuwirken. Der Entdecker des sogen. tierischen Magnetismus, Mesmer (s. d.), studierte um 1772 die Wirkung des Magnets auf den menschlichen Körper und bemerkte hierbei, daß auch ohne Anwendung des Magnets, durch bloßes Streichen mit den Händen, eigentümliche Wirkungen hervorgebracht wurden, die eine rätselhafte, auf den menschlichen Organismus wirkende Kraft zu bekunden schienen. Er machte davon Anwendung zur Heilung von Krankheiten und erregte durch seine glücklichen sogen. magnetischen Kuren großes Aufsehen. Wienholdt, Olbers, Bökmann und Gmelin suchten die Lehre von dieser vermeintlichen Kraft wissenschaftlich zu begründen. Wolfart, ein Schüler Mesmers, gründete eine magnetische Heilanstalt in Berlin; Kieser, Hufeland, Passavant, Baader, Ennemoser u. a. schrieben zustimmend und anerkennend über tierischen Magnetismus. Es bildete sich eine Theorie heraus, nach welcher den Fingern, den Augen, dem Hauch des sogen. Magnetiseurs ein eigentümliches ätherisches Fluidum entströmen sollte, eben dieser tierische Magnetismus, welcher durch den bloßen energischen Willen sogar in weite Ferne entsendet werden könnte, um in der "magnetisierten" Person höchst merkwürdige Nervenzustände zu erzeugen. Kieser bezeichnete diese Kraft als Tellurismus oder, soweit sie von Metallen ausströmt, als Siderismus; Gmelin, Passavant u. v. a. wollten den Nervenäther darin erkennen; am meisten Beifall aber fand der Freiherr von Reichenbach, indem er in der Ausströmung der Hände eine besondere, bis dahin unbekannte, wohlcharakterisierbare Naturkraft, das Od (s. d.), nachzuweisen bemüht war. Zunächst äußert sich die Wirkung der in verschiedener Weise und besonders über die leidenden Körperteile geführten Striche in der Erzeugung eines mehr oder weniger tiefen Schlafs, der indessen durch Braids Beobachtungen 1843 (s. Hypnotismus) seines geheimnisvollen Charakters entkleidet worden ist. Bei besonders dazu neigenden Personen sollte sodann der Tiefschlaf bald in den Zustand des Schlafwachens oder Somnambulismus (s. d.) übergehen, in welchem Fragen beantwortet werden und angeblich das geistige Vermögen der Betreffenden, von den gewöhnlichen Fesseln befreit, nicht nur den Zustand des eignen Körpers völlig durchschauen, sondern auch die geeigneten Heilmittel für denselben erkennen, ja in den gesteigerten Zuständen dieses Schlafwachens, die man als Hochschlaf oder Hellsehen bezeichnet, die Vergangenheit, Zukunft und räumliche Ferne durchdringen sollte. Man erzählt zahlreiche, wahrscheinlich niemals genau untersuchte Fälle, in denen so behandelte Personen mit den Fingerspitzen verschlossene Briefe gelesen und alle Dinge erkannt haben sollen, die man ihnen wohlverschlossen auf die Magengrube gelegt, woraus dann weiter geschlossen worden ist, daß das sogen. sympathische Nervengeflecht mit seinen Ganglien das eigentliche Organ für diese geheimnisvollen Seelenkräfte sei. Nach Beendigung des somnambulen Zustandes fehlt übrigens meist alle Erinnerung an das in demselben Erträumte und Geschehene, wie auch der Körper während desselben sich unempfindlich gegen schmerzende Eingriffe bewährt, oft sogar in Starrkrampf übergeht, den der Wille und Befehl des Magnetiseurs allein aufheben soll, Erscheinungen, die man oft auf die Schaubühne gebracht hat. Infolge der magnetischen Manipulation und des dadurch bewirkten Somnambulismus entsteht angeblich zwischen Magnetiseur und Somnambule ein sogen. magnetischer Rapport, worunter man sich eine Art von Lebens- und Empfindungsgemeinschaft vorzustellen hat, vermöge deren der Wille des Magnetiseurs auf die organischen und geistigen Funktionen der Somnambule einen bezwingenden