Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Magnetismus

89

Magnetismus (Coulombs Gesetz, Theorien).

Magnetometer). Die täglichen Variationen stehen offenbar mit dem täglichen Gang der Sonne in Beziehung; die Ursache der säkularen Variationen kennt man nicht. Von den Störungen weiß man, daß sie mit Erdbeben und vulkanischen Ausbrüchen, namentlich aber mit der Erscheinung des Nordlichts in innigem Zusammenhang stehen. Dieselben treten oft über weite Ländergebiete gleichzeitig ein, was namentlich durch die Beobachtungen des von Humboldt angeregten und von Gauß geleiteten Magnetischen Vereins bestätigt wurde, dessen Mitglieder an verschiedenen Orten an vorausbestimmten Terminen 24 Stunden lang den Gang der Deklinationsinstrumente von 5 zu 5 Minuten nach Göttinger Zeit beobachten.

Eine Eisenstange, welche man in die Inklinationsrichtung hält, wird durch den Einfluß des Erdmagnetismus magnetisch, und zwar bekommt sie oben einen Südpol, unten einen Nordpol. Kehrt man die Stange um, so sind auch sogleich die Pole umgekehrt. Gibt man dem Stab eine andre Richtung, so ist die auf ihn ausgeübte magnetisierende Wirkung der Erde um so geringer, je größer der Winkel ist, den er mit der Inklinationsrichtung bildet, und verschwindet ganz, wenn er auf ihr senkrecht steht. Auf vertikale Stäbe, deren Richtung in unsern Gegenden von derjenigen der Inklinationsnadel nur wenig abweicht, ist der magnetisierende Einfluß der Erde noch ziemlich bedeutend. Stahlstäbe, in der Richtung der Inklinationsnadel oder auch nur vertikal gehalten, werden dauernd magnetisch, namentlich wenn man sie in dieser Stellung hämmert. Erschütterungen scheinen nämlich die Drehung der Molekularmagnetchen zu befördern. Daraus erklärt es sich, daß fast alle Werkzeuge in der Werkstatt eines Schlossers Magnete sind. Auch chemische Einwirkungen scheinen das Magnetischwerden zu begünstigen; Eisenstangen, welche in vertikaler Stellung rosten, werden dauernd magnetisch.

Coulombs Gesetz.

Die Kraft, mit welcher zwei Magnetpole sich gegenseitig anziehen oder abstoßen, ist dem Quadrat ihrer Entfernung umgekehrt proportional. Dieses Grundgesetz des M. wurde von Coulomb nach zwei Methoden experimentell nachgewiesen. Erstlich durch die Schwingungen einer kleinen Magnetnadel, welche an einem Kokonfaden aufgehängt war; bringt man dieselbe ein wenig aus ihrer Gleichgewichtslage, so schwingt sie unter dem Einfluß des Erdmagnetismus. Nähert man nun ihrem Südpol den Nordpol eines sehr langen Magnetstabs, dessen Südpol demnach so weit entfernt ist, daß seine Wirkung auf die Nadel außer acht gelassen werden kann, so schwingt sie jetzt unter dem vereinigten Einfluß der Erde und des genäherten Magnetpols. Bestimmt man die Schwingungszahlen bei verschiedenen Abständen des Pols und berechnet daraus nach dem bereits oben angeführten Gesetz die jedesmal wirksame Kraft, so findet man, daß die vom Pol allein geübte Anziehung bei doppelter Entfernung nur noch ¼, bei dreifacher nur 1/9 etc. beträgt. Bei der zweiten Methode kam die Drehwage (s. d.) zur Anwendung. Ein Magnetstäbchen hängt an einem Drahte, dessen oberes Ende durch Umdrehung einer Scheibe um einen meßbaren Winkel gedreht werden kann. Wäre das Stäbchen nicht magnetisch, so würde es der Drehung folgen, ohne daß der Draht eine Drillung oder Torsion erleidet. Da aber das Stäbchen seiner Entfernung aus dem magnetischen Meridian widerstrebt, so erleidet der Draht eine Torsion, und das Stäbchen nimmt stets diejenige Stellung an, daß sein magnetisches Moment dem Torsionsmoment des Drahts das Gleichgewicht hält. Nähert man nun seinem einen Pol einen gleichnamigen Magnetpol, der es in die Gleichgewichtslage zurückzutreiben strebt, so muß man, um dies zu verhindern, dem Draht eine neue Torsion erteilen. Bestimmt man die hierzu nötige Torsion für verschiedene Entfernungen des Magnetpols, so läßt sich, da die Kraft, mit welcher der Draht in seine Gleichgewichtslage zurückzukehren strebt, stets der Größe der Torsion proportional ist, die in jedem Fall wirksame Abstoßungskraft leicht berechnen. Auch diese Versuche bestätigen die Richtigkeit des obigen Gesetzes. Aus diesem Gesetz, welches für die Wechselwirkung zweier Pole gilt, folgt, daß die gegenseitige Einwirkung zweier vollständiger Magnete, deren Entfernung im Verhältnis zu ihren Dimensionen so groß ist, daß die Wechselwirkung aller vier Pole in Betracht kommt, der dritten Potenz ihrer Entfernung umgekehrt proportional ist. Die leicht durchzuführende experimentelle Bestätigung dieser Folgerung liefert einen neuen Beweis für die Richtigkeit des Grundgesetzes.

Befindet sich eine Magnetpol in der Nähe eines Magnets, so werden dessen beide Pole, der eine mit einer anziehenden, der andre mit einer abstoßenden Kraft, auf ihn wirken, welche sich zu einer resultierenden Kraft vereinigen, deren Richtung und Größe von der Lage jenes Pols in Beziehung auf den Magnet abhängig ist. Die verschiedenen Richtungen der magnetischen Kräfte in der Nähe eines Magnets können in anschaulicher Weise sichtbar gemacht werden, indem man auf ein über den Magnet gelegtes Blatt steifen Papiers Eisenfeilspäne siebt. Diese ordnen sich zu regelmäßig gestalteten Kurven (Fig. 12), welche beide Pole miteinander verbinden, und deren Richtung in jedem Punkte die Richtung der magnetischen Kraft angibt. Diese Linien heißen magnetische Kurven oder (nach Faraday) Magnetkraftlinien. Die Linien, welche wir im vorigen Abschnitt als magnetische Meridiane bezeichneten, sind die Magnetkraftlinien der Erde.

Theorien.

Zur Erklärung der magnetischen Erscheinungen hat man angenommen, daß es zwei unwägbare magnetische Flüssigkeiten (Fluida), eine nordmagnetische und eine südmagnetische, gebe, denen man die Eigenschaft zuschreibt, daß die Teilchen derselben Flüssigkeit einander abstoßen, daß dagegen Anziehung stattfindet zwischen den Teilchen der einen und denjenigen der andern Flüssigkeit. Diese Hypothese kann nicht den Anspruch erheben, über die Natur des M. Aufschluß zu geben; sie hat vielmehr nur die Bedeutung einer bildlichen Ausdrucksweise, welche uns den Überblick über die Erscheinungen und die Beschreibung derselben erleichtert, und wird von den Physikern heutzutage auch nur noch in diesem Sinn angewendet.

^[Abb.: Fig. 12. Magnetische Kurven.]