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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Marmor

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Marmor (Varietäten).

M. in der Propontis, der arabische M., welcher den parischen M. noch übertraf, der M. von Chios und der stark durchscheinende kappadokische M., den man in dünnen Platten nach Art des Fensterglases benutzte. Fast alle diese Marmorarten kennen wir nur aus den Kunstwerken (antiker M.), während der moderne M. größtenteils aus Italien stammt. Dort gibt es bei Carrara 600, bei Seravezza gegen 100, bei Massa gegen 180 Marmorbrüche, und der geschätzteste Stein ist der Statuario de Falcovaja (Monte altissimo). Auch die Umgegend von Padua, Pisa, Verona und Florenz sowie Sizilien, Corsica und Elba liefern verschiedene Marmorarten. Der weiße M. wird an der Luft allmählich gelblich, selbst braun, indem sich in geringer Menge darin enthaltenes farbloses Eisenoxydul höher oxydiert und in gelbes Eisenoxyd verwandelt. Er unterliegt ferner der Verwitterung, zum Teil veranlaßt durch diesen Eisengehalt, noch mehr durch die Kohlensäure der Luft und durch Flechten und Moose, welche sich auf dem M. ansiedeln. In der Technik nennt man außer dem körnigen Kalkstein auch alle diejenigen Kalksteine M., welche schön gefärbt sind und bei gleichförmigem Korn sich gut schneiden und polieren lassen. Sie sind weiß, häufiger rot oder gelb durch Eisenoxyd und Eisenhydroxyd, blau oder schwarz durch bituminöse oder kohlige Substanzen, bald einfarbig, bald bunt, mit wolkigen, flammigen, äderigen, anders gefärbten Zeichnungen, daher der Ausdruck marmoriert. Die Schönheit wird nicht selten dadurch erhöht, daß sich Adern von Kalkspat, auch Chalcedon oder Quarz, oder Versteinerungen durch ihre verschiedene, meist lichtere, oft rein weiße Färbung vom anders gefärbten Grund abheben. Manche von Adern durchtrümmerte Gesteine erscheinen breccienartig; andre sind wirkliche Breccien, entstanden durch Verkittung eckiger Bruchstücke, andre Puddingmarmore, bei denen die Bruchstücke abgerundet sind. Der geschätzte Pfauenmarmor (Pavonazetto) ist ein weißer M. mit dunkelvioletten Adern und Flecken. Cipollino und Verde antico wurden schon erwähnt. Viel Anwendung finden die dunkelgrauen, blauen und blauschwarzen Marmore, die als schwarze zusammengefaßt werden: der rein schwarze (nero antico aus Oberäygpten), weil ihn Lucullus vor allem liebte, Lukullan genannt; der Bianco in nero der Italiener, schwarz mit weißen Adern; der prachtvolle Port' or oder M. von Porto Venere bei Spezia, mit leuchtenden, gelben Adern auf schwarzblauem Grunde. Der Marmo africano, schwarz mit weißen und roten Flecken, hat oft schon breccienartiges Ansehen. Die roten Marmore von mannigfacher Nüancierung der Farbe, oft prachtvoll marmoriert, auch ins Breccienartige übergehend, wurden schon im Altertum vielfach verwendet und dienten im Mittelalter bis auf unsre Zeit vorzugsweise zu Altären und Grabdenkmälern. Hierher gehören: der einfarbige dunkelrote Rosso antico aus Oberägypten, der Campaner M. aus den französischen Pyrenäen, der Mandelmarmor (marmo mandolato) von Lugezzana bei Verona, mit weißen Flecken auf hellrotem Grunde, der sogen. sizilische Jaspis (marmo Jaspis) von Sizilien, hellrot mit breiten, bandförmigen, weißen und grünen Zickzackstreifen. Sie gehören zu den mannigfachsten Formationen vom silurischen Übergangsgebirge an; reich daran ist vor allem der Lias der Alpen und Apenninen. Selten sind einfache echte grüne Marmore, denn der Marmo carystium vom Berg Ocha bei Karystos, halb grün mit weißen Streifen, gehört zu dem Cipollino, und die meisten übrigen sind grüne Porphyre u. dgl., so der grüne tänarische vom Taygetos in der Maina. Ungemein mannigfaltig in ihren Farben sind die Breccien, echte, aus verkitteten Bruchstücken entstandene sowohl als scheinbare, dichte Kalksteine, von zahlreichen Adern durchsetzt (Breccie von Seravezza, s. oben). In dem dichten Kalk häufen sich die Versteinerungen oft derart an, daß sie zu Muschelmarmoren werden, so besonders Schnecken und Muscheln im Muschelmarmor im engern Sinn, darunter Klymenien und Goniatiten, Orthoceratiten im nordischen silurischen roten Übergangskalk, Ammoniten in schwarzen und roten Trias- und Liaskalken (Altdorf in Franken, Adneth bei Salzburg). Auch der durch den prachtvollen Perlmutterglanz seiner Schneckenschalen berühmte opalisierende Muschelmarmor (Helmintholith) von Bleiberg in Kärnten und vom Lavetscher Joch bei Hall in Tirol gehört hierher. Der Hippuritenkalk liefert ebenfalls schwarzen, mit weißen Muscheln durchsetzten M. (Leichentuchmarmor). Auch der geschätzte Pfauenaugenmarmor gehört hierher. Erfüllt von kleinen Resten von Bryozoen sind die schönen grauen, granitähnlichen Marmore, der Granitello di Mosciano aus Toscana, der Granitmarmor (s. d.) von Neubeuern in Oberbayern. In Deutschland ist besonders Bayern nach M. erforscht und ausgebeutet worden, und es haben die Umgegend von Schlanders, Füssen, Tegernsee, Neubeuern bei Rosenheim, Untersberg, Kelheim sowie der Frankenjura und das Fichtelgebirge einen Reichtum schöner Gesteine geliefert; die größten Werkstücke für die Walhalla der Bruch auf eine kleinkörnige, weiße Breccie der Hippuritenkreide am Untersberg. Das Fichtelgebirge liefert bei Wunsiedel schönen salinischen M., bei Hof dichte, schwarze devonische Marmore. Der sächsische M. vom Fürstenberg bei Gräfenhein ist dem Wunsiedler ähnlich. Schlesien besitzt salinische und dichte Marmore, grauen, körnigen M. zu Prieborn bei Brieg, schwarzen zu Greifenberg, roten bei Jauer. Der Reichtum Österreichs an M. wird wenig ausgebeutet; doch sind wichtige Brüche in Kärnten, Vorarlberg, Istrien, Salzburg und im Küstenland bei Tolmein vorhanden. Auch die Schweiz ist marmorreich. Das Übergangsgebirge des Thüringer Waldes (Döschnitz), des Harzes (Rübeland) und am Niederrhein liefert schöne schwarze und rote Marmore. Ausgezeichnete rote Marmore hat der skandinavische Norden (Osterzyllen, Öland), aus dem auch die viel über Norddeutschland verbreiteten und hier verarbeiteten erratischen Kalkblöcke stammen. England hat, vorzüglich in seinem Kohlenkalk, ausgedehnte Brüche auf schwarze, schwarze weiß gefleckte und geäderte, auch bunte Marmore. Der Schildkrötenmarmor (Turtlemarble) von Weymouth besteht aus großen Septarien, die im Oxfordthon liegen und zu schönen Platten verarbeitet werden. In Schottland bildet bei Assynt in Sutherlandshire ein sehr schöner weißer M. außerordentlich ausgedehnte Lager. Sehr schön ist der hell blutrote oder fleischrote oder rötlichweiße, mit dunkelgrünen Hornblendeteilchen eingesprengte M. von Tirne, einer der Hebrideninseln. Aus Irland ist am bekanntesten der Kilkennymarmor von schwarzer Farbe mit weißen oder grünlichen Petrefakten. Ein ungemein schöner schwarzer M. kommt bei Crayleath vor, und Louthlougher in Tipperary liefert einen schönen purpurfarbigen M. Unter den zahlreichen französischen Marmorsorten sind die bekanntesten die von Charleville, Lavelle, Antibes,