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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Mastdarm - Mastdarmkrebs.

angewendet wird. Die Zunahme berechnet man nach dem Gewicht. Schlachtgewicht ist das Gewicht, welches die vom Fleischer bezahlten Teile liefern (die vier Viertel und die Haut), Lebendgewicht das, was das Tier überhaupt wiegt. Die M. gilt als gut, wenn beim Rindvieh das Schlachtgewicht bis 70 Proz. vom Lebendgewicht beträgt. Schweine kommen bis 90 Proz. und darüber. Die Zunahme gilt als schon sehr zufriedenstellend, wenn sie bei Tieren von 500 kg Lebendgewicht pro Tag 1 kg im Durchschnitt beträgt; doch sind schon 3,5 kg erreicht worden. Kälber können in einigen Wochen fett sein, erwachsene Rinder brauchen einige Monate, Schafe die ganze Weidezeit, Schweine je nach dem Alter mehrere Wochen oder Monate, und Geflügel kann in wenigen Wochen vollkommen fett sein. Frankreich leistet hierin das Beste. Bedingungen zu guter M. sind Ruhe, gedämpftes Licht, höchste Reinlichkeit, öfterer Futterwechsel, größte Regelmäßigkeit, fleißiges Tränken mit klarem Wasser. Den Grad der erlangten Fettigkeit beurteilt der Fleischer nach den sogen. "Griffen", d. h. Stellen am Körper des Tiers, an welchen sich Fettpolster so bilden, daß man sie mit der Hand fassen und in Bezug auf Umfang und Kernigkeit des Fettes prüfen kann. Man rechnet bei hochfettem Zustand 61-70 Proz. des Lebendgewichts Fleisch, über 10 Proz. Talg und pro 50 kg Lebendgewicht bis höchstens 3 kg Haut; im magern Zustand resp. 43-46 Proz., 3-7 Proz. und 3,5 kg beim Rindvieh.

Mastdarm, s. Darm.

Mastdarmblasenfistel (Fistula recto-vesicalis), eine widernatürliche, erworbene Kommunikation zwischen der Höhle der Blase und der des Mastdarms, so daß der Inhalt der erstern (der Harn) in den Mastdarm gelangen und durch diesen abgehen oder der Inhalt des letztern (Kotmassen) in die Harnblase gelangen und mit dem Urin abgehen kann. Die M. ist die Folge von Verletzungen, wie beim Steinschnitt, beim Blasenstich durch den Mastdarm, bei ungeschicktem Gebrauch des Katheters, oder von Vereiterungen oder zerfallenen und verschwärenden Krebsgeschwülsten. Die M. ist ein höchst lästiges Übel, da Kot und Urin sich mischen, unwillkürlich abfließen und so dauernd Anlaß zu stinkenden Zersetzungen, Wundsein der Haut etc. geben. Die Blasenmastdarmscheidenfistel kommt ziemlich häufig beim Krebs der Gebärmutter vor und ist unheilbar. Die M. kann durch Operation beseitigt werden.

Mastdarmblutfluß, s. Hämorrhoiden.

Mastdarmbremse, s. Bremen, S. 384.

Mastdarmbruch (Hernia intestini recti, Archocele), seltene Lagenveränderung der Eingeweide, bei welcher der Mastdarm einen Vorfall durch den After erleidet und in dem vorgefallenen Teil Dünndarmschlingen wie in einer Tasche enthalten sind. Sobald sich der Afterschließer krampfhaft kontrahiert und die unter ihm liegenden Darmschlingen abschnürt, tritt, wenn nicht schnelle Hilfe geschafft wird, Entzündung und Brand des Mastdarmbruchs ein. Die Behandlung besteht in der Reposition des Bruches und, wenn diese gelingt, in der Verhütung des Wiedervorfalls; beides gelingt nur durch kunstgeübte Hände.

Mastdarmentzündung (Proctitis), in höhern Graden gewöhnlich verbunden mit Entzündung und eiteriger Infiltration des Zellgewebes in der Nachbarschaft des Mastdarms (Periproctitis), bewirkt brennende oder drückende Schmerzen im After mit zeitweisem Afterzwang (Tenesmus) oder schmerzhaftem Heraufziehen des Afters sowie konsensuelle Schmerzen in Schenkel, Hüfte, Harnblase und andern benachbarten Organen. Der After ist gerötet, wulstig vorgetrieben und heiß. Oft ist Kotverhaltung, oft aber auch und zwar gleichzeitig mit letzterer ein häufiger Abgang von glasigem, mit Blut gemischtem oder eiterig trübem Schleim vorhanden, so daß die Krankheit Ähnlichkeit mit der Ruhr bekommt. Das Abgehen des Stuhls verursacht heftigen Schmerz, so daß der Kranke den Stuhl möglichst lange zurückhält. Letzteres Symptom tritt besonders bei schmerzhaft entzündeten Geschwüren und Einrissen in der Schleimhaut des Afters hervor. Bei der chronischen M. sind die Symptome milder und versteckter und ähneln denen der Hämorrhoiden, mit denen sie ohnedies meist zusammen vorkommt. Von den Ursachen der M. sind zu nennen das Vorhandensein von Hämorrhoidalknoten, Geschwüren und Einrissen der Schleimhaut, der Durchgang von Splittern, harten Speiseresten und sehr festen Kotmassen, Reizung durch Würmer, besonders durch die bei Kindern so häufig vorkommenden Maden- oder Springwürmer (Oxyuriden), Erkältung durch Sitzen auf kaltem und nassem Boden. Die M. geht, wenn sie nicht schnell gehoben wird, leicht in Geschwürsbildung auf der Innenfläche über, hat auch nicht selten Mastdarmfisteln (s. d.) im Gefolge. Die Behandlung besteht wesentlich in der Entfernung der Ursachen, Anwendung von Blutegeln, Eis und Ätzung der zugänglichen Schleimhautpartie mit Höllenstein in Substanz.

Mastdarmfissūr (Fissura ani), kleines, spaltenförmiges Geschwür der Afterschleimhaut, ist sehr schmerzhaft, namentlich bei Kotentleerung, und wird durch Ätzung oder Spaltung mit dem Messer geheilt.

Mastdarmfistel (Fistula ani), jeder fistulöse eiternde Gang in der Nähe des Mastdarms, wobei entweder nur das Zellgewebe, welches die äußere Wand des Mastdarms umgibt, zerstört ist, oder der fistulöse Gang mit der Höhle des Mastdarms selbst in Verbindung steht. Die Ursachen der M. sind entzündliche oder geschwürige Erkrankungen des Mastdarms oder seiner Umgebung, überstandene Ruhr, syphilitische oder tuberkulöse Geschwüre. Der Kranke hat längere Zeit Jucken am After, und es entsteht im Umfang desselben eine knotige Geschwulst, welche sich oft nur durch eine kleine Öffnung entleert. Ist die M. eine unvollständige, so kommt aus der äußern Öffnung nur spärlicher Eiter hervor; ist sie aber vollständig, so können auch Kotmassen oder Darmgase durch dieselbe abgehen. Die Heilung der M. erfordert stets operativen Eingriff mit dem Messer oder Unterbindung. Vgl. After.

Mastdarmkatarrh, leichtere Form der Mastdarmentzündung.

Mastdarmkrebs (Carcinoma recti) kommt besonders im höhern Alter vor und ist bald primär, bald von den Nachbarorganen, zumal der Blase und der Gebärmutter, auf den Mastdarm fortgesetzt. Der M. tritt sowohl als Markschwamm, Epithelialkrebs, wie auch als Gallertkrebs auf und bildet gewöhnlich eine ringförmige Geschwulst mit Verengerung der Höhle des Mastdarms. Die wichtigsten Symptome sind heftige Blutungen, Drängen zum Stuhlgang, Schmerzen im Mastdarm, die besonders beim Stuhlgang auftreten, Erschwerung des Stuhls in den verschiedensten Graden bis zur völligen Unterdrückung desselben, Störungen der Nachbarteile, besonders der Blase und Genitalien, Abmagerung und schmutzig gelbgraue Hautfarbe, manchmal auch Fieberbewegungen. Die einzig rationelle Behandlung des Mastdarmkrebses, solange derselbe sich nicht über 5-8 cm in die Höhe erstreckt, ist die operative. Geht die krebsige Entartung