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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Mastdarmpolypen - Mastkultur.

höher hinauf, so kommt durch eine Operation das Bauchfell in Gefahr. Gleichwohl operiert man, wo es nur irgend angeht; denn die Erleichterungen, die man den Kranken dadurch gewährt, sind so beträchtlich, daß selbst ein gewagteres Unternehmen dadurch gerechtfertigt wird. Ist wegen zu ausgedehnter Entartung an eine Operation nicht mehr zu denken, so sucht man den Kranken durch konzentrierte und wenig Kot machende Nahrung, Fleisch, Eier, Wein, bei Kräften zu erhalten und sorgt durch milde Abführmittel für weichen Stuhlgang. Die Schmerzen sind durch Morphium zu mäßigen.

Mastdarmpolypen, abnorme, meist sehr gefäßreiche Schleimhautwucherungen mit erdbeerartiger, unebener Oberfläche, welche entweder nahe am After sitzen und stets aus diesem hervorragen, oder tiefer sitzen, lang gestielt sind und nur dann und wann beim Stuhlgang hervortreten, manchmal auch immer im Mastdarm verborgen bleiben. Sie verursachen gewöhnlich einen sehr heftigen Schmerz, besonders bei der Stuhlentleerung, und wenn sie hervorgetreten sind und vom Afterschließer eingeklemmt werden. Die Behandlung besteht in operativer Entfernung.

Mastdarmscheidenfistel (Fistula recto-vaginalis), eine widernatürliche, erworbene Kommunikation des Kanals des Mastdarms mit dem der Mutterscheide, ist gewöhnlich die Folge von Verletzungen des Mastdarms und der Scheide bei schweren Geburten, aber auch von fremden Körpern, welche in den Mastdarm und in die Scheide, sei es durch Zufall, sei es durch ungeschickte und unpassende Manipulationen an den genannten Organen, gelangten. Endlich können krebsige Verschwärungsprozesse die Wandungen des Mastdarms und der Scheide zerstören. Die M. läßt nach ihrer verschiedenen Größe einen größern oder kleinern Teil der Kotmassen in die Scheide treten, bei ganz kleinem Umfang aber nur Darmgase. Die M. ist außerordentlich hartnäckig u. nur durch Operation zu heilen.

Mastdarmspiegel, röhrenförmiges Instrument aus Glas, Porzellan oder Metall, welches zur Untersuchung der Mastdarmschleimhaut in den After eingeführt wird.

Mastdarmvorfall (Prolapsus ani), diejenige Lagenabweichung, bei welcher ein Stück der Mastdarmschleimhaut durch den After hervorgetrieben wird und hier vorliegen bleibt, oder wo ein eingeschobenes oberes Darmstück durch den After zum Vorschein kommt. Der Vorfall stellt einen vom After ausgehenden, verschieden großen, weichen Wulst dar, welcher rot oder blaurot gefärbt ist. Die Zufälle, welche der M. erregt, sind gewöhnlich nicht sehr bedeutend, weil die Mastdarmschleimhaut gegen den Zutritt der Luft nicht sehr empfindlich ist. Die Beschwerden können aber sehr bedeutend werden, wenn der Vorfall groß ist, sich entzündet oder durch starke Zusammenziehung des Schließmuskels eingeklemmt wird, in welchem Fall selbst Brand entstehen kann. Die gewöhnlichen Ursachen des Mastdarmvorfalls sind seltene und feste Stuhlausleerungen, heftiges und anhaltendes Drängen bei lange dauernden Diarrhöen und bei Blasensteinen, bei Wurmkrankheit und Hämorrhoiden, ferner starkes Schreien, Aufheben schwerer Lasten etc. Der M. entsteht überhaupt am häufigsten bei Kindern, besonders durch anhaltende Diarrhöen während des Zahnens, und bei alten, schwächlichen Subjekten. Bei Kindern wird der M. meist bald geheilt, bei Erwachsenen dagegen kehrt das Übel sehr leicht bei jeder neuen Veranlassung zurück. Die Behandlung beruht auf Zurückbringung und Zurückhaltung des vorgefallenen Darmteils in seiner normalen Lage sowie auf Entfernung der den M. hervorrufenden Ursachen. Bei frischem und kleinem M. reicht gewöhnlich ein Druck mit der flachen Hand auf denselben zur Zurückbringung hin, in schwerern Fällen ist die geübte ärztlich Hand erforderlich.

Mastenkran, ein Kran zum Einsetzen der Masten in die Schiffe.

Master (engl., spr. mahster), Meister, Herr, Eigentümer; Vorgesetzter, Vorsteher, Oberleiter. In Verbindung mit dem Vornamen ist M. Anrede an junge, titellose Leute aus höhern Ständen, besonders von seiten der Dienerschaft, während es in der Bedeutung von "Herr" als Anrede nicht mehr gebräuchlich ist (s. Mister).

Mastflecke, s. Geilung.

Mastic Serbat, s. Kitt.

Mastikation (lat.), das Kauen.

Mastītis (griech.), Entzündung der Brustdrüse.

Mastix, Harz, welches aus einer Varietät von Pistacia Lentiscus L., einem strauchartigen Baum, besonders auf Chios gewonnen wird. Man macht zur Gewinnung des Harzes leichte Einschnitte in den Stamm und sammelt nach 2-3 Wochen das erhärtete Harz. Ein Bäumchen liefert 4-5 kg. Die besten Sorten bilden kleine, kugel-, walzen- oder birnenförmige, durchsichtige, anfangs etwas grünliche, später farblose oder gelbliche Stücke. Der M. ist spröde, leicht pulverisierbar, von schwach balsamischem Geruch und Geschmack; er wird bei langsamem Kauen im Mund knetbar, schmilzt bei 108°, entwickelt dabei einen balsamischen Geruch und löst sich zum größten Teil in kaltem Alkohol. Er dient im Orient als Kaumittel (besonders den Damen, um den Atem wohlriechend zu machen), zu Konfitüren und zur Darstellung eines beliebten, sehr feinen Likörs (Raki, Mastichi), den man mit Wasser vermischt trinkt, bei uns zu Räucherpulvern, Zahnpulvern, Kitt und besonders zu Firnis. Eine Auflösung von M. in Terpentinöl wurde als Gemäldefirnis benutzt, seiner leichten Verletzbarkeit halber, und weil er im Dunkeln vergilbt, aber durch den Dammarfirnis verdrängt. Im Englischen und Französischen bezeichnet M. nicht nur das Harz, sondern überhaupt Kitt oder Zement, daher Mastixzement, Mastixdächer für Kompositionen u. dgl., bei denen an M. nicht zu denken ist. Chios war als Mastixinsel schon im Altertum berühmt. Im 9. Jahrh. galt M. in Westeuropa als Seltenheit, aber bald darauf fand er sich in allen Arzneibüchern und wurde sehr viel arzneilich gebraucht. Auch andre griechische Inseln scheinen zeitweilig M. geliefert zu haben, doch blieb Chios immer Hauptproduzent und liefert gegenwärtig etwa 70,000 Pfund M. im Jahr.

Mastixbaum, s. v. w. Pistacia Lentiscus.

Mastixkraut, s. Teucrium.

Mastixzement, s. Kitt.

Mastkorb, fälschlich für Mars (s. d.).

Mastkultur, eine 1845 von England in Deutschland eingeführte Methode zur Erziehung von Pracht- oder Ausstellungspflanzen, die sich mit gutem Erfolg nur bei schnellwüchsigen Gewächsen, namentlich Fuchsien, anwenden läßt und die darin besteht, daß man eine kleine Pflanze in einen großen Topf mit fetter, durch Ziegel-, Stein- und Kohlenstücke locker und durchlässig gemachter Erde setzt, der ein ausreichender Wasserabzug nicht fehlen darf. Das Gießen muß sehr vorsichtig geschehen, solange die kleine Pflanze mit wenig Wurzeln übermäßige Feuchtigkeit nicht aufnehmen und verarbeiten kann, weil sonst die Erde versauert und die Wurzeln faulen. Später muß reichlicher gegossen werden.