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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Meer

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Meer (Tierleben, Geognosie des Meeresgrundes, Nutzen des Meers).

Bakterien spielen beim Meeresleuchten eine große Rolle. Bald leuchtet das M. nur in einzelnen äußerst glänzenden Funken, bald drängen sich die lichtentwickelnden Organismen enger zusammen, und die ganze Oberfläche des Meers erglänzt in einem gleichförmigen weißen Phosphorlicht. Stets ruft mechanische Reizung der Tiere erhöhtes Leuchten hervor; aber auch für chemische Reize sind sie höchst empfänglich, und wenn ein Platzregen plötzlich das Salzwasser verdünnt, verwandelt sich der Ozean in ein Feuermeer.

Überblickt man die einzelnen Regionen des Meers, so zeigt sich im Nördlichen Eismeer ein Vorherrschen der Seesäugetiere und Flohkrebse, welch letztere den erstern zur Nahrung dienen. Unter diesen sind der grönländische Bartenwal, der Finnfisch, Narwal und das Walroß charakteristisch. Der Nordatlantische Ozean ist das Reich der Schellfische und Heringe; im Mittelmeer erscheint der Pottwal nur selten, häufiger sind Delphine und Robben; unter den Fischen herrschen Lippfische vor, sonst sind noch Barsche, Schollen, Thunfische, Sardinen und Sardellen aus der reichen Fischfauna hervorzuheben; außerdem finden sich zahlreiche Kopffüßer, Schnecken, Muscheln, Polypen (Edelkoralle), Badeschwämme. Auffallend arm an Arten ist das Schwarze M. Im tropischen Teil des Atlantischen Ozeans findet man neben Pottfischen und Delphinen pflanzenfressende Sirenen, in der Nähe der westindischen Inseln kommen die großen Seeschildkröten vor. Zahlreiche Mollusken, darunter Pteropoden, ferner Kruster, Medusen und Salpen locken fliegende Fische und diese wieder die Boniten an. Bei den Bahamainseln und Antillen gibt es auch riffbildende Polypen. Der Indische Ozean ist das Reich der Hydriden (Seeschlangen) und Kegelschnecken; von Säugetieren ist der Dugong am bezeichnendsten. Riesenschildkröten, Krokodile und die giftigen Schlangen repräsentieren die Reptilien. Eine reiche Fischfauna, besonders aber zahlreiche Mollusken (Nautilus, Perlmuschel, Riesenmuschel), Strahltiere und Korallentiere sind weitere Eigentümlichkeiten dieses Meers, welches mit dem tropischen Stillen Ozean einigermaßen übereinstimmt, vom Atlantischen Ozean jedoch bedeutend abweicht (daher der große Unterschied der Fauna des Roten und des Mittelmeers). Im nördlichen Stillen Ozean herrschen unter den Fischen die Panzerwangen vor; im nördlichsten Teil sind einige Robben sowie Seelöwen und Seebären bemerkenswert. Der tropische Stille Ozean ist das eigentliche Reich der Korallen und Holothurien; Robben und Sirenen fehlen fast ganz, nur Pottfische und antarktische Wale werden bisweilen angetroffen. Zahlreiche Fische, darunter Flugfische, Doraden, große Haifische, ferner mannigfache Mollusken sind charakteristisch. Der südliche Teil der Ozeane ist bedeutend ärmer an Tieren als der nördliche; aber selbst im hohen M. werden hier Schwärme von Quallen, Pteropoden und kleinen Krustern angetroffen. In der Nähe der Küsten leben große Robben und Wale, darunter der kosmopolitische Pottfisch, ferner zahlreiche Mollusken und Kopffüßer; die Fische sind durchweg von denen der nordischen Meere verschieden. Im antarktischen M. herrschen wieder Wale und Robben vor; doch sind auch zahlreiche Fische vorhanden, welche wieder eine übergroße Menge niederer Geschöpfe voraussetzen. Zu allen diesen Tieren gesellen sich endlich noch in allen Meeren die Vögel, welche wohl den größten Teil ihres Lebens über dem Wasser verbringen und sich von Seetieren nähren, aber durch das Fortpflanzungsgeschäft stets an das Land gefesselt sind.

In geognostischer Beziehung haben die Untersuchungen des Meeresgrundes ergeben, daß die Gebirgsformationen, welche in der Nähe des Strandes anstehen, sich in ganz analoger Weise unter dem M. hin fortsetzen. Freilich sind hier die Ergebnisse noch sehr lückenhaft; indes hat man z. B. westlich von Jütland die auf Helgoland anstehenden Trias- und Kreidethonschichten streckenweise nachzuweisen vermocht und im Kanal die Kreide-, Jura- und Bergkalkschichten und ihre Grenzen annähernd konstatiert. Auch hat man die topographische Ausbreitung der Korallen- und Austernbänke festgestellt, insbesondere aber die der verschiedenen Arten von Schlamm, speziell des kreidigen Kalkschlammes, welcher manche Tierreste enthält, die denen der Kreidezeit nahestehen. Diese Schlammmassen sprechen für die große Bedeutung des Meers in geologischer Hinsicht; sie sind die Anfänge neu sich bildender Gesteinsmassen und zeigen deutlich, welchen großen Anteil an dieser Bildung die niedern Organismen haben. Die auf dem Festland niederfallenden und in den Boden einsinkenden Wasser nehmen aus dem Gestein, welches sie durchsickern, teils als Produkte einfacher Lösungsprozesse, teils infolge chemischer Umwandlungen Salze auf und führen diese den Quellen, Flüssen und endlich dem M. zu. In dieser Weise gelangt der Kalk stets als schwefelsaurer Kalk ins M., denn der als doppeltkohlensaures Salz gelöste Kalk scheidet sich größtenteils unter Verlust von Kohlensäure wieder unlöslich ab. Im M. wird nun der schwefelsaure Kalk durch die Organismen zersetzt; sie nehmen ihn auf und wandeln ihn durch ihren Stoffwechsel in kohlensauren Kalk um, welchen sie zum Aufbau ihrer Gehäuse gebrauchen. Diese Gehäuse sinken nach dem Absterben der Tiere zu Boden, und aus ihnen, besonders aus den mikroskopisch kleinen, bilden sich die erwähnten Schlammmassen, die einst als Kalkstein auftauchen werden. Auch Muscheln und Korallen beteiligen sich an dieser Kalksteinbildung in ausgedehntem Maß, und große Ablagerungen von kohlensaurem Kalk bestehen fast ausschließlich aus Muschelschalen. Neben diesen kolossalen Neubildungen spielen andre, welche das Material dem Schlamm verdanken, welchen die Ströme dem M. zuführen (s. Alluvium), oder dem mächtigen Anprall der Wogen gegen die Küsten (s. Küste), eine verhältnismäßig untergeordnete Rolle, und noch geringer ist die Bedeutung der Eisberge, welche, wie erwähnt, den Moränenschutt im M. verbreiten. Daß auch für die innern Erdkräfte das M. nicht ohne Bedeutung ist, wird mit gutem Grund aus der Lage der Vulkane in der Nähe der Meere gefolgert; jedoch ist Sicheres hierüber nicht ermittelt.

Der Nutzen, welchen das M. gewährt, ist ein außerordentlich großer, auch wenn man von seinem Einfluß auf das Klima und von seiner Bedeutung für den Völkerverkehr absieht. Es liefert zahlreiche Produkte und nährt und beschäftigt ganze Völker. In seiner teils als Wellenschlag, teils als Ebbe und Flut auftretenden Bewegung repräsentiert das M. einen ungeheuern Vorrat an lebendiger Kraft, den man von mehreren Seiten nutzbar zu machen gesucht hat. So soll die Ebbe und Flut zum Betrieb von Wasserrädern und Turbinen nutzbar gemacht werden, und die Brandung hat man zur Kompression von Luft benutzt, um mit dieser Motoren zu betreiben und Kälte zu erzeugen. Vielfach wird an den Küsten durch Verdampfen des Meerwassers auf weiten abgeschlossenen Flächen Kochsalz gewonnen, aber nach der Abscheidung des letztern liefert die Mutterlauge auch noch andre Salze und zuletzt das Brom. Seesalz wird auch zu Bädern benutzt und ersetzt mehr