Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Messen

510

Messen (Handelsmessen) - Messen (Meßkunst).

sind noch jetzt die heiligen Städte, wie Mekka mit seiner Kaaba in Arabien, Hardwar in Ostindien, als Zielpunkte großer Wallfahrten auch gleichzeitig Hauptpunkte des Marktverkehrs. Da die M. nicht allein gemeinnützig waren, sondern auch dem Landesherrn reiche Einnahmen erbrachten, so suchte man dieselben durch verschiedene Verordnungen und Veranstaltungen, welche den Meßverkehr sicherten, erleichterten und regelten, besonders zu heben. Man setzte die Zahl der Verkaufsläden fest, damit die Verkäufer, nicht durch eine zu große Konkurrenz gedrückt, ihre Rechnung finden könnten, und bewilligte den Meßbesuchern gewisse Freiheiten (Meßfreiheiten). Nun war in den frühern Zeiten des Mittelalters bei mangelhaften Transportanstalten, großer Unsicherheit des Verkehrs, ungenügender Rechtspflege für die Bedürfnisse des Handels noch sehr wenig gesorgt; daher mußten die M., an den Orten eines regen Verkehrs begründet und mit wichtigen Freiheiten ausgestattet, schnell Zentralpunkte des Handels werden. Die Regierungen verliehen den Meßplätzen gewisse Vorrechte (Meßprivilegien), die entweder bleibend oder auf die Meßzeit beschränkt waren, z. B. das Recht der Warenniederlage (Zwang zur Benutzung der städtischen Speicher gegen eine Abgabe), das Münzrecht, das Zollerhebungsrecht, das Geleit (Schutz der Reisenden gegen eine Abgabe), freien Handel während der Meßzeit (Befreiung von dem sonst geltenden Innungszwang), Veranstaltung von Lustbarkeiten aller Art, zeitweilige Gestattung sonst verbotener Spiele etc. Ferner wurden gewährt: gänzlicher oder teilweiser Erlaß von Zöllen sowie von lokalen Abgaben und Lasten, Befreiung der Handeltreibenden und ihrer Waren vom Arrest bis zum Zahltag, sicheres Geleit und die Errichtung eines eignen Meßgerichts, welches in allen zwischen den Meßbesuchern entstandenen Rechtsstreitigkeiten nach dem Meßrecht ohne die üblichen Formalitäten mit beschleunigtem Verfahren entschied. Die Gesamtheit der die Messe betreffenden Verfügungen bildet die Meßordnung. Die Zeit der Abhaltung der M. richtete sich nach dem Klima (Benutzbarkeit von Land- und Wasserstraßen) und nach den Produktionsverhältnissen (Ernte) des Landes. Bezüglich der Meßzeit selbst sind zu unterscheiden die für die eigentlichen Meßgeschäfte bestimmten Meßtage und die zur Abrechnung und zur Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeiten festgestellten Zahltage. Die größern M. haben ihre eigentliche Meßwoche und ihre eigne Zahlwoche, letztere aber meist mit einem bestimmten Zahltag oder sogen. Skontro. Gewöhnlich werden jedoch schon vor dem Eintritt der Meßwoche, oft in der gar nicht zur Messe gehörigen Vorwoche, die wichtigsten Geschäfte des Großhandels abgeschlossen, weil sich die Einkäufer in der Auswahl aus den Vorräten zuvorkommen wollen. Nicht alle in der laufenden Messe entstandenen Schuldverpflichtungen werden auch während der Dauer derselben erledigt, vielmehr erfolgen viele Käufe auf Kredit mit Fälligkeit der Zahlung in der nächsten oder einer der nächsten M. Schon frühzeitig wurden auf vielen M. Geschäfte auf Lieferung nach Proben und mit Zahlfrist bis zur nächsten Messe abgeschlossen; ja, einige M., wie im 16. Jahrh. die zu Lyon, Besançon, Medina del Campo und Piacenza, nahmen vorwiegend den Charakter von Abrechnungstagen an. Zahlung und Einkassierung von Meßwechseln vereinigten sich in den Händen von wenigen Bankiers. Infolgedessen dienten auch die M. in ähnlicher Weise zur Ausgleichung gegenseitiger Forderungen wie die heutigen Clearinghouses. Während die M. mit wirklicher Warenzufuhr in Ländern mit mangelhaften Transportmitteln noch heute von großer Wichtigkeit sind (wie die zu Kiachta, zu Nishnij Nowgorod), haben sie in andern mit zunehmender Entwickelung und Sicherheit des Verkehrs ihre alte Bedeutung mehr und mehr eingebüßt, oder sie behaupten sich mit Erfolg nur noch dadurch, daß sie mehr und mehr den Charakter von Gewerbeausstellungen und Musterlagern annehmen, welche Gelegenheit zu reicherer Auswahl von Neuem, zur Annahme von Bestellungen und zu Abrechnungen bieten. Dagegen haben die Spezialmärkte mit ihrem heutigen großen Umfang vielfach den Charakter der M. angenommen, insbesondere für solche Güter, welche, wie Vieh, Pferde, dann auch mancherlei Rohstoffe, einen persönlichen Verkehr erfordern. So ist die Leipziger Messe ein wichtiger Markt für die Rauchwaren geblieben, von denen oft in einer Messe für 6-9 Mill. Mk. umgesetzt werden. Eine hervorragende Stelle nimmt ferner die Tuchmesse in Augsburg für wollene und halbwollene Stoffe ein. Die wichtigsten deutschen M. sind diejenigen in Leipzig (Oster- und Michaelismesse), dann die M. in Frankfurt a. M. (Frühjahrs- und Herbstmesse), welche aber neuerlich bedeutend gesunken sind, ferner die M. in Frankfurt a. O. (Margareten-, Reminiscere- und Martinimesse), deren Hauptverkehr nach dem Osten (Polen, Ost- und Westpreußen, Schlesien und Pommern) gerichtet ist. Auch sie haben neuerlich an Frequenz sehr abgenommen. Dasselbe gilt von den jetzt wenig erheblichen Braunschweiger M. (Lichtmesse und Laurentiusmesse). Die übrigen in Deutschland noch bestehenden M. sind nur noch als Jahrmärkte zu betrachten. Nur der "Umschlag" in Kiel mag noch eine Erwähnung verdienen, weil er zugleich eine Geldmesse für den Umsatz von Hypothekenkapitalien ist. Von den außerdeutschen M. in Europa sind besonders wichtig: diejenigen von Basel in der Schweiz; Pest und Debreczin in Ungarn; Sinigaglia, Alessandria und Bergamo (Seide) im Königreich Italien; Beaucaire, die wichtigste französische, ehemals ungleich bedeutender; Nishnij Nowgorod, Irbit, Poltawa und Charkow in Rußland, deren Besucher zum großen Teil aus dem Innern Asiens kommen; ferner Usundschowa und Tultscha in der Türkei. Von den außereuropäischen M. sind vorzüglich zu nennen: diejenigen von Tanta in Oberägypten, Kiachta im südlichen Sibirien, Mekka in Arabien und Hardwar in Hindostan. Über die Buchhändlermesse in Leipzig s. Buchhandel. Vgl. Philippi, Beiträge zur Geschichte und Statistik der deutschen M. (Frankf. a. O. 1857); Hasse, Geschichte der Leipziger M. (Leipz. 1885).

Messen, im weitesten Sinn der mathematische Vergleich gleichartiger Größen. Die ihrem Wert nach zu bestimmende Größe wird durch eine bereits bestimmte (Maßeinheit) dividiert; der Quotient gibt das Maß. Im gewöhnlichen Leben wird oft Maß für Maßeinheit, auch selbst für Maßsystem gesagt. Die Meßkunst ist das nach wissenschaftlichen Grundsätzen betriebene M.; im engern Sinn wird oft darunter das M. von Raumgrößen nach den drei Dimensionen: Länge, Breite, Höhe, verstanden; auch wird der allgemeine Ausdruck Meßkunst oft fälschlich und einseitig für Geodäsie und Vermessungskunst (s. d.) gebraucht. Unter den unendlich mannigfaltigen Gegenständen der Meßkunst sind wichtigere: die Zeit (vgl. Zeitmessung); Geschwindigkeit (das Maß der Geschwindigkeit eines Punktes wird ausgedrückt durch den Weg desselben in einem bekannten Zeitteilchen); Kraft (wissenschaftlich ausgedrückt durch das Maß der Zunahme an Geschwindigkeit eines