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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Metápher; Metaphosphorsäure; Metaphrāse; Metaphysik

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Metapher - Metaphysik.

Metápher (griech. Metaphŏra, lat. Translatio, "Übertragung"), uneigentlicher, bildlicher Ausdruck, eine konzentrierte Vergleichung, bei welcher statt des Gegenstandes, der verglichen wird, unmittelbar derjenige gesetzt wird, mit dem die Vergleichung stattfindet, z. B. die Rosen der Wangen, statt die (rosenähnliche) Röte der Wangen. Auf der M. beruht Anmut, Kraft und Glanz der Rede, und selbst im gewöhnlichen Leben, in der Redeweise des Volkes, in den Ausbrüchen der Leidenschaft kommt sie in Anwendung. Insbesondere aber ist sie dem Dichter ein unentbehrliches Hilfsmittel. Der einfachen Deutlichkeit des eigentlichen Ausdrucks gegenüber verleiht sie eine höhere Klarheit, indem sie das Geistige, das bloß für den begreifenden Verstand deutlich ist, auch der Anschauung näher bringt. Man kann vier Arten von Metaphern unterscheiden. Die erste setzt einen sinnlichen Gegenstand für den andern (z. B. das Gold der Sonne, ein Wald von Masten); die zweite Art vergeistigt das Sinnliche, indem sie der Natur menschliche Empfindungen, Affekte und Zwecke beilegt (z. B. der Sturmwind zürnt, die Erde freut sich); die dritte versinnlicht das Geistige, indem sie den Gedanken, die Leidenschaft, die Empfindung etc. in ein sinnliches Bild kleidet (z. B. der Glanz des Ruhms, die Säule des Staats, der Lichtstrahl der Freude); die vierte endlich verbindet ein geistiges Bild mit einem andern (z. B. des Umgangs süße Reizung), letztere eine Eigentümlichkeit des Klopstockschen Stils, sonst, weil der Anschaulichkeit ermangelnd, wenig angewendet. Wird die M. länger, und zieht sie sich durch mehrere Vorstellungen hin, so wird sie zur Allegorie (s. d.) Eine falsch angewandte M. heißt Katachrese (s. d.). Vgl. Brinkmann, Die Metaphern, Studien über den Geist der modernen Sprachen (Bonn 1878, Bd. 1). - Metaphorisch, s. v. w. bildlich, übertragen; metaphorisieren, Metaphern anwenden.

Metaphosphorsäure, s. Phosphorsäure.

Metaphrāse (griech.), Umschreibung, Übertragung, namentlich die umschreibende Übersetzung eines Gedichts in Prosa. Metaphrast, Verfertiger einer M.; dann nach einem gewissen Simeon Metaphrastes, der im 10. Jahrh. oder später Märtyrer- und Heiligenlegenden bearbeitete, s. v. w. Verfasser von Heiligengeschichten.

Metaphysik (griech.) bedeutet, als einer der drei Hauptteile der Philosophie (s. d.), im Gegensatz zur Physik oder empirischen die philosophische Naturlehre, nach dem wörtlichen Ausdruck die Wissenschaft von dem, was hinter (meta) der Natur ist, deren Sein, Wesen, Ursache und Zweck ausmacht. Im weitern Sinn wird auch jede das Sein und Wesen, die Ursache und den Zweck eines Objekts betreffende eingehende Untersuchung mit diesem Namen belegt und z. B. von einer M. der Sitten (Kant), des Schönen (Vischer), des Staats etc. gesprochen. Da nun das jenseit der empirischen, d. h. erfahrungsmäßigen, Physik Gelegene nicht selbst durch Erfahrung erkannt werden kann (in welchem Fall es selbst Physik wäre), so ist mit der Aufstellung der M. als Wissenschaft die Forderung des Hinausgehens über das durch die Erfahrung unmittelbar Gegebene verknüpft. Derselben kann entweder durch Einführung einer von der Erfahrung verschiedenen besondern Erkenntnisquelle (Vernunft, übersinnliche Erfahrung) für durch die Erfahrung Nichtgegebenes oder durch Bearbeitung (Erweiterung, Ergänzung, Berichtigung) des durch die Erfahrung Gegebenen genügt werden. Im erstern Fall entsteht eine M., welche nicht nur über das durch die Erfahrung Gegebene hinaus-, sondern auch überhaupt nicht von der Erfahrung ausgeht (M. der reinen Vernunft: Rationalismus; M. der übersinnlichen Erfahrung: Mystizismus); im letztern entsteht eine M., welche zwar über das durch die Erfahrung unmittelbar Gegebene hinaus-, aber nichtsdestoweniger immer von demselben ausgeht (M. der Erfahrung: rationalisierter Empirismus). Die Anerkennung der erstern hängt von dem Umstand ab, ob eine von der Erfahrung verschiedene Erkenntnisquelle (reine Vernunft, übersinnliche Erfahrung) als psychologische Thatsache zugestanden wird (was von seiten der sensualistischen und empiristischen Psychologie sowenig wie von jener des Materialismus der Fall ist); die Anerkennung der letztern hängt von dem Umstand ab, ob die gegebene Erfahrung einer Bearbeitung (Erweiterung, Ergänzung, Berichtigung) bedürftig gefunden wird (was von seiten der reinen Erfahrungswissenschaft, des Empirismus und Positivismus, ebensowenig wie von jener der Verächter der Erfahrung, der reinen Vernunft- und der mystischen Metaphysiker, der Fall ist). Beide Richtungen der M. stehen daher nicht nur zu den Anhängern der reinen Erfahrung (Empirismus und Positivismus), sondern auch noch untereinander als die Erfahrung aus- und dieselbe einschließend im Gegensatz. Ersterer Umstand macht die Abneigung der Erfahrungswissenschaften gegen jede, letzterer jene der von der Erfahrung ausgehenden (empirischen) gegen die M. der die Erfahrung ausschließenden (spekulativen) Metaphysiker erklärlich. Unter allen philosophischen Wissenschaften hat daher die M. überhaupt unter den Nichtphilosophen, die M. der reinen Vernunft und die M. der übersinnlichen Erfahrung (intellektualen Anschauung, Intuition), jene seit Kants Kritik, diese seit der Katastrophe der spekulativen Philosophie, auch unter den Philosophen die wenigsten Freunde. Dennoch, da der "metaphysische Drang" (Schopenhauer), d. h. der Wunsch, "ins Innere der Natur einzudringen", dem Menschen einmal "angeboren" ist, bleibt, sobald der "metaphysische Zweifel", d. h. der Zweifel an der Realität der durch die Erfahrung gegebenen oder "Erscheinungswelt", einmal geweckt worden ist, die M. unvermeidlich. Angeregt aber wird derselbe durch die bei näherer Betrachtung sich aufdrängende Einsicht, daß das durch die Erfahrung Gegebene Widersprüche enthält, welche machen, daß es, so wie es gegeben ist, nicht behalten und, weil es gegeben ist, doch nicht abgewiesen werden kann. Die aus dieser Klemme notwendig entspringende Unruhe ist zugleich der Sporn und der Geburtsschoß des metaphysischen Denkens; die durch die Erfahrung gebotenen, durch die Logik verbotenen Widersprüche im Gegebenen werden zu metaphysischen Problemen. Als ein derartiges erschien z. B. der Eleatischen Schule (s. d.) der Begriff der Bewegung, der durch die Erfahrung aufgedrängt, durch die bekannten Argumente Zenons (s. d.) als unmöglich nachgewiesen wird. Andre werden (nach Herbart) durch die Erfahrungsbegriffe des Einen Dinges mit mehreren Merkmalen, der Veränderung, der Materie, des Ichs, dargeboten und bilden ebenso viele Ausgangspunkte der metaphysischen Forschung. Dieselbe kommt nicht eher zur Ruhe, als bis der treibende Widerspruch ausgeglichen, das Unabweisliche, aber Undenk-, also Unbehaltbare durch Bearbeitung (Ergänzung, Berichtigung) denk-, also behaltbar geworden ist.

Die auf diesem Weg durch Bearbeitung der widersprechenden Erfahrungsbegriffe entstehende, von der Erfahrung aus-, aber über dieselbe hinausgehende