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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Metz

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Metz (Schlachten und Belagerung 1870).

tion der Armee beim Fort St.-Julien zur Ausführung des Durchbruchs nach Diedenhofen. Der Versuch führte die Schlacht bei Noisseville (s. d.) 31. Aug. und 1. Sept. herbei, welche Bazaines Absicht vereitelte. Aber selbst wenn er gelungen wäre, hätte er kaum den gewünschten Erfolg gehabt. Denn Prinz Friedrich Karl hatte alles vorbereitet, um sich ihm bei Diedenhofen mit drei Korps in den Weg zu stellen, und überdies wurde Mac Mahons Armee an demselben 1. Sept. bei Sedan vernichtet. Einzig und allein nach Südosten hätte Bazaine durchbrechen, der deutschen Armee durch Zerstörung ihrer Verbindungslinien erheblichen Schaden zufügen und den Kern für eine neue Armee bilden können.

Die Schlacht von Noisseville und die Kapitulation von Sedan bewogen nunmehr das deutsche Oberkommando, eine eigentliche Blockade von M. ins Werk zu setzen. Die Zernierungsarmee bestand aus der ersten und zweiten Armee, welche unter dem Befehl des Prinzen Friedrich Karl, der sein Hauptquartier in Corny nahm, vereinigt waren, und war zusammengesetzt aus dem 1., 7. und 8., dem 2., 3., 9. und 10. Armeekorps, der Reservedivision Kummer und der 1. und 3. Kavalleriedivision. Das 1. und 7. Korps standen rechts der Mosel, das 2. im Moselthal südlich von M., das 8., 9., 3. und 10. auf dem linken Ufer, die Division Kummer im Thal nördlich von M. Die Zernierungslinie war gut befestigt durch Schützengräben, Batteriestände und Batterien mit schweren Geschützen weiter rückwärts, die Dörfer zur Verteidigung eingerichtet, im Fall des Alarms jeder Truppe ihre Aufgabe und ihr Sammelplatz zugewiesen. Beobachtungsposten auf hoch gelegenen Punkten konnten die Festung und das ganze Thal überschauen. Wenn nun auch deutscherseits keine Maßregeln versäumt waren, eine schnelle Kommunikation und Unterstützung der Korps untereinander zu erleichtern, so brachten es doch die Raumverhältnisse mit sich, daß gegen jeden Teil der Zernierung von M. aus ein Stoß geführt werden konnte, welcher eine Zeitlang den entgegenstehenden Kräften an Zahl überlegen blieb. Jedoch beschränkten sich die französischen Unternehmungen auf kleine Vorpostengefechte, Kanonaden der Forts und andre unbedeutende Demonstrationen. Erst Ende September wurden einige größere Ausfälle unternommen, um die Armee zu beschäftigen und Proviant zu erbeuten. Ein Durchbruchsversuch ward nicht wieder gemacht. Die bedeutendsten und zugleich die letzten Unternehmungen solcher Art waren die Angriffe auf die Stellung der Division Kummer 2. und 7. Okt. Am erstgenannten Tag richtete sich der Ausfall gegen Ladonchamps, Ste.-Agathe, St.-Remy und Bellevue. Die Deutschen wurden aus der äußersten Linie, aus Ladonchamps und Ste.-Agathe, vertrieben, behaupteten aber die befestigte zweite Linie und warfen im fernern Verlauf des Kampfes die Franzosen vollständig zurück. Am 7. Okt. nachmittags gegen zwei Uhr dirigierten sich am linken Moselufer französische Infanteriekolonnen mit 2-3 Batterien gegen Bellevue, St.-Remy, Grandes Tapes und Petites Tapes und warfen die Vorposten der Division Kummer nach hartnäckiger Verteidigung aus sämtlichen Ortschaften. General v. Voigts-Rhetz sandte die 38. Infanteriebrigade zur Unterstützung; General v. Alvensleben II. schickte die 9. Infanteriebrigade gegen das Gehölz von Woippy. Dieser Angriff von zwei Seiten nötigte den Feind zum Rückzug und endigte bei Einbruch der Dämmerung mit Wiedernahme sämtlicher Positionen.

Die Lage der eingeschlossenen Armee, welche bis zum 7. Okt. 2100 Offiziere und 40,000 Mann an Toten und Verwundeten verloren hatte, ward unter dem doppelten Einfluß moralischen und physischen Leidens mit jedem Tag trauriger. Die Monate September und Oktober brachten sehr viel Regentage und machten die Biwaks außerhalb der Stadt, in welchen die ganze Truppenmasse verteilt war, unbehaglich und ungesund. In noch höherm Maß war der Mangel an Lebensmitteln nachteilig, welcher immer fühlbarer ward; die Einförmigkeit derselben erzeugte Krankheiten. Pferdefleisch war zuletzt außer dem Brot fast die einzige Speise. Das Brot ward täglich in Rationen von 500 g und schon Anfang Oktober nur von 300 und 250 g ausgegeben. Der Bestand an Kranken wuchs von Tag zu Tag. Die Kavallerie war nicht mehr beritten, die Artillerie zum größten Teil nicht mehr bespannt. An die Möglichkeit eines Durchbruchs war gar nicht mehr zu denken; höchstens eine kleine Abteilung hätte sich, durch die Dunkelheit begünstigt, durchschlagen können. Auch die deutsche Armee litt außerordentlich durch das lange Stillliegen bei der nassen Witterung auf weiten Schlachtfeldern, so daß endlich im Oktober selbst mit Schwächung der Zernierungslinie weiter rückwärts gelegene Kantonnements bezogen werden mußten. Die Rinderpest erschwerte die Verpflegung, und unter den Mannschaften richteten Typhus und Ruhr große Verwüstungen an. Indes die Ausdauer der deutschen Truppen und die Sorgsamkeit der Befehlshaber in Verhütung der üblen Folgen der Mißstände überwanden alle Schwierigkeiten. Am 10. Okt. trat auf Bazaines Berufung ein französischer Kriegsrat zusammen und entschied sich für die Notwendigkeit, Unterhandlungen mit dem Feind anzuknüpfen. Bazaine versuchte zunächst mit der preußischen Regierung direkt zu verhandeln, indem er den General Boyer nach Versailles sandte und durch diesen freien Abzug der Armee von M. mit Waffen und Kriegsgerät unter der Verpflichtung, daß dieselbe während des Kriegs nicht mehr gegen Deutschland diene, verlangte. Er hatte dabei die Wiederherstellung des Kaisertums durch seine Armee im Auge. Allein die Kaiserin Eugenie weigerte sich, als Boyer sie in Chiselhurst aufsuchte, den Verhandlungen beizutreten und überdies hatte man deutscherseits nicht nötig, Frankreich gegenüber das Odium einer Unterstützung Napoleons auf sich zu laden, da M. so wie so kapitulieren mußte. Man behielt sich also vollständig freie Hand vor, indem man Bazaines Anträge ab- und ihn auf rein militärische Verhandlungen mit dem Prinzen Friedrich Karl verwies. Am 25. Okt. schickte Bazaine nach einem neuen Kriegsrat den General Changarnier nach Corny zum Prinzen Friedrich Karl, der aber einfach auf Übergabe der Armee und Festung bestand. Die Lebensmittel waren völlig erschöpft, ein weiterer Kampf hoffnungslos, und so entschloß sich der Marschall Bazaine zur Kapitulation. Dieselbe ward auf dem Schloß Frescaty zwischen den Generalen Jarras und Stiehle verhandelt und führte 27. Okt. zum Abschluß. Armee und Festung wurden dem Feind überliefert mit sämtlichem Kriegsmaterial und allen Ehrenzeichen. Die Armee, 3 Marschälle, 4000 Offiziere und 173,000 Mann (darunter 20,000 Verwundete und Kranke und auch die Nationalgarde), ward kriegsgefangen, ein Material im Wert von 80 Mill. Frank, 800 Geschütze, das Material für 85 Batterien, 66 Mitrailleusen, 300,000 Gewehre, gewaltige Massen von Säbeln, Kürassen etc., 2000 Militärfuhrwerke, an Ehrenzeichen 53 Adler und Fahnen, auch die wertvolle Bibliothek der Artillerieschule Kriegsbeute. Die