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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mexiko

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Mexiko (Bundesrepublik: Geschichte).

rung zu Veracruz ein, die in den Zolleinnahmen die zu ihrem Bestand nötigen Geldmittel fand. Der Bürgerkrieg dauerte mehrere Jahre ohne Entscheidung. Endlich wurde Zuloagas Feldherr, General Miramon, von den Radikalen unter Ortega 8. Aug. 1860 bei Silao und 22. Dez. bei Calentalpa besiegt, und Mitte Januar 1861 zog Juarez in die Stadt M. ein. Nun schritt die radikale Partei sofort zur strengen Ausführung der antiklerikalen Gesetze, welche Juarez bereits 1859 von Veracruz aus erlassen. Aufhebung der Klöster, Einziehung der Kirchengüter und Trennung der Kirche vom Staat wurden verfügt und vollständige Religionsfreiheit verkündet. Der Erzbischof von Mexiko und die Mehrzahl der Bischöfe wurden wegen Teilnahme an den Aufständen des Landes verwiesen, und der päpstliche Nunzius erhielt aus gleichem Grund seinen Paß zugefertigt. Ein für 9. Mai 1861 berufener demokratischer Kongreß wählte im Juni Juarez zum definitiven Präsidenten, und ein besonderes Gesetz vom 1. Juli bekleidete ihn mit unumschränkter Diktatur und suspendierte gleichzeitig in der ganzen Republik die konstitutionellen Garantien. Der Friede war indes durch Juarez' Sieg nicht hergestellt; die beiden sich bekriegenden Parteien hatten vielmehr nur ihre Rollen vertauscht, indem die konservativen Anführer, unter andern Marquez, Vicario, Cobos, Mejia, nun in den Provinzen ihre Fahnen erhoben und die Regierung in greuelvollem Bürgerkrieg befehdeten.

Zu diesen anarchischen Zuständen traten für das unglückliche Land noch die ernstesten Verwickelungen mit dem Ausland hinzu, welche hauptsächlich durch die Geldnot des Staats veranlaßt wurden. Zwar hatte der Verkauf der Kirchengüter 80 Mill. Pesos eingebracht, dieselben flossen aber zumeist in die Taschen der Generale und Staatsmänner (Juarez selbst ausgenommen) oder von Privatleuten. Schon 17. Juli 1861 mußte die Regierung ihre Unfähigkeit erklären, die auswärtigen Gläubiger zu bezahlen (die inländischen erhielten schon länger nichts), und zu Zwangsanleihen und Kontributionen unter dem Namen von 1proz. Kapitalsteuern schreiten. Daher schlossen Frankreich, England und Spanien, welche bedeutende, teilweise allerdings zweifelhafte Forderungen an M. hatten, 31. Okt. 1861 die Konvention von London, in welcher sie sich zu einer gemeinschaftlichen Intervention in M. einigten, "um ihre daselbst lebenden Unterthanen zu schützen und die Republik zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu zwingen". Das 24. Nov. von den Vertretern Englands und Frankreichs an M. gerichtete Ultimatum blieb ohne Antwort. Die bewaffnete Intervention wurde also ins Werk gesetzt, zumal die Vereinigten Staaten durch den eben ausgebrochenen Bürgerkrieg verhindert wurden, M. beizustehen. Am 8. Dez. traf das spanische Geschwader vor Veracruz ein und besetzte am 17. die Stadt sowie das Fort San Juan d'Ulloa. Am 6. und 7. Jan. 1862 langten auch das französische und das englische Expeditionskorps an; doch dauerte das Einverständnis zwischen den drei Mächten nicht lange, da sich der spanische und der englische Bevollmächtigte nicht zur Unterstützung der "exzessiven und der Belege entbehrenden" französischen Forderungen verstanden, vielmehr auf Grund der Konvention von Soledad im Februar 1862 in Cordova Verhandlungen mit M. begannen, infolge deren sich im April die spanischen und englischen Truppen wieder einschifften, während die Franzosen die Expedition auf ihre eigne Hand fortsetzten, um die abenteuerliche Idee von der Vereinigung der lateinischen Rasse unter der Führung Frankreichs auch in Amerika durchzuführen. Nachdem im Mai ein Sturm auf Puebla mißglückt war, warteten die Franzosen Verstärkungen ab. Erst im März 1863 begannen sie unter Forey die Belagerung Pueblas, das 27. Mai erstürmt wurde, und zogen 10. Juni in der Hauptstadt ein. Forey setzte daselbst 16. Juni eine Junta superior del gobierno ein und dekretierte die Einberufung einer Notabelnversammlung zur Entscheidung über die Regierungsform. Die 8. Juli eröffnete Versammlung beschloß mit allen gegen eine Stimme die Einführung einer absoluten erblichen Monarchie und proklamierte den von der Regierung ihr vorgeschlagenen Erzherzog Maximilian (s. Maximilian 11) von Österreich zum Kaiser von M. Derselbe erklärte 10. April 1864 in Miramar der mexikanischen Deputation die Annahme der Kaiserkrone, ließ sich in Rom vom Papste die Weihe erteilen und landete 29. Mai zu Veracruz. Am 12. Juni erfolgte der Einzug in die Hauptstadt.

Der Anfang des neuen Kaiserreichs, welches bereits vor Ende 1864 von allen europäischen Mächten anerkannt wurde, schien Günstiges zu versprechen. Juarez wurde 1865 nach Paso del Norte, hart an die Grenze der Vereinigten Staaten, zurückgedrängt. Es wurden nun auch kaiserlich mexikanische Truppen organisiert, sowohl einheimische als fremde, eine französische Fremden-, eine belgische, eine österreichische Legion. Trotzdem war nur Mexiko selbst und seine nächste Umgebung völlig unterworfen und nicht einmal die Straße nach Veracruz ganz sicher. Überall zeigten sich Guerillabanden der feindlichen Partei. Da ließ sich Maximilian in Rücksicht auf die militärischen Interessen der Franzosen zu den Dekreten vom 2. und 3. Okt. 1865 hinreißen, welche Juarez und seine Anhänger als Räuberbanden in die Acht erklärten und die Mitglieder aller Guerillabanden zum Erschießen binnen 24 Stunden nach ihrer Gefangennahme sowie alle, die sie unterstützten, zu hohen Strafen verurteilten. Die Schwierigkeiten lagen besonders in den kirchlichen Verhältnissen. Maximilian hatte sich nicht die klerikalen Bestrebungen der Partei, die ihn auf den Thron erhoben, unbedingt zu eigen gemacht, sondern einen Mittelweg eingeschlagen, welcher ihm den Papst und den Klerus zum Gegner machte, ohne daß die Liberalen zufriedengestellt waren. Dazu traten sodann der Zwiespalt und die Rivalität der Einheimischen und Fremden gegeneinander, welche alle Maßregeln des Kaisers hemmten, und die fortwährende Finanznot. Maximilian selbst war seiner Aufgabe nicht gewachsen. Es fehlte ihm durchaus an staatsmännischer Begabung; in der Wahl seiner Minister war er ungeschickt und unglücklich, in seinen Entschlüssen schwankend und veränderlich. Ganz anders zeigte sich Juarez, dessen Charakter sich in der Zeit des Unglücks läuterte und stählte, der, von tüchtigen Männern umgeben, sein einfaches Ziel, die Befreiung des Landes von den Fremden, unverrückt im Auge behielt und sich durch kein Mißgeschick von der Verfolgung desselben abhalten ließ. Obgleich wiederholt bis an die Grenze der Union zurückgedrängt, sammelte er immer wieder seine Scharen, und begünstigt durch die natürlichen Verhältnisse des Landes und den Charakter seiner Bewohner, unterhielt er den Guerillakrieg bis in die Nähe der Hauptstadt selbst. So wäre, wie die frühern Regierungen, auch die Maximilians an den innern Schwierigkeiten über kurz oder lang zusammengebrochen, wenn nicht durch die äußern Verhältnisse ihr Ende beschleunigt worden wäre. Nach Beendigung des Bürgerkriegs 1865 nahm die Regierung