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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mollusken

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Mollusken.

len ausgebildet ist, so rechtfertigt sich der Name Weichtier. Dagegen kommt der großen Mehrzahl der M. eine äußere Schale, d. h. eine durch Ablagerung von Kalksalzen mehr oder weniger erhärtete Abscheidung gewisser Hautdrüsen, zu und bildet eins der wesentlichsten Merkmale, besonders da auch viele von denjenigen Formen, welche im erwachsenen Zustand nackt erscheinen, in der frühsten Jugend mit einem Gehäuse bekleidet sind. Die Bildung der Schale geht nur im Bereich einer auf der Rückenfläche des Tiers sich erhebenden, oft sehr umfangreichen Hautfalte, des sogen. Mantels, vor sich und führt entweder zu einem mehr oder weniger spiralig gewundenen Gehäuse (Schnecken) oder zu einem Paar gelenkig miteinander verbundener Schalenklappen (Muscheln); in beiden Fällen vergrößert sich mit dem Wachstum des Tiers, resp. seines Mantels auch dessen Produkt und hält also mit der Ausdehnung des zu schützenden weichen Körpers gleichen Schritt. Auf der Bauchfläche ist der Fuß für die M. in hohem Grad charakteristisch. Er ist ein über das Niveau des Tiers hervortretendes Stück der Haut und des Hautmuskelschlauches und dient vorzugsweise als Bewegungsorgan. Bei den meisten Schnecken ist er vom Reste des Körpers nur wenig abgesetzt und stellt nur die verbreiterte Sohle dar, auf welcher das Tier (mit oder ohne Schale) ruht oder sich fortbewegt; bei andern dagegen hat er die Form eines Ruders oder einer Flosse, bei Muscheln auch wohl die eines Beils, kurz, er ist in seiner Gestaltung so wechselnd, daß er vielfach zur Klassifizierung der M. verwendet wird (daher z. B. die Namen Bauchfüßer, Flügelfüßer etc.). Auch der Rest des Rumpfes ist mit Haut und unmittelbar darunter mit einer Muskelschicht bekleidet, somit einer Zusammenziehung und Ausdehnung fähig, welche Druck oder Lageveränderung der Eingeweide zur Folge hat. Bei den höhern Formen bildet sich nun das vordere Stück des sonst in der Längsrichtung gleichmäßigen Rumpfes zu einem besondern Kopf um, welcher Mund, Gehirn und Sinnesorgane enthält und an der spiraligen Drehung und Asymmetrie des hintern Körperabschnitts, wie sie bei Schnecken vorkommt, keinen Anteil nimmt. Die niedern M. dagegen sind kopflos und gewöhnlich von beiden Seiten her stark zusammengedrückt.

Die innern Organe sind in den einzelnen Klassen sehr verschieden entwickelt. Das Nervensystem zunächst besteht in seinem zentralen Teil aus drei durch Kommissuren untereinander verbundenen Gangliengruppen: einem obern Schlundganglion (Gehirn), welches die Sinnesnerven entsendet, einem untern Fußganglienpaar, welches hauptsächlich die Muskeln des Fußes versorgt, und einem dritten Paar, welches die Nerven für Mantel, Kiemen etc. liefert und noch mit kleinern Ganglien in Verbindung steht. Bei einigen Formen existieren im Verlauf der Hauptnerven des Fußes (Pedalnerven) noch zahlreiche Querkommissuren, so daß hier eine Art von Strickleiternervensystem zu stande kommt. Unter den Sinnesorganen sind die Augen meist von kompliziertem Bau; sie liegen in der Regel paarig am Kopf (zuweilen tief im Innern desselben) und nur da, wo dieser fehlt, zuweilen in größerer Anzahl am Mantelrand. Gehörorgane finden sich weitverbreitet als geschlossene Gehörblasen mit Flimmerhaaren im Innern; sie sind dem Fußganglion oder dem Gehirn angelagert. Auch Geruchs- und Geschmacksorgane sind, wenigstens bei den höher organisierten Formen, vorhanden. Dem Gefühlssinn endlich dienen die verschiedenartigsten Anhänge am Kopf, am Vorderteil des Körpers oder an den Mantelrändern sowie manchmal die sehr empfindliche Spitze des Fußes. Der Verdauungskanal hat überall selbständige Wandungen und zerfällt in mindestens drei Abteilungen, von denen die mittlere, der Magendarm, meist mit einer sehr großen Leber verbunden ist. Der After liegt ursprünglich in der Mitte des hintern Körperendes, ist aber oft durch Krümmung des Eingeweidesackes nach vorn oder zur Seite geschoben. Alle M. besitzen ein auf der Rückenseite gelegenes gedrungenes Herz, welches das arterielle Blut aus den Respirationsorganen in eine einfache oder mehrfache Vorkammer aufnimmt und aus der einfachen Kammer in den Körper sendet. An die Arterien schließt sich nur bei den höchsten Formen ein wirkliches Kapillargefäßnetz an; meist tritt zwischen Arterien und Venen ein System weiter Blutsinus, wie denn auch die Leibeshöhle einen solchen mit Blut erfüllten Behälter bildet. Die Blutflüssigkeit ist in der Regel farblos, indessen zuweilen grün, blau oder rot. Bei den Tintenfischen u. a. ist neuerdings ein dem Hämoglobin der Wirbeltiere analoger Körper, das Hämocyanin, nachgewiesen worden, der die Aufnahme des Sauerstoffs in das Blut zu vermitteln scheint. In vielen Fällen dient die gesamte äußere Körperfläche zur Respiration, in andern dagegen sind besondere Atmungsorgane (Kiemen, seltener Lungen) vorhanden. Die Kiemen bilden flimmernde Ausstülpungen der Körperfläche, meist zwischen Mantel und Fuß, in Form verästelter und verzweigter Anhänge oder breiter Lamellen; die Lunge dagegen entwickelt sich bei den Lungenschnecken (s. d.) als ein mit Luft gefüllter Raum in der Mantelhöhle. Die Niere ist bei den niedern M. noch paarig, bei den höhern Formen dagegen vielfach unpaar; sie befördert die Harnsubstanzen nach außen. Bei einem Teil der M. münden auch die Öffnungen der Geschlechtsorgane in sie und stehen nicht direkt mit der Außenwelt in Verbindung. Die Fortpflanzung erfolgt stets auf geschlechtlichem Weg. Der Hermaphroditismus, verbunden mit großer Komplikation der betreffenden Einrichtungen, ist sehr verbreitet; bei den niedersten Formen der M. sind die Geschlechtsorgane paarig, bei den übrigen unpaar. Charakteristisch ist vor allem die sogen. Zwitterdrüse, in der sowohl Eier als Same gebildet werden (wegen des nähern s. Schnecken). Besondere Ausführgänge fehlen in Einzelfällen, und dann übernimmt die Niere den Transport der Geschlechtsprodukte nach außen. Getrenntgeschlechtig sind viele Seeschnecken, Muscheln und alle Tintenschnecken. Die Entwickelung geschieht nur selten innerhalb des mütterlichen Körpers. Die fast immer an das Wasser oder an feuchte Orte in Form eines Laiches abgelegten Eier liefern einen Embryo, der sich häufig mittels Flimmerhaare schon im Ei bewegt und zum Teil auch bereits eine Schale erhält. Im allgemeinen jedoch sind die jungen, eben ausgeschlüpften Larven den erwachsenen Tieren sehr wenig ähnlich und zeichnen sich vielfach durch ein am Kopf angebrachtes sogen. Segel (Velum), d. h. eine flossenartige Verbreiterung der Haut, aus, das ihnen als Bewegungsorgan dient und sich später zurückbildet.

Die M. sind zu weitaus dem größten Teil Bewohner des Wassers und zwar vorwiegend des Meers; die Landtiere unter ihnen suchen sich feuchte Aufenthaltsorte. Sie sind über die ganze Erde verbreitet und haben auch in den frühern Epochen eine bedeutende Rolle gespielt. Vielfach dienen sie dem Geologen zur Bestimmung des Alters der Formationen und werden dann Leitmuscheln genannt. Gegen-^[folgende Seite]