Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mond

743

Mond (Mare und Strahlensysteme, Veränderungen der Oberfläche).

schlossen, der auf der innern Seite oft zwei- oder dreimal so hoch ist als auf der äußern; in der Mitte erhebt sich oft ein steiler Berg, der aber nicht die Höhe des Walles erreicht. Bei einzelnen Ringgebirgen treten auch mehrere Zentralberge auf. Merkwürdig ist das paarweise Vorkommen von Ringgebirgen, die in Form und Größe auffallend übereinstimmen. Krater sind kreisförmige Berge von 1-20 km Durchmesser, die zu mäßiger Höhe ansteigen und nach innen meist sehr steil abfallen. Sie gehören zu den hellsten Objekten auf dem M., und ihre Zahl ist außerordentlich groß. Namentlich sind die kleinen Krater von 1-8 km Durchmesser in unzähliger Menge überall, an den Abhängen der Ringgebirge wie auf den Ebenen, zerstreut; oft auch sind zahlreiche Krater in langer Linie aneinander gereiht, so daß ihre Wälle sich berühren. Gruben oder Kratergruben nennt man Vertiefungen ohne sichtbaren Wall und meist von geringer Tiefe, daher sie bald, weil ihr Boden von den Strahlen der Sonne erreicht wird, unsichtbar werden. Sie kommen in großer Zahl, oft kettenartig, vor. Eine andre merkwürdige Erscheinung auf dem M. sind die sogen. Rillen oder Lichtadern. Mit diesem Namen bezeichnete man grabenartige Furchen, die bis 500 km lang, sehr schmal (höchstens 1 km breit), nach innen mäßig steil, oft ganz geradlinig, mitunter flach oder wellenförmig gekrümmt sind. Solche Rillen finden sich überall auf dem M., doch sehr selten in der Mitte der großen Ebenen, auffallend häufig dagegen am Rande derselben und diesem parallel laufend. Sie durchbrechen Berge und Kraterwälle, durchziehen Krater auch wohl mit eignen Wällen, wie im Hyginus, setzen an Bergen aus, um auf der gegenüberliegenden Seite wieder aufzutreten, und bilden mitunter den Übergang zu gewöhnlichen Thälern. Schröter entdeckte die ersten; Lohrmann und Mädler brachten ihre Zahl auf ungefähr 100. Der 1866 von Schmidt publizierte Katalog zählt über 400 Rillen auf. Sie gehören im allgemeinen zu den schwierig erkennbaren Objekten.

[Mare und Strahlensysteme.] Die grauen, auch dem unbewaffneten Auge gut sichtbaren Flecke auf dem M. sind Ebenen, die man früher für Meere hielt, und die daher den Namen Mare noch jetzt führen. Ihr Kolorit, wechselnd vom tiefen Grau bis zum Grün und Braun, stellenweise vielleicht bis zum Violett, wird ebenso wie ihre Begrenzung am besten bei hoher Beleuchtung gesehen. Die sehr dunkle stahlblaue Farbe auf grauem Grund ist mehr einzelnen Ringflächen mittlerer Größe eigen. Im Schicard und Mare Humboldtianum ist die innere Ringfläche bunt gezeichnet im Grau der Ebene; aber im Plato, Grimaldi, Krüger, Billy, Apollonius ist die ganze Ebene grau. Sehr dunkle und ziemlich scharf begrenzte Flecke auf hellem Boden findet man im Alphonsus, Petavius, Wilhelm Humboldt, Atlas. Zu Gruppen vereinigt, bald in Kratertiefen, bald in Thälern, findet man bedeutende graue Flecke im Süden des Mare crisium, und das Mare australe scheint nur aus solchen Flecken zu bestehen. Die großen grauen Ebenen heißen: Oceanus procellarum, Mare imbrium, Mare nubium, und diese, zusammenhängend, gehören der Ostseite der Mondscheibe an. Westlich vom mittlern Meridian liegen die großen, ebenfalls miteinander verbundenen: Mare serenitatis, M. tranquillitatis, M. foecunditatis. Mehr oder weniger isoliert und kleiner sind: Mare crisium, M. Humboldtianum, M. Smythii, M. australe, M. frigoris, M. vaporum und M. humorum.

Alle diese Ebenen sind verhältnismäßig arm an Kratern und größern Gebirgen, von denen die letztern oft die schroffen Grenzen der Mare bilden. Häufig sind in ihnen die Bergadern und besonders auffällig zahlreiche Lichtflecke. Diese, des dunkeln Grundes wegen gut sichtbar, gehören zwar in den meisten Fällen Bergen und Kratern an; oft jedoch ist an ihrem Ort keine Unebenheit vorhanden. In besonderer Großartigkeit zeigen sich aber die bis jetzt nicht erklärten Strahlensysteme in den Maren, wo sie des Kontrastes wegen viel besser als im hellen Berg- und Hügelland erkannt werden. Ihren Anfang bezeichnen große Kratergebirge, von denen sie radienartig, bald geradlinig, bald wenig gekrümmt, nach allen Richtungen auslaufen, gelegentlich auch mit Hügel- und Bergzügen zusammenfallend, die zufällig dieselbe Richtung haben. Alle diese Lichtstreifen sind nur bei hoher Beleuchtung gut sichtbar und verschwinden an der Phase, wo an ihrem Ort niemals ein Schatten gesehen wird. Sie sind also weder Erhöhungen noch Vertiefungen und ziehen durch alle Tiefen und über alle Höhen hinweg, ohne ihre Richtung zu ändern. Es sind also Teile der Oberfläche des Mondes, die lebhafter Licht reflektieren als ihre Nachbarschaft. Hauptstrahlensysteme sind die des Tycho, Kepler, Kopernikus und Aristarch, weniger deutlich die des Olbers, Byrgius, Zuchius, Anaxagoras, Aristillus, Dionysius, Proclus und Langrenus. Die unvollkommenen Formen mitgerechnet, kennt man über 30 solcher Systeme. Die Benennung der ringförmigen Bergbildungen nach hervorragenden Gelehrten rührt von Grimaldi her, der sie 1651 in seinem "Neuen Almagest" gab; von der ältern Hevelschen Terminologie sind uns noch die Namen der Gebirge, wie Karpathen, Apenninen, Kaukasus etc., und die Benennungen der Mare geblieben.

[Veränderungen auf der Mondoberfläche.] Viel bestritten ist die Frage, ob noch gegenwärtig Veränderungen auf dem M. vorgehen, wie insbesondere Schröter und Gruithuisen solche in großem Maßstab beobachtet haben wollen. Zunächst ist hier daran zu erinnern, daß man mit der Benennung "Krater" nicht die Vorstellung von einer noch jetzt fortdauernden vulkanischen Thätigkeit auf dem M. zu verbinden hat, daß vielmehr jener Name nur auf äußere Formähnlichkeit sich stützt. Während man nun früher in Ermangelung ausführlicher topographischer Arbeiten die Frage, ob Neubildungen auf dem M. stattfinden, kaum zuverlässig beantworten konnte, hat man sich seit den sorgfältigen Beobachtungen von Beer und Mädler gewöhnt, sie zu verneinen und ältere gegenteilige Wahrnehmungen als auf Täuschung beruhend anzusehen. So wie unser Trabant einer merklichen Atmosphäre, des Wassers sowie des Pflanzen- und Tierlebens entbehrt, so finden nach der bei den Astronomen vorherrschenden Ansicht auch keine merklichen Veränderungen mehr auf ihm statt. Doch haben einige Beobachtungen der Neuzeit wieder Zweifel an der Richtigkeit dieser Ansicht wachgerufen. Dahin gehört namentlich das Verschwinden des 9 km im Durchmesser haltenden, sehr tiefen Kraters Linné im Mare serenitatis, an dessen Stelle ein heller, wolkenartiger Fleck getreten ist, wie Schmidt in Athen 1866 konstatiert hat. Umgekehrt hat später Klein in Köln Neubildungen von Kratern zu konstatieren geglaubt, indem er solche an Stellen entdeckte, die früher von andern Beobachtern, zum Teil auch von ihm selbst sorgfältig durchforscht worden waren. Wenn aber auch einzelne Beobachter, wie Neison, dem beistimmen, so verhält sich doch die große Mehrheit der Astronomen zur Zeit noch ablehnend.

Die Abbildungen unsrer Tafel "Mondlandschaften"