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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Muskelsinn; Muskelstarre; Muskelton; Muskelzuckung; Muskēte

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Muskelsinn - Muskete.

sind aber gleich stark und entgegengesetzt gerichtet, heben sich also gegenseitig auf, so daß die Nadel ruhig bleibt. Je größer also die elektrische Differenz zweier Stellen eines Muskels ist, desto stärker weicht die Nadel ab. Das bisher Gesagte gilt nur von den unthätigen M. Ähnliche, jedoch schwächere Ströme zeigen die Nerven. Der Muskelstrom gehört, wie der Nervenstrom, nur dem leistungsfähigen, lebendigen Muskel an. Die Stromentwickelung erlischt nicht gleichzeitig mit dem Tode des Tiers oder mit der Trennung des Muskels vom Körper, nimmt aber nach beiden allmählich ab und verschwindet endlich gänzlich mit Eintritt der Totenstarre. Die Stärke des Muskelstroms wächst mit der Länge und dem Querschnitt des Muskels. Eine erhöhte wie eine erniedrigte Temperatur des Muskels vermindern den Muskelstrom oder heben ihn gänzlich auf. Dasselbe gilt von allen chemischen Stoffen, welche die chemische Zusammensetzung des Muskels alterieren, sowie von der Ermüdung des Muskels. Ganz anders als der ruhende Muskel verhält sich in elektrischer Beziehung der thätige Muskel. Wenn der Muskel, dessen ruhender Strom die Magnetnadel ablenkte, in bleibende Zusammenziehung gesetzt wird, so schwingt die Nadel durch den Nullpunkt hindurch und zeigt meist einen beträchtlichern Ausschlag in dem negativen Quadranten, als der vom ruhenden Strom im positiven Quadranten erzeugte betrug. Diese Erscheinung, von Du Bois-Reymond als negative Stromschwankung bezeichnet, deutet scheinbar auf eine Schwächung des ruhenden Muskelstroms hin. Du Bois-Reymond erklärt sie folgendermaßen: Während der Thätigkeit des Muskels wechseln beständig zwei elektrische Ströme in entgegengesetzten Richtungen, einmal vom Querschnitt zur Oberfläche, das nächste Mal von der Oberfläche zum Querschnitt, indem die elektromotorischen Moleküle, welche einen positiven und negativen Pol haben, gleichsam in beständiger Rotation begriffen sind. Diese Rotation geht aber so schnell vor sich, daß die Galvanometernadel nicht nachfolgen kann; sie gibt bloß die mittlere Wirkung an, und diese Resultierende ist eben eine scheinbare Abnahme des Nervenstroms. Anders verhält es sich bei der bloß momentanen Muskelzuckung. Es tritt bei dieser stets eine kleine positive Schwankung der Nadel, also eine scheinbare Verstärkung des ruhenden Muskelstroms, ein. Folgen die Zuckungen rasch aufeinander, aber ohne den Muskel in bleibende Zusammenziehung zu setzen, so summieren sich die Wirkungen zu einer andauernden starken positiven Schwankung der Nadel.

Unsre Kenntnisse vom Stoffwechsel des Muskels bei seiner Thätigkeit sind sehr gering; tägliche Erfahrung und die Versuche am ausgeschnittenen Muskel lehren, daß derselbe ermüdet; seine Kontraktionsfähigkeit wird durch die Thätigkeit selbst herabgesetzt, um so mehr, je intensiver und anhaltender die Thätigkeit war. In der Ruhe erholt er sich wieder. Diese Ermüdung ist unstreitig die Folge der durch die Thätigkeit herbeigeführten Veränderung der Muskelsubstanz selbst. Die erholende Wirkung der Ruhe beruht auf der Ausgleichung dieser Mischungsveränderungen durch das zum Muskel hinfließende und ihn ernährende Blut. Aufgehobener Blutzufluß führt auch am lebenden Körper den Muskel in den toten Zustand über; der infolge mangelnder Erregung oder Entartung seiner Nerven längere Zeit unthätige Muskel atrophiert und entartet allmählich. Die Ernährung allein ist im stande, alle unter physiologischen Verhältnissen eintretenden, mit Herabsetzung der Kontraktionsfähigkeit verknüpften chemischen Alterationen der Muskelsubstanz wieder auszugleichen und so die gesunkene Leistungsfähigkeit auf ihr ursprüngliches Maß zurückzuführen. Ihr Stillstand nach dem Tod und im ausgeschnittenen Muskel bedingt das allmähliche Sinken und endliche Erlöschen der physiologischen Thätigkeit; das völlige Erlöschen wird durch die Totenstarre bezeichnet. Von sonstigen Einzelheiten des Stoffwechsels ist bekannt, daß der Muskel durch die Thätigkeit eine saure Reaktion annimmt, deren Intensität mit zunehmender Thätigkeit wächst. Ferner konnte direkt nachgewiesen werden, daß der Muskel während der Arbeit mehr Sauerstoff aus dem durchströmenden Blut aufnimmt als während der Ruhe. Sodann ist festgestellt, daß der Glykogengehalt des Muskels während der Arbeit abnimmt, während die Menge der in Alkohol löslichen Produkte der regressiven Metamorphose zunimmt. Experimentelle Belege für die Anschauung, daß der Muskel bei seiner Thätigkeit Eiweißkörper verbrenne, sind nicht gebracht worden. Gegen diese Anschauung redet aber die Thatsache, daß die Stickstoffausscheidung, welche uns bekanntlich einen Maßstab für den Eiweißumsatz liefert, selbst durch sehr anhaltende Muskelthätigkeit nicht vermehrt wird.

Verschieden von der eben beschriebenen Thätigkeit der quergestreiften M. ist diejenige der glatten M. oder der kontraktilen Faserzellen. Man hat sie auch als organische M. oder, da ihre Funktion dem Einfluß des Willens entzogen ist, als unwillkürliche M. bezeichnet. Sie finden sich hauptsächlich in den Eingeweiden und zwar in Form von Muskelhäuten, die oftmals eine schichtenweise Abwechselung in der Richtung der Faserung zeigen. Der chemische Bau der glatten M. scheint in den Hauptstücken mit dem der quergestreiften M. übereinzustimmen. Auch besteht ihre Thätigkeit aus einer Verkürzung bei zunehmender Dicke der Muskelmasse, allein Energie und zeitliche Verhältnisse der Reaktion in Beziehung auf die zeitlichen Verhältnisse des Reizes sind verschieden. Die quergestreiften M. geraten nämlich in demselben Moment in Verkürzung, in welchem die in ihnen verbreiteten Nerven in den erregten Zustand versetzt wurden, erreichen in sehr kurzer Zeit das Maximum ihrer Verkürzungsgröße, welche der jedesmaligen Intensität des Reizes und der Leistungsfähigkeit des Muskels zukommt, und gehen ebenso rasch in den erschlafften Zustand über, in demselben Moment, in welchem der Reiz zu wirken aufhört, die Nerven also in den ruhenden Zustand zurückkehren. Bei den aus kontraktilen Faserzellen (glatten Muskelfasern) zusammengesetzten M. dagegen beginnt die Kontraktion erst eine merkliche Zeit nach dem Beginn der Reizung, steigert sich allmählich, dauert nachdem Aufhören des Reizes fort und geht allmählich wieder in Erschlaffung über. Die Zusammenziehung pflanzt sich hierbei von der gereizten Stelle aus nur mit einer Schnelligkeit von 20-30 mm in der Sekunde wellenartig fort. Vgl. Du Bois-Reymond, Gesammelte Abhandlungen zur allgemeinen Muskel- und Nervenphysik (Leipz. 1875-77, 2 Bde.); Rosenthal, Physiologie der M. und Nerven (das. 1877).

Muskelsinn, s. Muskelgefühl.

Muskelstarre, s. Muskeln, S. 937.

Muskelton, s. Muskeln, S. 937.

Muskelzuckung, s. Muskeln, S. 937.

Muskēte (franz. Mousquet, vom mittellat. muscetus, "Sperber"), ein Luntenschloßgewehr der Infanterie, kam 1519 durch Karl V. nach Deutschland, um die unbehilfliche Hakenbüchse mit ihrem dreibeinigen Gestell zum Abfeuern durch ein Gewehr zu er-^[folgende Seite]