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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Notidānus; Notieren; Notifikation; Notifikationsdekrēt; Notifizieren; Nötigung; Notĭon; Notīz; Notker

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Notidanus - Notker.

der liberalen Opposition erlag. Er übernahm darauf den Gesandtschaftsposten in Berlin, wo er sich das besondere Vertrauen des Hofs erwarb und das gute Verhältnis zwischen Deutschland und Belgien zu befestigen wußte. Nachdem er 1880 als ein gefeierter Ehrengast den Festlichkeiten in Brüssel zu Ehren der Ereignisse von 1830 beigewohnt hatte, starb er 16. Sept. 1881 in Berlin. Von seinen Schriften sind hervorzuheben: "Essai historique et politique sur la révolution belge" (Brüssel 1833, 2 Bde.; 4. Aufl. 1876); "Péage des routes" (das. 1838); "Travaux publics en Belgique 1830-39" (das. 1840); "Statistique de la Belgique" (das. 1848). Vgl. Juste, Le baron N. (Brüssel 1875). - Sein Bruder Alphonse, geb. 1815, früher Generalprokurator am Appellhof zu Brüssel, war vom 30. März 1855 bis 9. Nov. 1857 belgischer Justizminister und machte sich namentlich durch seinen im berüchtigten Klostergesetz bewiesenen ultramontanen Eifer bemerkenswert. Auch war er 1871 in den Langrandschen Schwindel verwickelt. Seit 1859 ultramontaner Abgeordneter, erhielt er 1884 den Titel eines Staatsministers.

Notidānus, s. Selachier.

Notieren (lat.), anmerken, aufzeichnen, vormerken; kaufmännisch auch s. v. w. in Rechnung (s. Note) bringen; Notierung, die Aufzeichnung von Warenpreisen und Effektenkursen.

Notifikation (lat.), Benachrichtigung; namentlich im Wechselrecht die Benachrichtigung, welche der Inhaber eines protestierten Wechsels seinem unmittelbaren Vormann innerhalb zweier Tage nach dem Tag der Protesterhebung von der Nichtzahlung des Wechsels schriftlich zugehen lassen muß. Der benachrichtigte Vormann ist seinem Vormann gegenüber zur weitern N. binnen gleicher Frist verpflichtet (vgl. Deutsche Wechselordnung, Art. 45-47).

Notifikationsdekrēt (lat.), amtliche Verfügung, durch welche einer Partei lediglich eine Mitteilung gemacht wird.

Notifizieren (lat.), anzeigen, kundthun; Notificētur ("es werde bekannt gemacht"), s. v. w. Bekanntmachung, Ankündigung.

Nötigung, in der modernen Strafgesetzgebung das Vergehen demjenigen, welcher einen andern widerrechtlicherweise durch körperliche Gewalt oder durch Bedrohung mit einem Verbrechen oder Vergehen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. Das deutsche Strafgesetzbuch bestraft die N. mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 600 Mk., wofern nicht etwa durch die N. ein schwereres Verbrechen, z. B. eine Notzucht, begangen wurde. Das Vergehen der N. ist vollendet, sobald das dem Genötigten zugemutete Verhalten begonnen hat; doch ist auch der Versuch für strafbar erklärt. Eines Strafantrags seitens des Genötigten bedarf es nicht. Wurde derselbe zu einer an und für sich strafbaren Handlung genötigt, so tritt für ihn Straflosigkeit ein, wenn er dazu durch unwiderstehliche Gewalt oder durch eine Drohung genötigt wurde, welche mit einer gegenwärtigen, auf andre Weise nicht abwendbaren Gefahr für Leib oder Leben seiner selbst oder eines Angehörigen verbunden war. Das Vergehen der N. steht zwischen der einfachen Bedrohung und der Erpressung in der Mitte. Es wird strenger bestraft als die bloße Bedrohung mit einem Verbrechen (s. Drohung) und gelinder als die Erpressung (s. d.), in welche die N. dann übergeht, wenn sie zum Zweck der Erlangung eines widerrechtlichen Vorteils begangen wird. Wird die N. von einem Beamten durch Mißbrauch seiner Amtsgewalt oder durch Androhung eines bestimmten Mißbrauchs derselben verübt, so wird dieselbe als Amtsverbrechen mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft; auch kann auf Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter auf die Dauer von 1-5 Jahren erkannt werden. Umgekehrt erscheint die N. als Widerstand gegen die Staatsgewalt, wenn sie unternommen wurde, um eine Behörde oder einen Beamten zur Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung zu nötigen. Die Strafe soll hier der Regel nach nicht unter drei Monaten Gefängnis betragen. Wurde eine N. von einem Angehörigen des Heers oder der Kriegsmarine einem Vorgesetzten gegenüber begangen, um diesen mittels Gewalt oder Drohung an der Ausführung eines Dienstbefehls zu hindern oder zur Vornahme oder Unterlassung einer Diensthandlung zu nötigen, so trifft den Schuldigen nach dem deutschen Militärstrafgesetzbuch Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, im Feld Gefängnis nicht unter zwei Jahren. Bei der Handelsmarine wird eine derartige N. dem Vorgesetzten gegenüber mit Gefängnis bis zu zwei Jahren nach der Reichsseemannsordnung bestraft. Endlich gehört noch die Bestimmung der Reichsgewerbeordnung hierher, wonach denjenigen, welcher andre durch Anwendung körperlichen Zwanges, durch Drohungen, durch Ehrverletzung oder durch Verrufserklärung bestimmt oder zu bestimmen versucht, an Verabredungen oder Vereinigungen von gewerblichen Gehilfen, Gesellen oder Fabrikarbeitern behufs Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen teilzunehmen oder ihnen Folge zu leisten, oder andre durch gleiche Mittel hindert oder zu hindern versucht, von solchen Verabredungen zurückzutreten, Gefängnisstrafe bis zu drei Monaten treffen soll, wofern die That nicht in ein schwereres Vergehen übergeht. Vgl. Reichsstrafgesetzbuch, § 240, 52, 339, 358, 114; Reichsmilitärstrafgesetzbuch, § 96; Deutsche Seemannsordnung, § 89; (Reichs-) Gewerbeordnung, § 153; Österreichisches Strafgesetzbuch, § 98-100.

Notĭon (lat.), Begriff, Verstandesbegriff.

Notīz (lat.), Nachricht, Bemerkung, Kenntnis.

Notker (spr. nóhtkēr), Name mehrerer St. Galler Mönche, unter denen drei hervorragen:

1) N. Balbulus ("der Stammler"), gest. 6. April 912, ist, wenn auch nicht der Erfinder, so doch der bedeutendste Pfleger und Dichter der lateinischen Sequenzen, d. h. rhythmischer Texte, die den textlosen Melodien des Halleluja untergelegt wurden (vgl. Bartsch, Die lateinischen Sequenzen des Mittelalters, Rost. 1868).

2) N. Physicus ("der Arzt"), gest. 12. Nov. 975, Schüler des N. Balbulus, als Gelehrter, Maler, Schreibkünstler und Arzt gerühmt, schmückte die Klosterkirche und mehrere Handschriften mit Gemälden, schrieb verschiedenes in lateinischen Versen und stand wegen seiner Kenntnis der Arzneikunde am Hof Kaiser Ottos I. in besonderm Ansehen.

3) N. Labeo ("der Großlippige") oder Teutonicus ("der Deutsche"), war unter dem Abt Burkard II. (1001-1022) Vorsteher der St. Galler Klosterschule und starb 29. Juni 1022 im 70. Lebensjahr an der Pest. Er hat sich um die Pflege der deutschen Sprache die größten Verdienste erworben, indem er biblische und andre Werke des Altertums ins Deutsche übersetzte und deutsch erklärte. Wir verdanken ihm eine Übertragung und Erläuterung der Psalmen (nach der St. Galler Handschrift hrsg. in Hattemers "Denkmahlen des Mittelalters", Bd. 2; nach der Wiener Handschrift von Heinzel und Scherer, Straßb. 1876; eine sprachlich verjüngte Fassung bieten die sogen. Windberger Psalmen, hrsg. von