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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Oberreichsanwalt; Oberrhein; Oberrheinische Kirchenprovinz; Oberrheinischer Kreis; Oberrheinische Tiefebene

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Oberreichsanwalt - Oberrheinische Tiefebene.

In Österreich-Ungarn besteht ein oberster Rechnungshof für die cisleithanische Staatskontrolle in Wien, welche durch kaiserliche Verordnung vom 21. Nov. 1866 ins Leben gerufen ward. Für die Länder der ungarischen Krone besteht ein besonderer königlicher Staatsrechnungshof in Budapest. Endlich ist ein k. k. gemeinsamer oberster Rechnungshof für die Finanzverwaltung der gemeinsamen Ministerien in Wien eingesetzt. Letzterer ist unmittelbar dem Kaiser untergeordnet und von den Ministerien unabhängig. In England ist die Prüfung der Staatsrechnungen Sache der Schatz- und Rechnungskammer (Exchequer and audit office). In Frankreich besteht ein Rechnungshof (Cour des comptes) in Paris, welcher nach Art eines obersten Gerichtshofs eingerichtet ist. Seine Mitglieder werden vom Präsidenten der Republik auf Lebenszeit ernannt. Dagegen werden in Belgien (Gesetz vom 29. Okt. 1846) die Mitglieder des Cour des comptes von der Kammer der Repräsentanten jeweilig auf sechs Jahre gewählt. In Italien (Gesetze vom 14. Aug. 1862 und 15. Aug. 1867) erfolgt die Ernennung der Mitglieder des Rechnungshofs (Corte dei conti) durch den König, doch können dieselben nur mit Zustimmung der Kammern versetzt oder ihrer Funktionen enthoben werden. Vgl. Meißner, Handbuch für die preuß. Verwaltungs-, Kassen- und Rechnungsbeamten (Berl. 1878-79, 2 Bde.); Hertel, Die preußische O. (das. 1884); v. Czoernig, Darstellung der Einrichtungen über Budget, Staatsrechnung und Kontrolle in Österreich, Preußen, Sachsen, Bayern, Württemberg, Baden, Frankreich und Belgien (Wien 1866); v. Hock, Finanzverwaltung Frankreichs (Stuttg. 1857); v. Kaufmann, Die Finanzen Frankreichs (Leipz. 1882).

Oberreichsanwalt, derjenige Beamte, welcher bei dem Reichsgericht in Leipzig die Funktionen der Staatsanwaltschaft wahrnimmt. Demselben stehen mehrere Reichsanwalte zur Seite. Nur zum Richteramt befähigte Personen können zu diesen Ämtern zugelassen werden. Der O. und die Reichsanwalte werden auf Vorschlag des Bundesrats vom Kaiser ernannt. Dieselben sind nicht richterliche Beamte und können daher durch kaiserliche Verfügung jederzeit mit Gewährung des gesetzlichen Wartegeldes einstweilig in den Ruhestand versetzt werden. Vgl. Deutsches Gerichtsverfassungsgesetz, § 143, 148 ff.

Oberrhein (Haut-Rhin, Territorium von Belfort) franz. Departement, gebildet aus dem Frankreich nach dem Frieden von 1871 verbliebenen Reste des frühern Departements O., entspricht dem alten elsässischen Sundgau. Es grenzt östlich an Deutschland, südlich an die Schweiz, westlich an die Departements Doubs und Obersaône. Es besteht aus der von der Allaine und ihrem Zufluß Savoureuse durchflossenen Einsenkung zwischen Vogesen und Jura, hat aber bei ca. 300 m Höhe ziemlich rauhes, veränderliches Klima. Ackerbau (auf Weizen und Kartoffeln) und Viehzucht bilden die Hauptbeschäftigung der Bewohner; die Industrie beschränkt sich auf etwas Eisenmanufaktur, Baumwollspinnerei und -Weberei und Schafwollspinnerei. Außer in Delle ist Französisch die herrschende Sprache. Das Departement hat 610 qkm (11 QM.) und (1886) 79,758. Einw. Es umfaßt ein Arrondissement (Belfort) mit sechs Kantonen. - Das ehemalige franz. Departement O., 4107 qkm (74,6 QM.) groß mit 530,285 Einw., bildet seit dem Frankfurter Frieden vom 10. Mai 1871 mit Ausschluß des Arrondissements Belfort den Bezirk Oberelsaß des deutschen Reichslandes Elsaß-Lothringen (s. d.).

Oberrheinische Kirchenprovinz, ein 1830 gebildeter Sprengel der katholischen Kirche in Deutschland, umfaßt das Erzbistum Freiburg, die Bistümer Mainz, Fulda, Rottenburg (seitdem Sitz eines Bischofs) und Limburg (für die Katholiken von Nassau u. Frankfurt). Vgl. Brück, Die o. K. (Mainz 1868).

Oberrheinischer Kreis, einer der zehn Kreise des ehemaligen Deutschen Reichs. Ihm gehörten an die Bistümer Worms, Speier, Straßburg, Basel, Besançon, Sitten, Genf, Lausanne, Metz, Toul, Verdun, die Abteien Fulda und Hersfeld; von weltlichen Landen Lothringen, Sponheim, Pfalz-Zweibrücken und Simmern, Baden, Hessen-Kassel, die nassauischen Lande und viele kleinere Gebiete. An der Spitze des Kreises stand ein Oberster, der von den Ständen erwählt wurde und fast immer "Kreisausschreibender" war, d. h. das Amt der Berufung der Stände hatte. Die Kreistage hielt man in Worms, seit dem Anfang des 18. Jahrh. in Frankfurt a. M. Durch den Westfälischen Frieden sowie durch die Friedensschlüsse von Nimwegen, Ryswyk und Baden verlor der Kreis nach und nach alle jenseit des Rheins gelegenen Landschaften. Im Frieden von Lüneville 1801 fiel noch der ganze übrige Teil der auf dem linken Rheinufer gelegenen Gebietsteile an Frankreich, und es wurde nun der Rest des niederrheinischen Kreises zum oberrheinischen Kreis geschlagen.

Oberrheinische Tiefebene, das größte Tiefland innerhalb des deutschen Berglandes, erstreckt sich von Basel bis Mainz in der Hauptrichtung von SSW. nach NNO., wird im Osten vom Schwarz- und Odenwald, im W. von den Vogesen und der Hardt begrenzt und vom Rhein durchströmt, der hier links die Ill und rechts die Kinzig, Murg, den Neckar und Main aufnimmt. Sie ist 300 km lang, 38-45 km breit und ca. 8800 qkm (160 QM.) groß. Der etwa in der Mitte fließende Rhein enthält zahlreiche, meist tote Arme, und längs seiner Ufer erstrecken sich Sümpfe und Wiesen mit Torfbildung; entfernter vom Rhein trifft man auf etwas erhabene Landstriche, die, soweit sie Lehm und Thon zur Unterlage haben, sehr fruchtbar sind und vorzüglich zum Anbau von Getreide, Tabak, Hanf, Hopfen w. verwendet werden, soweit sie jedoch aus Kies oder Sand bestehen, große einförmige Kiefernwaldungen tragen, während in tiefer gelegenen Gegenden auch die nassen Wiesengründe nicht fehlen. Längs des Randes der Gebirge breitet sich endlich eine liebliche Hügellandschaft auf, die, durch Fruchtbarkeit und Klima gleich ausgezeichnet, in allen günstigen Lagen mit Weinstöcken bepflanzt und mit zahlreichen Ortschaften übersäet ist. Am Rhein oder in der Nähe desselben haben größere Orte sich nur unter ganz besondern Umständen entwickelt. So ist Straßburgs Lage bedingt durch die Verengerung des tiefen Rheinthals, die Mannheims durch die Mündung des Neckar; Germersheim war schon in alter Zeit ein wichtiger Übergang zwischen Sümpfen; Speier liegt am Rande des Diluviums, Worms am Rande der hohen Tertiärschichten. Geognostisch treten in der Tiefebene zunächst dem Rhein Alluvialbildungen, entfernter Diluvialbildungen hervor, während die Hügelregion schon aus Tertiärschichten, Juragestein, Muschelkalk und noch ältern Formationen zusammengesetzt ist. Ganz besonders ist die Tertiärformation zwischen Worms, Mainz und Bingen, im sogen. Mainzer Becken, entwickelt. Bei Freiburg, wo selbst die Tiefebene in den Schwarzwald busenförmig eindringt, erhebt sich innerhalb der Tiefebene die vulkanische Gebirgsinsel des Kaiserstuhls (s. d.). Was die Höhenlage der Tiefebene be-^[folgende Seite]