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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ohrspeicheldrüse; Ohrspeicheldrüsenentzündung

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Ohrspeicheldrüse - Ohrspeicheldrüsenentzündung.

Ohren mit kleinen kupfernen Ringen durchbohrt werden, ein großes Fest statt. Neger, Indianer und andre Urvölker tragen Metallschmuck, Knochen, Muscheln, oft unförmlich große Ringe, cylindrische Holzstücke, Korallen u. dgl. in den Ohren (vgl. die Tafeln "Afrikanische, Amerikanische, Asiatische und Ozeanische Völker"). O. von Bronze finden sich in den Pfahlbauten der Schweiz sowie in alten Grabstätten in verschiedener Form; einige sind breit und gegen das Ohrläppchen hin verengert, andre sind nur einfache Bronzedrähte. Auch befinden sich unter den südgermanischen Gräberfunden der ältern Eisenzeit (z. B. im römisch-germanischen Museum zu Mainz) als Ohrschmuck dienende Gold- und Bronzeringe mit ungemein zierlichen Ornamenten, deren Geschmacksrichtung auf etrurische Herkunft deutet. Bei den Griechen kamen die O. und Ohrgehänge nur als Schmuck des weiblichen Geschlechts vor. Bei den Römern kannten die Matronen schon zu Coriolans Zeit die Ausschmückung der Ohren; das männliche Geschlecht verachtete in der frühern Zeit dieselbe als weichlich. O. und Ohrgehänge von Bronze, Gold und Silber, mit edlen Steinen besetzt, sind in Griechenland, Kleinasien, in der Krim und in Italien (Pompeji, Etrurien) in großer Zahl gefunden worden. Die Griechen gaben den Ohrringen eine edle, künstlerische Form, oft solche von menschlichen und Tierfiguren (Schlangen). Am gewöhnlichsten war die noch heute übliche Form der Bommel. In der römischen Kaiserzeit hatte man bereits Ohrgehänge, die ganz aus edlen Steinen oder aus einer großen oder mehreren kleinen Perlen bestanden. Altrömische und etruskische Ohrgehänge werden jetzt nach dem Vorgang von Castellani in Rom überall nachgebildet. Die Sklaven trugen in dem durchbohrten Ohr einen Ring, entweder weil sie diese Sitte aus ihrer Heimat mitbrachten, oder als Abzeichen der Sklaverei. Sowohl im Mittelalter als in unsrer Zeit hat die Mode das Tragen der O. unter den zivilisierten Völkern beim männlichen Geschlecht, die Italiener und Franzosen etwa ausgenommen, größtenteils verbannt; beim weiblichen dagegen wird auf die Kostbarkeit, Feinheit und Zierlichkeit dieses Schmuckes nach wie vor ein besonderer Wert gelegt, wobei sowohl Gold und Silber als edle Steine, Perlen, Korallen, geschnittene Steine, Muschelkameen etc. bevorzugt werden. Seit dem Aufschwung der Kunstindustrie werden so ziemlich alle Muster der Vergangenheit und des volkstümlichen Schmuckes (nordisches und italienisches Gold- und Silberfiligran, Emailschmuck der Renaissance, orientalischer Münzenschmuck etc.) nachgebildet. Im Orient und bei den Völkern, bei denen sich noch die sogen. Nationaltracht erhalten hat (Schweden, Norwegern, Holländern, Bretonen, Russen, Schweizern, Italienern, Ungarn) wird mit Ohrringen ein großer Luxus getrieben. Vgl. Schmuck (nebst Tafel).

Ohrspeicheldrüse (Glandula parotis), bei den höhern Wirbeltieren die größte Mundspeicheldrüse. Beim Menschen (s. Tafel "Mundhöhle etc.", Fig. 1) liegt sie zu beiden Seiten des Gesichts vor und unter dem Ohr und reicht vom Jochbogen bis fast zum Kieferwinkel herab, hat eine platte, fast dreieckige Gestalt und ein Gewicht von 20-30 g. Ihr Ausführungsgang (ductus Stenonianus) dringt durch den Backenmuskel und die Backenschleimhaut hindurch, um in der Mundhöhle gegenüber dem ersten bis zweiten obern Backenzahn auszumünden; s. Speichel.

Ohrspeicheldrüsenentzündung (Parotitis). Entzündungen der Mundschleimhaut pflanzen sich nicht selten auf die Speicheldrüsen und besonders auf die Ohrspeicheldrüse fort. Die idiopathische oder spontane O. (Bauerwetzel, Mumps, Ziegenpeter, Parotitis polymorpha) tritt epidemisch, seltener in vereinzelten Fällen auf. Kinder in den ersten Lebensjahren und Greise pflegen verschont zu bleiben, das männliche Geschlecht häufiger zu erkranken als das weibliche. Den örtlichen Erscheinungen geht häufig ein leichtes Fieber voraus. Das Allgemeinbefinden ist gestört, es sind Hinfälligkeit, Kopfschmerz, Appetitmangel, unruhiger Schlaf und ähnliche Symptome vorhanden. Nachdem das Fieber 2-3 Tage angedauert hat, bildet sich in der Gegend des Ohrläppchens eine Geschwulst, welche sich schnell über den Backen und bis zum Hals ausbreitet und anfangs nur eine Seite des Gesichts einnimmt. Die Geschwulst ist ziemlich fest, die sie überziehende Haut blaß oder nur schwach gerötet. Die Anschwellung ist von einem spannenden und drückenden, nicht sehr heftigen Schmerz begleitet. Das Gesicht ist dabei auffallend entstellt, die Bewegungen des Kopfes sind gehindert, der Kranke vermag den Mund nur wenig zu öffnen und hat Beschwerden beim Sprechen, Kauen und Schlingen. Die Speichelabsonderung ist unverändert. Häufig ist die O. doppelseitig, und die gleiche Schwellung zeigt sich dann nach einiger Zeit auch auf der andern Seite der Wange. Gegen den fünften oder sechsten Tag beginnt die Geschwulst sich zu verlieren, das Fieber verschwindet gänzlich, und nach 8-10 Tagen hat das Gesicht wieder seinen normalen Ausdruck angenommen. Weit seltener wird um den fünften oder sechsten Tag, unter heftiger Steigerung des Fiebers, die Geschwulst schmerzhafter, härter, stärker gerötet, und es bilden sich Eiterherde in derselben, welche nach außen oder in den äußern Gehörgang durchbrechen. Merkwürdigerweise schwillt zuweilen eine Hode nebst dem Hodensack im Verlauf der O. entzündlich an. Die Entzündung dieser Teile pflegt einen ebenso günstigen Verlauf wie die O. selbst zu nehmen und nach wenigen Tagen zu verschwinden. Manchmal scheinen die O. und die Hodenschwellung förmlich abzuwechseln; erstere verschwindet, während sich letztere entwickelt, und umgekehrt. Bei den Weibern schwellen die äußern Schamteile und die Brüste an, und Schmerzen in der Gegend des einen oder andern Eierstocks lassen schließen, daß auch letztere leicht entzündet sind. Der Zusammenhang zwischen diesen Krankheiten ist ganz unbekannt. Da die idiopathische O. meist von selbst heilt, so hat man nichts andres zu thun, als den Kranken während der Dauer des Übels vor Schädlichkeiten zu bewahren und etwanige Unregelmäßigkeiten in der Verdauung und Stuhlentleerung zu regulieren. Der Kranke muß das Zimmer hüten, die Geschwulst ist mit Watte oder einem Kräuterkissen zu bedecken, und die Diät muß eher knapp als reichlich sein. Wenn größere Härte der Geschwulst, vermehrte Empfindlichkeit derselben und die Steigerung des Fiebers den Übergang in Eiterung befürchten lassen, so kann man denselben durch Ansetzen von Blutegeln zu verhüten suchen. Ist es zur Eiterung gekommen, so macht man warme Umschläge und eröffnet die Abscesse frühzeitig mit dem Messer, damit es nicht zu größern Zerstörungen der Drüse komme.

Die metastatische (bösartige) O. kommt im Gefolge schwerer Krankheitsprozesse, namentlich des Typhus und Wundfiebers, vor. Seltener wird sie im Verlauf des Choleratyphoids, der Jauchevergiftung des Bluts, des Kindbettfiebers, der Masern, Pocken, der Ruhr oder als Begleiterin schwerer Lungenent-^[folgende Seite]