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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Österreich, Kaisertum

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Österreich, Kaisertum (Obst- und Weinbau, Forstwirtschaft, Viehzucht).

Von den einzelnen Ländern sind an Ackerland am reichsten Mähren, Böhmen und Schlesien mit ungefähr der Hälfte, am ärmsten sind Salzburg und Tirol, ersteres mit 10, letzteres mit 6 Proz. des Gesamtflächeninhalts. Auf der höchsten Stufe befindet sich der Ackerbau im allgemeinen in den nordwestlichen Ländern, wo Bodenlage und Klima, Dichtigkeit der Bevölkerung und Rührigkeit derselben, günstige Bodenverteilung, Vorliebe der Bewohner für den Ackerbau von jeher der Agrikultur eine hervorragende Stellung sicherten. Die am meisten verbreitete Bewirtschaftungsmethode in Ö. ist die Dreifelderwirtschaft; doch besteht sie nur in wenigen Kronländern rein, weil zumeist der Futterbau in die Körnerwirtschaft hineingezogen wird und durchschnittlich kaum die Hälfte der Brache unbenutzt bleibt. Die Fruchtwechselwirtschaft wird hauptsächlich in Tirol, Steiermark, Krain, dem Küstenland, ziemlich häufig aber auch in den übrigen Kronländern betrieben, die Eggartenwirtschaft in den höher gelegenen Gegenden, namentlich der Alpenländer. In Mähren kommt vielfach die Drieschfelder-, in Steiermark die Brandwirtschaft vor. Die freie Wirtschaft wird in einem Teil von Tirol, Untersteiermark und Krain auf kleinen Besitzungen planmäßig betrieben. Das Erträgnis in den wichtigsten landwirtschaftlichen Produkten beträgt in Ö. bei einer Mittelernte:

Ertrag Mill. Hektol. Tausende metr. Ztr.

Weizen 14,5 Flachs 425,0

Roggen 26,1 Hanf 249,0

Gerste 16,5 Zuckerrüben 42000,0

Hafer 33,4 Tabak 40,0

Mais 5,8 Hopfen 67,0

Buchweizen, Hirse 3,7 Olivenöl 140,0

Zusammen Getreide: 100,0

Mill. Hektol. Mill. Hektol.

Hülsenfrüchte 2,5 Wein 3,3

Kartoffeln 88,3

Die reichsten Getreideländer sind Böhmen, Mähren, Galizien und Niederösterreich. An Hülsenfrüchten werden insbesondere in den nördlichen Provinzen große Mengen gewonnen, wo auch Kartoffeln, Flachs und Hanf vorzüglich gedeihen. Zuckerrüben werden in großem Maßstab, namentlich in Böhmen und Mähren, dann auch in Schlesien, Niederösterreich und Galizien, angebaut. Gemüse und Küchengewächse werden meist als Feldfrüchte, hier und da auch gartenmäßig angebaut und in nicht unbedeutender Menge ausgeführt. Futtergewächse, insbesondere Klee und Futterrüben, haben die meisten Kronländer in ausreichender Menge. Der Wiesenbau ergibt durchschnittlich 100 Mill. metr. Ztr. Heu; daneben spielt das Weideland, namentlich in Galizien, Dalmatien und den Alpenländern, eine große Rolle. Von der Gesamternte des Hopfens produziert Böhmen über ⅘; berühmt ist der Hopfen aus der Umgegend von Saaz. Der Rapsbau ist in Böhmen, Galizien, Mähren und Oberösterreich ein einträglicher Zweig der Bodenkultur (Jahresertrag 600,000 hl). Der Tabaksbau unterliegt im ganzen Reich als Staatsmonopol den gesetzlichen Beschränkungen (kaiserliche Patent vom 29. Nov. 1850). Sein Anbau ist in den österreichischen Ländern auf Galizien, die Bukowina und die südtirolischen Bezirke Roveredo und Riva beschränkt.

Der Obstbau, obwohl absolut bedeutend (jährlicher Ertrag ca. 7 Mill. metr. Ztr.), könnte doch in jeder Beziehung noch gesteigert werden. Die Menge des gewonnenen gemeinen Obstes deckt hinlänglich den Bedarf und liefert in der Regel noch so viel für den Export, daß damit der für die Zufuhr von Südfrüchten verausgabte Wert gedeckt werden kann. Die Kultivierung edler Obstsorten in größerm Maßstab wird besonders in der Umgebung von Bozen, der Anbau von Südfrüchten in einigen Gegenden Südtirols (bei Arco und an den Ufern des Gardasees), im Küstenland und in Dalmatien betrieben. In Oberösterreich, Steiermark und Kärnten wird Obstmost, in Böhmen und Mähren Zwetschenmus (Powidel), in Dalmatien aus Steinweichseln der Maraskino bereitet. Große Mengen Obst werden in frischem oder gedörrtem Zustand exportiert. Der Weinbau wird in den meisten Kronländern, insbesondere aber in Dalmatien, Niederösterreich, Steiermark und dem Küstenland, betrieben. Am meisten süß, aber wenig haltbar sind die dalmatischen, minder süß, jedoch mit den Jahren an Güte zunehmend die deutschen Weine. Die Kultur des Öl- und Maulbeerbaums beschränkt sich auf Dalmatien, das Küstenland und Südtirol.

Ungemein reich ist die Monarchie an Waldungen, welche mehr als ein Drittel der produktiven Bodenfläche einnehmen, besonders in den Alpenländern. Die Staats- und Fondsforsten haben eine Ausdehnung von 898,000 Hektar und befinden sich hauptsächlich in der Bukowina, in Galizien, Salzburg und Tirol. Seit einem Jahrhundert schon verwendet der Staat eine große Sorgfalt auf die Forstkultur. Das durchschnittliche Jahreserträgnis an Brenn- und Bauholz ist auf 27 Mill. cbm berechnet, welches Erträgnis nicht nur den inländischen Bedarf vollständig deckt, sondern auch bedeutende Mengen für den Absatz nach dem Ausland (Masten, Faßdauben, Sägewaren etc.) liefert. Holzmangel zeigt sich vorzugsweise in Dalmatien, welches zwar eine ziemliche Waldfläche, aber fast nur Niederwald mit unansehnlicher Bepflanzung besitzt. Ein gleiches Verhältnis findet sich in Istrien und einem Teil der galizischen Hochebene. Außer dem Erträgnis an Holz sind auch die Nebennutzungen der Wälder (die Eichelung, Pottasche, Holzkohle, Harz, Teer, Lohe, Sumach, Terpentin u. a.) beachtenswert.

Trotz der von der Natur gebotenen günstigen Vorbedingungen hat die Viehzucht in Ö. bis jetzt noch nicht jenen Standpunkt erreicht, daß sie als genügend für den Bedarf des Reichs anzusehen wäre. In einigen Kronländern, insbesondere im Alpengebiet, ist dieselbe allerdings blühend, hier und da sogar vortrefflich; dagegen ist sie in andern gänzlich vernachlässigt. Nach der letzten Zählung (1880) betrug der Viehstand in Ö.:

Stück

Pferde 1463282

Esel und Maultiere 49618

Rindvieh 8584077

Schafe 3841340

Ziegen 1006675

Schweine 2721541

Vorzügliche Pferde schweren (norischen) Schlags werden in Salzburg, Obersteiermark und Kärnten gezüchtet. Zur Hebung der Pferdezucht bestehen 2 Hofgestüte, ein Staatsgestüt (Radautz) und 5 Hengstedepots. Die Rindviehzucht ist in den Alpenländern, wo sie durch die Sennwirtschaft begünstigt wird, ausgezeichnet. Dort finden sich auch die schönsten Rassen; die am reichsten mit Weideland versehenen Kronländer Dalmatien und das Küstenland dagegen genügen weder durch entsprechenden Stand noch durch Qualität des Viehs. Die Schafzucht ist in den letzten Jahrzehnten sehr gesunken (1869 gab es noch über 5 Mill. Schafe); edle Rassen werden in Mähren und Schlesien, Böhmen, Nieder- und Oberösterreich gezüchtet. Die Ziegenzucht ist meist auf die gebirgigen Gegenden beschränkt und namentlich in Dalmatien stark vertreten. Von großer Wichtigkeit ist die Zucht