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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Österreich, Kaisertum

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Österreich, Kaisertum (Industrie).

Arbeitslöhne in Wien) vielfach auf das flache Land von Niederösterreich sowie nach Mähren und Böhmen verlegt haben. Außerdem bestehen Seidenwebereien in Tirol. Einer der ältesten und hervorragendsten Zweige der gewerblichen Thätigkeit Österreichs ist die Schafwollindustrie. Die mechanische Spinnerei wird für Streichgarn vorzugsweise in Mähren (hauptsächlich in Brünn mit Umgebung) und Böhmen (vorwiegend im Reichenberger Handelskammerbezirk), ferner in Schlesien (Bielitz und Jägerndorf) und dem angrenzenden Teil von Galizien (Biala), für Kammgarn in Niederösterreich (Vöslau und Möllersdorf), Böhmen (6 Etablissements), Mähren (Brünn) und Schlesien (Bielitz) betrieben. Die Gesamtzahl der Feinspindeln beläuft sich auf 635,685, wovon 459,685 auf Streichgarn (200,100 in Mähren) und 176,000 auf Kammgarn entfallen. Die Erzeugung von Streichgarngeweben (Tuch, Modestoffe etc.), mit 3620 mechanischen und 17,361 Handwebstühlen, hat ihre Hauptsitze in Brünn, Iglau und Neutitschein in Mähren, Reichenberg und Umgebung in Böhmen, Bielitz und Jägerndorf in Schlesien und Biala in Galizien. Die Fabrikation von Geweben aus Kammgarn (Merinos, Tibets, Kasimirs, Orléans etc.) hat ihren Hauptsitz in Nordböhmen, wo mehrere großartig betriebene Etablissements bestehen. Die Erzeugung von gemischten Geweben ist im Ascher Bezirk, in Aussig und Warnsdorf in Böhmen, außerdem in Niederösterreich und Schlesien vertreten. Die Shawlserzeugung ist eine Spezialität der Wiener Industrie. Teppiche werden in Wien, dann in Oberösterreich (Kleinmünchen) und in Böhmen (Maffersdorf) erzeugt. Die Gesamtzahl der für Kammgarn- und gemischte Webwaren thätigen Stühle beträgt 21,366 (davon 7913 mechanische). Eine große Entwickelung hat in Ö. die Baumwollindustrie genommen. Die Hauptsitze der Baumwollspinnerei, welche Ende 1884: 2,062,000 Feinspindeln beschäftigte, sind: Böhmen (insbesondere der nördliche und nordöstliche Teil) mit 1,079,100, Niederösterreich mit 404,200, Vorarlberg mit 211,100, Oberösterreich mit 121,400 und Tirol mit 84,500 Spindeln; außerdem befinden sich vereinzelte Spinnereien in Steiermark, Görz, Krain, Mähren und Schlesien. Die Baumwollzwirnerei wird als selbständiger Industriezweig in Haratitz und Kamnitz in Böhmen, außerdem als Nebenbeschäftigung der Spinnerei betrieben. Die Zahl der in Betrieb stehenden Kraftstühle beträgt etwa 40,000, welche sich in erster Reihe auf Böhmen, dann auf Vorarlberg, Niederösterreich, Tirol, Mähren und Schlesien, endlich vereinzelt auf die übrigen Länder verteilen. Die Handweberei tritt in Ö. zum größten Teil als Lohnweberei auf und beschäftigt 61,500 Webstühle. Ihre Hauptsitze sind: Böhmen (44,800 Stühle, insbesondere in den nördlichen Landstrichen), Mähren, Schlesien, Österreich unter der Enns. Die Flachsspinnerei beschäftigte 1880: 326,854 Spindeln und wird am stärksten in Böhmen, wo insbesondere die Stadt Trautenau ein Zentrum der Flachsspinnerei bildet, sodann in Schlesien und im nördlichen Mähren betrieben. Die Leinweberei wird noch immer zumeist als Handweberei und zwar als landwirtschaftliche Nebenbeschäftigung in Böhmen, Mähren und Schlesien, besonders in den Thälern des Riesengebirges und der Sudeten, dann als Hausweberei in den Karpathen Galiziens und der Bukowina betrieben. Eigentliche Leinwandfabriken, mit 1000 Kraftstühlen, bestehen hauptsächlich nur in Mähren und Schlesien. Von den ungefähr 40,000 gewerbsmäßig gehenden Handwebstühlen kommen 22,000 auf den Reichenberger Handelskammerbezirk in Böhmen. In feinen Geweben steht die Leinweberei im nördlichen Böhmen (Rumburg, Georgswalde) und Mähren (Schönberg) auf sehr hoher Stufe. Segeltuch wird am meisten in Mähren (Brünn und Sternberg), Seile und Tauwerk werden besonders in Triest und Fiume, Zwirne vorwiegend in Böhmen (Bezirk Rumburg) und Schlesien (Bezirk Freudenthal) verfertigt. Die Hanfspinnerei ist in Ö. nicht von großer Bedeutung; für die Erzeugung von Jutegarn und Jutegeweben (19,000 Spindeln, 1200 mechanische Webstühle) bestehen zwei größere Fabriken bei Wien und mehrere Unternehmungen in Böhmen, Mähren und Schlesien. Von Wichtigkeit ist für alle erwähnten Zweige der Textilindustrie die Appreturthätigkeit. Von den hierher gehörigen Erwerbsarten ist eine der bedeutendsten die Baumwolldruckerei, welche in wenigen, aber umfangreichen Etablissements (in Böhmen, Niederösterreich und Vorarlberg) konzentriert ist. Die Baumwollfärberei, die Bleicherei und Appretur haben in Niederösterreich, Vorarlberg, Böhmen und Mähren ihren Hauptsitz; für die Garnfärberei, insbesondere in Türkischrot, bestehen einige Fabriken in Vorarlberg, Böhmen, Mähren, Schlesien, Kärnten und im Küstenland. Der Schafwolldruck ist, abgesehen von mehreren Etablissements in Niederösterreich, im nördlichen Böhmen mit der dortigen Stoffweberei vereinigt. Die Leinenbleicherei ist in den Gegenden des Riesengebirges und der Sudeten, die Appretur (Färberei und Druckerei) von Seidenwaren fast ausschließlich in Wien und Umgebung vereinigt. Andre Zweige der Textilindustrie und der Bekleidungs- und Putzindustrie sind: die Wirkwarenerzeugung, welche im nördlichen Böhmen und im Ascher Gebiet eine große Bedeutung erlangt hat und dort sowohl vom Kleingewerbe als auch fabrikmäßig, großenteils auf Rundstühlen, außerdem in Niederösterreich, in Mähren und Schlesien vielfach noch auf den alten Wirkstühlen und vom Kleingewerbe für den Lokalbedarf betrieben wird; die Fabrikation von orientalischen Kappen (Fes), welche hauptsächlich in Böhmen (Strakonitz), aber auch in Niederösterreich, Mähren und Schlesien vertreten ist und auf dem levantischen Markt dominiert (jährlich 6-8 Mill. Stück); die Spitzenklöppelei, welche seit drei Jahrhunderten im böhmischen Erzgebirge heimisch ist und dort ungefähr 15,000 Personen beschäftigt, daneben auch in geringerm Maß in Krain (Idria) und Tirol betrieben wird; die Maschinenspitzenerzeugung in Wien und Lettowitz (Mähren); die Weißstickerei, welche den hervorragendsten Zweig der Hausindustrie in Vorarlberg bildet und dort durch Vermittler für Schweizer Unternehmer thätig ist, außerdem auch im böhmischen Erzgebirge Eingang gefunden hat; die Maschinenstickerei in Graslitz, Bärringen u. a. O. des böhmischen Erzgebirges; die Kunststickerei, Fabrikation von Posamentierwaren, Weiß-, Bett- und Wäschwaren, Korvetten, Krawatten, Sonnen- und Regenschirmen, künstlichen Blumen und Schmuckfedern, Wachstuch, Gummiwebwaren, sämtlich mit dem Hauptsitz Wien, teilweise auch in Prag u. a. O., so im Bezirk Rumburg in Böhmen die Erzeugung von Knopf- und Posamentierwaren, in Klattau die Fabrikation von Wäsche; die Kleiderfabrikation, welche namentlich in Männerkleidern große Ausdehnung und auch in Bezug auf Geschmack und Billigkeit der Fabrikate einen befriedigende Stand erlangt hat, jährlich große Quantitäten exportiert und namentlich in Wien, dann auch, jedoch meist im Dienste der