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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Österreich, Kaisertum

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Österreich, Kaisertum (Verwaltung, Rechtspflege, Finanzen, Wappen etc.).

Ministerien des Innern, für Kultus u. Unterricht, für Handel, für Ackerbau, für Landesverteidigung, für die Justiz und für die Finanzen. Ein eigner Minister vertritt außerdem die Interessen Galiziens im Ministerrat. Eine selbständige Zentralbehörde bildet auch der k. k. oberste Rechnungshof. Den Ministerien sind als Zentralstelle untergeordnet: dem Ministerium des Innern der oberste Sanitätsrat; dem Ministerium für Kultus und Unterricht der evangelische Oberkirchenrat, die statistische Zentralkommission, die Zentralkommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmäler; dem Handelsministerium die Generalinspektion der Eisenbahnen, der Staatseisenbahnrat und die Generaldirektion der österreichischen Staatsbahnen, die Normaleichungskommission, die Seebehörde in Triest; dem Finanzministerium die Direktion der Staatsschuld, die Lottodirektion, die Generaldirektion der Tabaksregie, das Hauptmünzamt, das Generalprobieramt und das Hauptpunzierungsamt; dem Ackerbauministerium die Zentralpferdezuchtkommission.

Was die Provinzial-, Bezirks- und Lokalverwaltung betrifft, so bestehen als Oberbehörden für die politische Verwaltung, d. h. für die in das Ressort der Ministerien des Innern, des Kultus und Unterrichts und der Landesverteidigung fallenden Geschäfte, ferner für die Angelegenheiten der Land- und Forstwirtschaft, des Handels und der Gewerbe die politischen Landesbehörden (Statthaltereien oder Landesregierungen), welchen ein Landessanitätsrat beigegeben ist. Für Südtirol sind die Statthaltereigeschäfte (jedoch unter Beschränkungen) der Statthaltereiabteilung in Trient zugewiesen. Unter diesen Landesbehörden fungieren als politische Behörden erster Instanz: die 327 Bezirkshauptmannschaften und in den von letztern eximierten 32 Städten mit eignen Gemeindestatuten die Kommunalämter (Magistrate etc.); in unterster Linie haben alle Gemeindevorsteher bestimmte Geschäfte der staatlichen Administration (im übertragenen Wirkungskreis) zu besorgen und die Ortspolizei zu handhaben. Eigne Polizeidirektionen bestehen nur in sieben größern Städten. Für die Finanzverwaltung sind in den einzelnen Ländern die Finanzlandesdirektionen (bez. Finanzdirektionen in den kleinern Ländern) als Oberbehörden bestellt, von welchen als erste Instanzen für die direkte Besteuerung die Bezirkshauptmannschaften (mit beigegebenen Steuerinspektoren) nebst den Steuerämtern, in den Landeshauptstädten die Steueradministrationen und Steuerlokalkommissionen, für die indirekten Steuern und andern Finanzsachen die Finanzbezirksdirektionen und Finanzinspektoren mit den Haupt- und Nebenzollämtern abhängen. Am Sitz jeder Finanzlandesbehörde befinden sich eine Finanzprokuratur (Rechtsrat und Anwalt des Staats) und eine staatliche Landeskasse. Die Leitung und Beaufsichtigung der Mittel- und Volksschulen kommt den Landes-, den Bezirks- und den Ortsschulräten zu; für das Kommunikationswesen bestehen 10 Post- und Telegraphendirektionen sowie 8 Hafen- und Seesanitätskapitanate, für die Handhabung des Berggesetzes 4 Berghauptmannschaften (mit den Revierbergämtern), für die Verwaltung der Staatsgüter 6 Forst- und Domänendirektionen.

Die Rechtspflege ist von der politischen Verwaltung vollkommen getrennt. Zur Besorgung derselben unterstehen dem k. k. Justizministerium in der höchsten Instanz und als Kassationshof der oberste Gerichtshof in Wien, in zweiter Instanz 9 Oberlandesgerichte, in erster Instanz 67 Gerichtshof (Landes- und Kreisgerichte) für wichtigere Rechtsfälle, die bei diesen gebildeten Geschwornengerichte (für die mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen, für alle politischen Verbrechen und Preßvergehen) und 924 Bezirksgerichte (Einzelgerichte). Als besondere Gerichte bestehen noch die Handels-, Gefälls-, Militärgerichte etc. Zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten sowie zur Entscheidung in streitigen Angelegenheiten öffentlichen Rechts ist das Reichsgericht in Wien, dann zur Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Staatsangehörigen und Administrativbehörden der Verwaltungsgerichtshof in Wien eingesetzt.

Das österreichische Staatsbudget für 1887 betrug:

Staatseinnahmen. 509546594 Guld.

Darunter:

Direkte Steuern 99068000 "

Verzehrungssteuer 87507400 "

Salzmonopol 20447000 "

Tabaksmonopol 75750000 "

Stempel, Taxen und Gebühren 51450000 "

Post- und Telegraphenanstalten 27682270 "

Staatsforsten, Domänen u. Montanwerke 10735602 "

Staatsausgaben 537221802 Guld.

Darunter:

Hofstaat 4650000 "

Landesverteidigung 22187126 "

Gemeinsame Angelegenheiten 92658839 "

Staatsschuld 130416853 "

Die allgemeine und österreichische Staatsschuld belief sich Ende 1886 auf 3,417,293,077 Guld., wovon auf die eigentliche österreichische Staatsschuld 646,592,431 Guld., auf die allgemeine Staatsschuld 2,770,700,646 Guld. entfallen. Hierzu kommt noch die gemeinsame schwebende Staatsschuld (Staatsnoten) mit 344,176,555 Guld. Die allgemeine Staatsschuld wird von Ungarn nicht als gemeinschaftliche Angelegenheit anerkannt; doch leisten die ungarischen Länder zur Deckung der Zinsen und zur Amortisation für die vor 1868 kontrahierte allgemeine Staatsschuld einen Jahresbeitrag von 30,315,700 Guld.

Das kleine Reichswappen (s. beifolgende Tafel "Österreichisch-Ungarische Länderwappen") ist ein schwarzer, zweiköpfiger, auf jedem Kopf gekrönter Adler mit ausgebreiteten Flügeln, goldenen Schnäbeln, roten Zungen und goldenen Klauen, in der rechten das Staatsschwert und das goldene Zepter, in der linken den goldenen Reichsapfel haltend; über den beiden Köpfen die Kaiserkrone schwebend. Auf der Brust des Adlers befindet sich das k. k. Familien- und Hauswappen in drei geteilten Schilden, und zwar rechts der aufrecht stehende rote, gekrönte Löwe von Habsburg im goldenen Feld, links in Gold ein roter rechter Schrägbalken, worin drei silberne Adler übereinander gesetzt sind (Lothringen), in der Mitte von beiden ein silberner Querbalken in Rot (Österreich). Umhangen ist das Familienwappen von den Insignien des Toison-, Maria Theresia-, Stephans-, Leopolds- und Eisernen Kronenordens. Das mittlere Wappen hat auf den ausgebreiteten Flügeln und dem Schwanz dieses Adlers elf Wappenschild der österreichischen Provinzen; das große Wappen enthält im goldenen Hauptschild den kaiserlichen Adler, der auf der Brust einen zweimal senkrecht und ebenso oft quer geteilten Schild mit neun Sektionen trägt, die wieder in mehrere Felder geteilt sind, welche die Wappenzeichen des Kaiserhauses, der Provinzen und deren Bestandteile und der Anspruchsländer zeigen; der Hauptschild ist mit der Kaiserkrone bedeckt, mit den Insignien der erwähnten Ritterorden umhangen und von zwei goldenen, schwarz geflügelten Greifen mit ausgeschlagenen roten Zungen und schwar-^[folgende Seite]