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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Österreichisch-Ungarische Monarchie

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Österreichisch-Ungarische Monarchie (Geschichte: 1716-1748).

nung, die Pragmatische Sanktion, welche bestimmte, daß sämtliche österreichische Länder nach seinem Tod "untrennbar und unauflöslich" sein und sämtlich an seine älteste Tochter, Maria Theresia, und deren Nachkommen fallen sollten. Nachdem er die Zustimmung der Stände der verschiedenen Erbländer seines Reiches zu derselben erlangt hatte, suchte er auch die europäischen Mächte zur Anerkennung derselben zu bewegen, statt, wie Prinz Eugen riet, seine Nachfolgerin durch ein tüchtiges Heer und einen wohlgefüllten Schatz in stand zu setzen, ihren Thron mit eigner Kraft zu verteidigen, und brachte hierfür große Opfer. Nachdem Kurfürst Friedrich August III. von Sachsen, der Gemahl von Josephs I. ältester Tochter, die Pragmatische Sanktion anerkannt hatte, unterstützte Karl VI. dessen Bewerbung um die polnische Krone im polnischen Erbfolgekrieg (s. d.) und trat im Wiener Frieden 1738 Neapel und Sizilien als eine Sekundogenitur an die spanischen Bourbonen sowie Lothringen an Frankreich ab, wofür er Parma und Piacenza sowie für seinen Schwiegersohn Franz von Lothringen Toscana als Entschädigung erhielt. Hatten schon im polnischen Erbfolgekrieg die kaiserlichen Truppen keine Lorbeeren erworben, so trat der Verfall des Kriegswesens in dem Türkenkrieg, den Karl VI. 1737-39 im Bund mit Rußland führte, noch greller zu Tage: die Kaiserlichen wurden 1737 bei Banjaluka, 23. Juli 1739 bei Krotzka geschlagen und mußten im Frieden von Belgrad (18. Sept. 1739) diese Festung, Serbien und die Walachei abtreten.

Österreich unter Maria Theresia.

Mit Karls VI. Tod (20. Okt. 1740) erlosch der habsburgische Mannesstamm, und mit Maria Theresia (1740-80), der ältesten Tochter Karls VI., die mit Franz von Lothringen, Großherzog von Toscana, vermählt war, begann die Herrschaft des Hauses Habsburg-Lothringen. Die junge Fürstin übernahm das Reich in einem kläglichen Zustand. Die Länder desselben bildeten eine lockere Föderation, die nur durch die Person des Herrschers, aber nicht durch eine Verfassung oder einen festen Verwaltungsorganismus vereinigt war. Jedes Land hatte seine eigne ständische Verfassung, die dem Adel und der Geistlichkeit bedeutende Privilegien einräumte, und welche die habsburgischen Herrscher zwar nicht immer streng beachteten, doch auch nicht aufhoben. Die Zentralbehörden waren der Hofkriegsrat, die Hofkammer (Finanzen) und die Staatskanzlei (äußere Angelegenheiten), welche aber keine ausreichenden niedern Organe zu ihrer Verfügung hatten, sondern sich auf die ständischen und Lokalbehörden stützen mußten. Der Schatz war leer, das Heer in Zerrüttung, die Minister und Generale alt und unzuverlässig. In geistiger Beziehung herrschte völliger Stillstand, der Zusammenhang mit Deutschland schien gänzlich gelöst.

Karl VI. hatte die Wahl seines Schwiegersohns zum deutschen Kaiser bei seinen Lebzeiten nicht erreicht. Der Glaube, daß Maria Theresias Thronfolge durch die Verträge mit den Mächten gesichert sei, erwies sich als trügerisch. Der Kurfürst Karl Albert von Bayern machte Ansprüche auf das habsburgische Erbe. Friedrich II. von Preußen forderte Entschädigung für seine schlesischen Ansprüche und fiel, als diese sowie sein Anerbieten, zum Lohn für dieselbe die Pragmatische Sanktion verteidigen zu helfen, schroff zurückgewiesen wurden, 16. Dez. 1740 in Schlesien ein (erster Schlesischer Krieg). Mit Ausnahme weniger Festungen, die auch bald erobert wurden, fiel das ganze Land ohne erheblichen Widerstand in seine Hände, und der Versuch Neippergs, es wiederzuerobern, wurde durch die Schlacht bei Mollwitz (10. April 1741) zurückgewiesen. Jetzt fochten auch Sachsen, Sardinien, Spanien und Frankreich die Pragmatische Sanktion an und vereinigten sich mit Bayern und Preußen. Der österreichische Erbfolgekrieg (s. d., 1741-48), der aus diesem Bündnis hervorging, verlief anfangs für die junge Königin sehr ungünstig. Durch ein französisches Heer verstärkt, eroberte der Kurfürst von Bayern Oberösterreich und empfing in Linz die Huldigung der Stände. Er drang bis vor Wien vor, wandte sich aber dann nach Böhmen und ließ sich in Prag krönen (Dezember 1741). Auch hier schlossen sich die Stände teils Bayern an, teils verhielten sie sich unthätig. Nur der ungarische Reichstag leistete Maria Theresia Beistand. Infolge der Fehler der französisch-bayrischen Kriegführung wandte sich die Sache 1742 zu gunsten Österreichs. Ein österreichisches Heer unter Karl von Lothringen fiel in Böhmen, ein zweites unter dem General Khevenhüller in Bayern ein und besetzte München, während Maria Theresia nach der Niederlage bei Chotusitz (17. Mai 1742) mit Friedrich II. 28. Juli 1742 zu Berlin einen Frieden schloß, in welchem sie Schlesien (außer Troppau, Teschen und Jägerndorf) nebst der Grafschaft Glatz an Preußen abtrat. Um so energischer und erfolgreicher wurde nun der Krieg gegen die Franzosen und Bayern fortgesetzt. Aus Besorgnis, daß nach dem völligen Sieg Österreichs ihm Schlesien wieder entrissen werden könne, begann Friedrich II. 1744 den zweiten Schlesischen Krieg, fiel in Böhmen ein und eroberte 16. Sept. Prag. Dies nötigte Karl von Lothringen, Bayern zu räumen und sich nach Böhmen zu wenden. Den geschickten Operationen des Grafen Traun war es zu danken, daß Friedrich sich unter großen Verlusten aus Böhmen nach Schlesien zurückziehen mußte. Schon hoffte Maria Theresia, Schlesien wiedergewinnen zu können, für das sie sich durch Bayern zu entschädigen gedacht hatte. Als daher nach dem Tod Karls VII. (20. Jan. 1745) dessen Nachfolger Max Joseph III. um Frieden bat, ließ ihm Maria Theresia im Vertrag von Füssen (22. April 1745) Bayern, während er auf alle Ansprüche an Österreich verzichtete. Österreichische Truppen rückten darauf in Ober- und Mittelschlesien ein; Friedrich rettete sich aber durch die Siege von Hohenfriedeberg (4. Juni), Soor (30. Sept.) und Kesselsdorf (15. Dez.) aus der Bedrängnis und behauptete Schlesien im Frieden von Dresden (25. Dez. 1745). Der Krieg zwischen Österreich nebst seinen Verbündeten und Frankreich wurde noch drei Jahre in den Niederlanden und in Italien fortgesetzt und erst 23. Okt. 1748 durch den Frieden von Aachen beendigt. Maria Theresia verlor einen Teil Mailands an Sardinien, Parma und Piacenza als Sekundogenitur an die sizilischen Bourbonen. Im übrigen wurde ihr Thronfolgerecht und ihr Besitzstand bestätigt und ihr Gemahl Franz von Lothringen als deutscher Kaiser anerkannt.

Die erheblichen Gebrechen, welche sich im österreichischen Staatswesen während dieser Kriege gezeigt hatten, den Mangel an Einheit und Staatsbewußtsein im Volk, die Geringfügigkeit und Unsicherheit der Einkünfte, die Schwäche der Zentralbehörden, die schwerfällig provinzielle Verwaltung und die ungenügende Heeresorganisation, zu beseitigen, war nun Maria Theresias Streben. Sie rottete das Feudalsystem nicht völlig aus, aber suchte es unschädlich zu machen. Mit Güte oder mit Gewalt wurden die