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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Österreichisch-Ungarische Monarchie

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Österreichisch-Ungarische Monarchie (Geschichte: 1671-1716).

Johann Sobieski entsetzten endlich durch den Sieg am Kahlenberg (12. Sept. 1683) die Hauptstadt. Durch deutsche Reichstruppen verstärkt, rückten nun die Kaiserlichen in Ungarn ein, nahmen 1683 Gran, 1686 Ofen ein und eroberten durch den Sieg bei Mohács (12. Aug. 1687) Kroatien und Slawonien. Durch diese Erfolge seiner Waffen erreichte es Leopold, daß die ungarischen Stände 1687 in die Aufhebung des Wahlkönigtums willigten und das Land in ein Erbreich unter habsburgischer Herrschaft verwandelten, und vereinigte mit demselben 9. Mai 1688 Siebenbürgen, dessen Fürst und Landtag der türkischen Oberherrschaft entsagten. Durch die Siege des Markgrafen Ludwig von Baden bei Szalankemen (19. Aug. 1691) und Eugens von Savoyen bei Zenta (11. Sept. 1697) wurde der Sultan zum Frieden von Karlowitz (26. Jan. 1699) gezwungen, in welchem ganz Siebenbürgen und alles Land zwischen Donau und Theiß, mit Ausnahme des Banats von Temesvár, an Österreich abgetreten wurde. Inzwischen war auch Tirol, welches seit 1564 von Seitenlinien beherrscht worden, nach dem Erlöschen der letzten 1665 an Österreich zurückgefallen.

Den Krieg im Westen gegen Frankreich führte Leopold zur Sicherung der Reichsgrenzen und der Wahrung der Stellung seines Hauses im Reich; hatte Ludwig XIV. doch schon 1658 sich ernstlich um die Kaiserkrone beworben. Die ersten französischen Kriege (1672-79 und 1688-97) waren freilich nicht so erfolgreich wie die türkischen. Die Friedensschlüsse von Nimwegen und Ryswyk ließen Ludwig XIV. seine meisten Eroberungen, namentlich die Reunionen. Von nun an bestimmte vornehmlich die Rücksicht auf Spanien die Haltung Leopolds gegen Frankreich. Hier stand das Erlöschen der habsburgischen Dynastie bevor, da König Karl II. kränklich und kinderlos war, und der Kaiser war eifrig bemüht, die spanische Krone seinem Haus zu erhalten und auf seinen zweiten Sohn, Karl, zu übertragen. Als nun Karl II. 1700 starb und der von ihm testamentarisch zum Erben ernannte Enkel Ludwigs XIV., Philipp von Anjou, mit französischer Hilfe von Spanien Besitz ergriff, entschloß sich Leopold 1701 im Bund mit den meisten deutschen Fürsten und den Seemächte, die habsburgischen Ansprüche auf Spanien mit Waffengewalt geltend zu machen. In diesem Krieg (s. Spanischer Erbfolgekrieg), welcher nur für dynastische Zwecke, für die Vergrößerung der habsburgischen Hausmacht, geführt wurde, und in welchem Österreich zum erstenmal seine Hand nach dem Erwerb Bayerns ausstreckte, errangen die Kaiserlichen, hauptsächlich durch das Feldherrngenie des Prinzen Eugen, nach anfänglichem Mißgeschick endlich auch glänzende Erfolge. Leopold I. erlebte noch den Sieg bei Höchstädt (13. Aug. 1704), der dem Krieg die entscheidende Wendung zu gunsten Österreichs gab. Auf Leopold (gest. 5. Mai 1705) folgte sein älterer Sohn, Joseph I. (1705-11), der den spanischen Erbfolgekrieg mit Aufbietung aller Kräfte fortsetzte, obwohl in Ungarn eine Empörung unter Franz Rákóczy II. ausbrach; dieselbe wurde durch den Sieg der Kaiserlichen bei Trentschin (1708) unterdrückt und die völlige Pacifikation Ungarns durch den Száthmarer oder Károlyischen Frieden (1711) erreicht. Inzwischen war Bayern besetzt, durch den Sieg von Turin (1706) Italien von den Franzosen befreit und durch die Schlachten von Oudenaarde (1708) und Malplaquet (1709) die französische Kriegsmacht fast vernichtet worden. Jetzt hätte der Friede unter den günstigsten Bedingungen abgeschlossen werden können, indem Ludwig XIV. zum Verzicht auf die spanische Erbschaft und zur Rückgabe seiner Eroberungen an der deutschen Westgrenze bereit war. Deutschland wäre künftig gegen französische Eroberungsgier gesichert gewesen, das Haus Habsburg hätte sich als den mächtigen Hort des Reichs erwiesen und Österreich sich unter der Regierung Josephs I., der sich auch im Innern als tüchtiger Regent bewährte, sich tolerant und aufgeklärt zeigte und in den Finanzen und der Justiz wirksame Reformen einführte, einer glücklichen Entwickelung erfreuen können. Aber aus dynastischem Interesse brachte Joseph die Friedensverhandlungen zum Scheitern, indem er die ganze spanische Monarchie für seinen Bruder Karl verlangte und sogar von Ludwig XIV. forderte, daß er seinen Enkel aus Spanien vertreiben helfe. Inzwischen nahm der Krieg in Spanien für Karl eine so ungünstige Wendung, daß an eine Eroberung des Landes weniger als je zu denken war, und Frankreichs Streitkräfte erholten sich. Joseph I. starb aber 17. April 1711, ohne Söhne zu hinterlassen: der einzige Sproß des habsburgischen Hauses war sein Bruder, bisher Karl III. von Spanien, noch 1711 als Karl VI. (1711-40) auf den deutschen Kaiserthron erhoben. Die Fortsetzung der bisherigen Politik der Verbündeten hätte also die Vereinigung der österreichischen und der spanischen Monarchie in Eine Hand zur Folge gehabt, und da dies das europäische Gleichgewicht gefährden mußte, so trennten sich die Seemächte von Österreich und schlossen mit Frankreich 1713 den Frieden von Utrecht, den der Kaiser nach erfolgloser Fortsetzung des Kriegs 1714 im Friedensschluß von Rastatt anerkennen mußte.

Österreich erwarb aus der spanischen Erbschaft ansehnliche Gebietsteile, die spanischen Niederlande, Mailand, Mantua, Neapel und Sardinien, das 1720 gegen Sizilien ausgetauscht wurde. Eine weitere beträchtliche Gebietsvergrößerung erlangte es durch einen neuen Türkenkrieg (1716-18), in welchem Prinz Eugen die weit stärkern Türkenheere bei Peterwardein (5. Aug. 1716) und bei Belgrad (16. Aug. 1717) völlig besiegte und die Pforte im Frieden von Passarowitz (21. Juni 1718) zur Abtretung des Banats, von fünf Distrikten der Kleinen Walachei und Serbiens zwischen der Morawa und Drina zwang. Doch gereichten diese Erwerbungen. Österreich nicht zum Heil und wurden auch nicht lange behauptet. In den Niederlanden und in den italienischen Besitzungen verschlang die Verwaltung alle Einnahmen; dagegen nahmen diese Lande einen Teil des Heers in Anspruch und verursachten wiederholt diplomatische Verwickelungen, da die Bourbonen immer wieder ihre begehrlichen Blicke nach ihnen richteten. Karl VI. wurde hierdurch ganz von der innern. Verwaltung abgezogen, die in den zerrütteten Zustand der Zeit Leopolds I. zurücksank. Die höchsten Beamtenstellen wurden nach der Gunst des Hofs vergeben, die niedern Beamten waren träge, nachlässig und bestechlich. Die Einnahmen des Staats, ungeschickt verwaltet und am unrechten Ort verschwendet, reichten nie zur Deckung der Ausgaben, geschweige denn zur Schuldentilgung aus. So wurde selbst das Heer vernachlässigt: es war nie vollzählig, über die ganze Monarchie in Garnisonen verstreut, mangelhaft ausgerüstet und geschult, die Festungen vernachlässigt und meist nicht verteidigungsfähig.

Seit 1716 beschäftigte den Kaiser fast ausschließlich die Regelung der Thronfolge in seinen Landen. Karl VI. (s. Karl 7) hatte nämlich ebenfalls keine Söhne. Er erließ daher eine neue Thronfolgeord-^[folgende Seite]