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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Österreichisch-Ungarische Monarchie

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Österreichisch-Ungarische Monarchie (Geschichte: 1608-1671).

werden sollte, und Rudolf II. gab den Böhmen den Majestätsbrief. Nachdem er infolge eines Versuchs, mit Gewalt die frühere Herrschaft wiederzugewinnen, 1611 auch zum Verzicht auf die böhmische Krone gezwungen worden war, starb Rudolf 20. Jan. 1612. Ihm folgte Matthias, der am 13. Juni 1612 auch zum deutschen Kaiser gewählt wurde.

Matthias lenkte in Deutschland und in Österreich mehr und mehr in eine kirchliche Restaurationspolitik ein, für welche der spanische Hof und die Erzherzöge, namentlich Ferdinand von Steiermark, der zum Nachfolger des Kaisers bestimmt wurde, entschieden eintraten. Aber in den vorangegangenen Wirren und dem Streit zwischen den Brüdern hatten die Stände ihre Macht und ihre Ansprüche gesteigert, und als Matthias den Majestätsbrief nach katholischer Deutung handhabte, veranlaßte er den Aufstand der Böhmen 23. Mai 1618 und damit den Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs. Er starb, als die aufständischen Böhmen schon die österreichische Grenze überschritten hatten, 20. März 1619; ihm folgte Ferdinand von Steiermark, der als Ferdinand II. (1619-37) 28. Aug. auch zum Kaiser gewählt wurde. Seine Lage war aber anfangs sehr gefährdet. Denn nicht nur die österreichischen Stände erhoben gegen seine Thronfolge Einspruch, die Böhmen erklärten ihn sogar für abgesetzt und wählten an seiner Stelle 26. Aug. 1619 den Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz. Zweimal drangen die Böhmen unter Thurn in Österreich ein und lagerten sich unter den Mauern von Wien; im Osten war Bethlen Gabor, seit 1613 Fürst von Siebenbürgen, im Bund mit den Türken ein gefährliche Feind: da rettete der Sieg am Weißen Berg 8. Nov. 1620 den Kaiser aus allen Bedrängnissen. Böhmen wurde völlig unterworfen, die österreichischen Stände zur Huldigung gezwungen, und nach dem Muster des böhmischen Religionspatents vom 31. Juli 1627, welches alle Andersgläubigen rücksichtslos aus dem Königreich verbannte, wurde in den übrigen habsburgischen Ländern verfahren, um die neue Lehre auszurotten. Zwar kam es den gewaltsamen Bekehrungsmaßregeln gegenüber zu Aufständen, so besonders in dem an Maximilian von Bayern für die böhmischen Kriegskosten verpfändeten Oberösterreich, wo sich die Bauern im Mai 1625 unter Anführung von Stephan Fladinger erhoben; indessen die Empörung wurde durch überlegene Truppenmassen blutig niedergeschlagen. Im Osten wurde die Gefahr für Österreich vermindert durch einen Vertrag mit den Türken (1627) auf Grund des Friedens von Zsitwa-Torok und durch den Tod Bethlen Gabors (15. Nov. 1629). Ja, in Deutschland schienen die Siege Tillys und Wallensteins über die evangelischen Reichsstände im weitern Verlauf des Dreißigjährigen Kriegs dem Haus Habsburg die Möglichkeit zu eröffnen, die Kaiserwürde in eine wirkliche monarchische Gewalt zu verwandeln und Deutschland unter habsburgischem Zepter zu einigen. 1629 hielten kaiserliche Truppen fast ganz Deutschland besetzt, Reichsfürsten waren geächtet und flüchtig, und niemand wagte mehr, sich offen gegen den Kaiser aufzulehnen. Aber bei Ferdinand überwog der kirchliche Eifer den dynastischen Ehrgeiz. Das Restitutionsedikt, die Entlassung Wallensteins und die Landung Gustav Adolfs entrissen dem Habsburger mit einemmal alle Erfolge, und um die Sachsen aus Böhmen zu vertreiben und seine Erblande vor dem siegreichen Schwedenkönig zu schützen, mußte Ferdinand II. 1632 alle militärische Gewalt Wallenstein überlassen. In dem weitern wechselvollen Verlauf des Kriegs wurden auch die habsburgischen Lande wiederholt Schauplatz der verheerenden Kämpfe, und 1645 drangen schwedische Truppen unter Torstensson bis unter die Mauern von Wien vor. Das Eingreifen Frankreichs in den deutschen Krieg wurde Österreich besonders nachteilig, und nachdem schon Ferdinand II. im Prager Frieden 1635 auf das Restitutionsedikt hatte verzichten und die Lausitz an Sachsen hatte abtreten müssen, verlor sein Nachfolger Ferdinand III. (1637-57) im Westfälischen Frieden 1648 die alten habsburgischen Besitzungen im Ober- und Unterelsaß nebst der Festung Breisach an Frankreich. Die kaiserliche Gewalt ging nicht gekräftigt, sondern geschwächt aus dem Krieg hervor, und der Zusammenhang Österreichs mit dem übrigen Deutschland wurde immer lockerer. Die Bestimmungen des Westfälischen Friedens über die kirchlichen Verhältnisse wurden auf Österreich nicht ausgedehnt, wo die Reformation unterdrückt blieb, und die Reichsgesetze fanden auf Österreich keine Anwendung. So schied es sich geistig und politisch von Deutschland.

Die letzten Habsburger.

Auf Ferdinand III. folgte, da der älteste Sohn, Ferdinand, der 1653 zum römischen König gewählt worden, bereits 9. Juli 1654 gestorben war, sein zweiter Sohn, Leopold I. (1657-1705), der 1658 auch zum deutschen Kaiser gewählt wurde. Die lange Regierung dieses Habsburgers war für Österreich eine bedeutungsvolle und schließlich erfolgreiche, obwohl er geringe Herrschergaben entwickelte, die Verwaltung in ihrem alten Geleise beließ, Verschwendung am Hof und Bestechlichkeit der Beamten duldete, so daß die Finanzen sich in kläglichem Zustand befanden, durch seinen fanatischen Bekehrungseifer die protestantischen Ungarn zu Empörungen zwang und sich in seiner auswärtigen Politik vom spanischen Einfluß leiten ließ. Nur das Heerwesen war in genügendem Stande, da hier noch die glänzenden Traditionen des großen Kriegs wirksam waren. Aber die echt habsburgische Zähigkeit, mit der Leopold, durch kein Mißgeschick abgeschreckt, an seinen Zielen festhielt, bewirkte, daß er endlich die österreichische Machtstellung in Europa bedeutend erhöhte; der innere Organismus war aber nicht gesund und lebenskräftig.

Österreich hatte unter Leopold I. nach zwei Seiten hin zu kämpfen. Zunächst fielen die Türken von neuem in Ungarn ein. Ein österreichisches Heer, welches sie bei Gran am Überschreiten der Donau hindern wollte, wurde zurückgeschlagen (Aug. 1663), und die türkischen und tatarischen Scharen drangen plündernd und brandschatzend bis Brünn und Olmütz vor. Durch den Sieg Montecuccolis bei St. Gotthardt a. d. Raab (1. Aug. 1664) wurden die Türken zu dem Frieden von Vasvár bewogen, der Österreich zwar keine Gebietsvergrößerung, aber Ruhe und die Möglichkeit gewährte, die Herrschaft in Ungarn zu befestigen und die ständischen Rechte und die Religionsfreiheit der Ungarn zu beschränken. Eine Verschwörung der Magnaten hiergegen wurde unterdrückt und blutig bestraft (1665-71). Als Emmerich Tököly, das Haupt der Ungarn, die für ihre alte Verfassung und für den in grausamer Weise verfolgten Protestantismus kämpften, die Türken endlich um Hilfe bat, rückten diese 1683 unter dem Großwesir Kara Mustafa, 200,000 Mann stark, sengend und brennend bis vor Wien, das zwei Monate lang belagert, aber durch die tapfere Besatzung und die Bürgerschaft erfolgreich verteidigt wurde, während der kaiserliche Hof nach Passau geflüchtet war. Ein kaiserliches und Reichsheer unter Karl von Lothringen und die Polen unter