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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ostpreußen

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Ostpreußen (Geschichte von Altpreußen).

sprechen ab, sich taufen zu lassen. Weitere Erfolge in der Unterwerfung der immer wieder gegen die Polenherrschaft und gegen das Christentum sich auflehnenden Preußen hatten Kasimir I., Boleslaw II., der Kühne, welcher 1064 an der Ossa wiederholt über ein großes Preußenheer siegte, und Wladislaw I. Hermann, welcher die verbündeten Preußen und Pommern bei Nakel aufs Haupt schlug (1091). Als jedoch innere Unruhen und Thronstreitigkeiten in Polen ausbrachen, schüttelten die Preußen das polnische Joch nicht nur wieder ab, sondern fielen auch oft raubend und plündernd in Polen ein. Die Versuche, das Christentum unter ihnen auszubreiten, wurden erst seit 1208 von dem Mönch Christian von Oliva wieder aufgenommen, der 1215 zum ersten Bischof von Preußen erhoben ward. Allein seine Hoffnungen auf die endliche Christianisierung des Landes scheiterten an der Furcht der Preußen, mit der Annahme des Christentums ihre Unabhängigkeit einzubüßen. Die Preußen fielen seit 1223 wiederholt in das Kulmer Land ein und verheerten auch Masovien. Bischof Christian gründete darauf nach dem Muster der Schwertbrüder in Livland 1225 zu Dobrin an der Drewenz den Orden der Ritter Christi; indes auch dieser vermochte nichts auszurichten, in zahlreichen Verheerungszügen vernichteten ihn die Preußen.

Christian und Konrad von Masovien suchten und sanden nun 1226 Hilfe bei dem Deutschen Orden (s. d.), dessen Hochmeister damals Hermann von Salza war. Dieser übernahm den Kampf gegen die Preußen und ließ sich vom Kaiser Friedrich II. das Kulmer Land und Preußen als Lehen des Reichs und die Reichsfürstenwürde übertragen. Auch der Papst Gregor IX. bestätigte später die Schenkung. Auf dem linken Weichselufer, dem jetzigen Thorn gegenüber, wurde 1229 die erste Deutschordensburg, Vogelsang, erbaut. 1230 sendete Hermann von Salza eine größere Zahl von Ordensritter (20) mit 200 Knappen und Hermann Balk als erstem Landmeister nach Preußen. Sie legten als Rückhalt für ihre Streifzüge die Burgen Thorn und Kulm an. Nun strömten, als die Kirche in Deutschland das Kreuz gegen die heidnischen Preußen predigte und den Kreuzfahrern dieselben Gnadenschätze wie denen nach Jerusalem verhieß, zahlreiche Pilger herbei, welche unter dem Befehl der Ordensritter durch todesmutigen Kampf sich den versprochenen Himmelslohn verdienen wollten. Ihnen folgten zahlreiche deutsche Ansiedler, Kaufleute, Handwerker und Bauern, welche das Deutschtum immer weiter ausbreiteten. Bereits 1232 entstanden um die Burgen die Städte Kulm und Thorn. Der Orden begünstigte die Einwanderung, welche seine Eroberungen dauernd sicherte, durch große Privilegien und gewährte den Städten durch die "Kulmer Handfeste" selbständige Verwaltung. Durch immer neue Scharen Kreuzfahrer unterstützt, befolgte er fortan bei seinen Eroberungen einen bestimmten Plan; mit jedem Schritte, den er weiter vorwärts drang, legte er Burgen an, so 1233 Marienwerder in Pomesanien, 1237 Elbing in Pogesanien, besetzte sie mit Mannschaft und bevölkerte die daneben errichteten Städte mit deutschen Einwanderern. Zu diesen kamen nun auch die Kaufleute der Hanse, namentlich lübische, welche um die Burg Elbing eine Stadt bauten. 1237 wurde auch der livländische Schwertbrüderorden mit dem Deutschen Orden vereinigt.

Die Preußen setzten dem Orden einen sehr hartnäckigen Widerstand entgegen; da aber die Stämme meist einzeln für ihre Freiheit stritten, so wurde dem Orden ihre endliche, wenn auch nur allmähliche Bezwingung wesentlich erleichtert. Erst als die Preußen die drohende Gefahr völliger Unterjochung erkannten, erhoben sich 1242 die unterworfenen Stämme; die noch freien brachen in das Ordensgebiet ein, während Herzog Swantopolk von Pommern von der andern Seite dasselbe angriff. Nach langem, gefahrvollem Kampf wurde Swantopolk 1248 zum Frieden gezwungen, die Aufständischen 1253 wieder unterjocht, und der Orden und die Kreuzherren konnten wieder erobernd vorgehen. Die Landschaften Barten und Galinden wurden bald unterworfen. Bald darauf (1255) traf abermals ein Kreuzheer von 60,000 Mann, welches der König Ottokar von Böhmen und der Markgraf Otto von Brandenburg befehligten, an der Weichsel ein. Nun wurde ganz Samland unterworfen, und ein großer Teil der Einwohner, die Edlen voran, ließ sich taufen. Auch wurde in dem Walde Twangste eine Burg errichtet, welche, wie die nachher dabei erbaute Stadt, dem König Ottokar zu Ehren den Namen Königsberg erhielt. Da indes mit der wachsenden Macht des Ordens auch die Behandlung des unterworfenen Volkes immer härter und willkürlicher wurde, ward diesem das Joch endlich unerträglich, und als 1260 der Orden an der Durbe in Livland von den Litauern eine schwere Niederlage erlitten hatte, kam es zu einer offenen und allgemeinen Empörung. Die Leiter des Aufruhrs, Glande aus Samland, Herkus Monte aus Natangen, Glappo aus Warmien, Auktumo aus Pogesanien, Diwan aus Barten, erfochten Sieg auf Sieg, zerstören Burgen, Kirchen und Städte; aber während der Orden den todesmutigen Preußen immer neue Kreuzheere entgegenwarf und die Verluste der Niederlagen aus der unerschöpfliche Volkskraft Deutschlands ersetzte, verbluteten sich die Preußen in langem Vernichtungskampf. Einer ihrer Führer nach dem andern fiel, zuletzt der tüchtigste und tapferste, Monte (1271). Im J. 1275 wurde Nadrauen, 1276 Schalauen, endlich 1283 nach sechsjähriger hartnäckiger Verteidigung der letzte noch freie Preußenstamm, die Sudauer, unterworfen. Die wenigsten der Überlebenden nahmen das Christentum an und blieben wohnen, viele wanderten nach Litauen aus. So hatte der Orden nach 53jährigem hartnäckigen und wechselvollen Kampf endlich sein Ziel, die Eroberung und völlige Unterwerfung Preußens, erreicht.

Unter der weisen Regierung vortrefflicher Hochmeister, deren Residenz seit 1309 Marienburg war, blühte der Ordensstaat daher wunderbar auf. Krieg wurde nur noch gegen die heidnischen Litauer geführt, gegen welche fast alljährlich "Kriegsreisen" unternommen wurden, meist von "Gästen", Kreuzfahrern aus Deutschland, Frankreich und England, die nicht selten Heere von 60,000 Mann bildeten. Im Innern herrschen Friede, Recht und Gesetz. Die Einwohner, durch zahlreiche Einwanderung von deutschen Bürgern und Bauern bald germanisiert, regierten sich in ihren Städten und Gemeinden selbst und zahlten wenig Abgaben. Besonders der Handel entwickelte sich zu großer Blüte. Mittelpunkt desselben war das seit 1310 im Besitz des Ordens befindliche Danzig. Auch das Ordensgebiet vergrößerte sich: 1310 wurde Pommerellen, 1398 die Insel Gotland erobert, 1346 Esthland von den Dänen, 1402 die Neumark von Brandenburg erworben; es reichte von der Oder bis zur Düna und umfaßte 170,000 qkm (3000 QM.) mit 55 Städten, 20,000 Dörfern, 2000 Edelhöfen, 48 festen Schlössern. Die Glanzzeit des Ordens war die Regierung des Hochmeisters Winrich von Kniprode (1351-82). Unter ihm wurde der gefeierte Sieg bei Rudau (17. Febr. 1370) über die litauischen