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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Oströmisches Reich

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Oströmisches Reich (545-787).

lisar begonnenen, durch Narses beendeten Krieg das Ostgotenreich in Italien erobern (555). Diese Erfolge erregten die Furcht des Perserkönigs Chosru I. Nuschirwan, welcher 540 den Krieg erneuerte, in Syrien einfiel, Antiochia verbrannte und schon Palästina und die heilige Stadt Jerusalem bedrohte, als Belisars Erscheinen ihn zum Rückzug bewog. Nach langen Unterhandlungen, welche durch Streitigkeiten über den Besitz der östlichen Küstenländer am Schwarzen Meer (Lazica und Kolchis) unterbrochen wurden, kam endlich 561 ein neuer Friede zu stande, der die Grenzen beider Reiche im wesentlichen so ließ, wie sie vor dem Krieg bestanden hatten. Auch in die Verhältnisse des Westgotenreichs griff Justinian ein, indem er, von Athanagild, dem Anstifter einer Empörung, eingeladen, eine Flotte und ein Heer nach Spanien sandte (554), den Westgotenkönig schlug und ihm eine Anzahl von Seestädten abnahm, die indessen zum Teil schon unter Justinian selbst, zum Teil unter seinen Nachfolgern wieder verloren gingen.

Der Glanz, den Justinian dem oströmischen Reich verliehen, erlosch bald. Schon unter seinem nächsten Nachfolger, seinem Neffen Justinus II. (565-578), begannen die Eroberungen der Langobarden in Italien (568), erneuerte Chosru den Krieg mit der Eroberung von Dara, der wichtigsten Stadt Mesopotamiens (572), so daß der Kaiser, um eine Stütze zu haben, den Befehlshaber der Leibwache, Tiberius, zu seinem Mitregenten und Nachfolger ernannte. Dieser, ein edler Fürst von sittenreinem Leben, 578-582 regierend, kämpfte glücklich gegen Chosru, den sein Feldherr Justinian 579 bei Melitene in Syrien besiegte, worauf er ihn bis in das Innere seines Reichs verfolgte und sich schon seiner Hauptstadt näherte, als der greise König starb. Dem Tiberius folgte dessen auf seinem Sterbebett zum Nachfolger ernannter tapferer Feldherr und Schwiegersohn Maurikios (582-603); gegen ihn wurde auf einem Feldzug gegen die Avaren von den meuterischen Soldaten ein unbekannter Hauptmann, Namens Phokas, zum Kaiser ausgerufen (Oktober 602) und von der Bevölkerung der Hauptstadt mit Jubel begrüßt. Seine Regierung (603-610) ist erfüllt von Akten unmenschlicher Grausamkeit: 603 wurde Maurikios mit seinen fünf Söhnen ermordet, kurz darauf seine Gemahlin Konstantina nebst drei schuldlosen Töchtern; selbst der tapfere Feldherr Narses, welcher unter Maurikios glücklich gegen die Perser gekämpft hatte, mußte auf dem Markte der Hauptstadt den Feuertod erleiden. Als Phokas endlich das Leben seines eignen Schwiegersohns Crispus bedrohte, reizte dieser den Sohn des Statthalters von Afrika, Heraklios, zum Aufruhr. Derselbe segelte 610 nach Konstantinopel, Phokas wurde gefangen genommen und getötet, und Heraklios bestieg den byzantinischen Thron, den er bis 641 innehatte. Unter seiner Regierung beginnen von neuem die Perserkriege. Chosru II. eroberte 614 Jerusalem, unterwarf 616 Ägypten und schlug sein Lager der Hauptstadt gegenüber in Chalcedon auf. Schon wollte der bedrängte Kaiser nach Karthago fliehen, ließ sich jedoch vom Patriarchen überreden zu bleiben, erkaufte, um Zeit zu Rüstungen zu gewinnen, den Abzug der Perser gegen einen schweren Tribut und begann 622 den Krieg gegen sie von neuem, der am 1. Dez. 627 mit der siegreichen Schlacht auf den Ruinen von Ninive und nach dem Tod Chosrus II. (628) mit einem Frieden endigte, der beide Reiche in ihren alten Grenzen herstellte.

Jedoch verlor Heraklios darauf Syrien nebst Palästina und Phönikien (634-639) und Ägypten (640) an die Araber, nachdem ihm schon vorher (624) die letzten Besitzungen in Spanien von den Westgoten entrissen worden waren. Ihm folgte sein Sohn aus erster Ehe, Konstantin III., dem als Mitregent Herakleonas, der Sohn seiner zweiten Gemahlin, Martina, zur Seite gesetzt war; Konstantin starb bald darauf (22. Juni 641), Herakleonas und seine Mutter wurden vertrieben und Constans II. (641-668), der Sohn Konstantins, auf den Thron erhoben. Verschiedene von ihm verübte Frevel, wie die Ermordung seines Bruders Theodosius (660), reizten das Volk so gegen ihn auf, daß er 661 die Hauptstadt verließ und nach Sizilien ging, wo er in Syrakus (668) ermordet wurde. In die Regierung seines Sohns und Nachfolgers Konstantin IV. (668-685), mit dem Beinamen Pogonatos ("der Bärtige"), fällt die erste Belagerung Konstantinopels durch die Araber (668 bis 675), das nur durch das griechische Feuer gerettet wurde. Zehn Jahre lang ertrugen die Unterthanen die Grausamkeiten seines Sohns Justinian II., dessen erste Regierungsperiode von 685 bis 695 reicht, da erregte Leontios, ein Feldherr von Ruf, einen Aufstand, Justinian wurde verstümmelt (davon sein Beiname "Rhinotmetos") und verbannt und Leontios (695-698) auf den Thron erhoben. Er wurde gestürzt und verstümmelt von Apsimar, der an seine Stelle trat und unter dem Namen Tiberius III. regierte (698-705). Nach zehnjähriger Abwesenheit kehrte Justinian II. an der Spitze eines bulgarischen Heers von 15,000 Reitern nach Konstantinopel zurück und nahm den Thron seiner Vater wieder ein. Diese zweite Regierungsperiode (705-711) ist eine sechsjährige Tyrannei, wie Rom und Byzanz noch keine erlebt, die erst mit der Ermordung des Kaisers endigte.

In rascher Reihenfolge regierten dann der Armenier Bardanes unter dem Namen Philippicus (711-713), Anastasius II. (713-716) und Theodosius II. (716-718), bis mit Leo III., dem Isaurier (718-741), ein neues Herrschergeschlecht auf den Thron kam. Nachdem dieser 718 einen neuen Angriff der Araber auf seine Hauptstadt glücklich abgeschlagen hatte, veranlaßte er durch das Verbot der abgöttischen Bilderverehrung 726 den langwierigen und verderblichen Bilderstreit, der das Volk in die zwei Parteien der Bilderdiener (Ikonodulen) und Bilderstürmer (Ikonoklasten) spaltete und über ein Jahrhundert Reich und Thron erschütterte. Eine Folge jenes Verbots war der Verlust des Landstrichs von Ravenna und Ancona, dessen Bewohner sich lieber unter die Herrschaft der Langobarden stellten (728), als dem Bilderdienst entsagten; vergeblich war der Versuch des Kaisers, das Land mit Waffengewalt zurückzuerobern (733). Ein ebenso heftiger Gegner des Bilderdienstes wie Leo war sein Sohn und Nachfolger Konstantin V. Kopronymos (741-775), der zwar von dem Vorwurf der Grausamkeit nicht freizusprechen ist, aber mit Ehren und Tapferkeit das Reich gegen innere und äußere Feinde schützte; so unterdrückte er mit kräftiger Hand einen Aufstand, den sein Schwager Artavasdes in Konstantinopel erregt hatte, als er selbst auf einem Feldzug gegen die Sarazenen begriffen war (742), und kämpfte glücklich gegen diese sowie gegen die Bulgaren. Ihm folgte sein Sohn Leo IV. (775-780), diesem dessen zehnjähriger Sohn Konstantin VI. Porphyrogennetos, bis 792 unter der Vormundschaft seiner herrschsüchtigen Mutter Irene, welche durch die zweite Synode von Nikäa (September und Oktober 787) auf kurze Zeit die Bil-^[folgende Seite]