555
Oestrus - Ostsee.
ständigen Staat beansprucht hatte, der Türkei erhalten und dem russischen Machtbereich entzogen bleiben. Doch zog sich die Organisation der neuen Provinz lange hin, da die Russen O. erst im Juli 1879 völlig räumten. Schon vorher aber war von einer europäischen Kommission ein organisches Verfassungsstatut für O. ausgearbeitet und von der Pforte genehmigt worden, die nun den Fürsten Vogorides als Aleko Pascha auf fünf Jahre zum Generalgouverneur ernannte; derselbe hielt 28. Mai 1879 seinen Einzug in Philippopel, ernannte fast nur Bulgaren zu Generalsekretären (Ministern) und Präfekten und regierte im Einverständnis mit Rußland ganz nach den Wünschen der bulgarischen Bevölkerung. Die erste Provinzialversammlung (Narodny Sobranje, aus 56 Deputierten bestehend) ward 3. Nov. 1879 eröffnet und verhielt sich gemäßigt. Dagegen betrieben die Turnvereine und die Milizen ganz ungescheut eine großbulgarische Agitation, deren Ziele die Vereinigung mit Bulgarien und die Erregung eines Aufstandes der Bulgaren in Makedonien waren. Dieselbe ward von den russischen Generalkonsuln Tscheretlew und Krebel begünstigt, vom türkischen Befehlshaber der Miliz, Strecker Pascha, vergeblich bekämpft. Aleko Pascha sah sich endlich auch genötigt, den Umtrieben der Russen entgegenzutreten und 1882 den persönlichen Verkehr mit dem Generalkonsul v. Krebel abzubrechen. Deshalb erhob Rußland 1884 gegen seine Wiederernennung Einspruch, worauf die Pforte den bisherigen Leiter des Justizdepartements in O., Chrestovitsch, als Gavril Pascha auf fünf Jahre zum Generalgouverneur ernannte. Derselbe, obwohl Bulgare und ein wohlwollender Mann, vermochte die Schwierigkeiten seiner Stellung nicht zu überwinden. Einerseits war er als türkischer Beamter der Pforte Gehorsam schuldig und durfte die Ausschreitungen der Bulgaren gegen die Türken nicht ungestraft lassen; auch verlangte die Pforte endlich Zahlung des schuldigen, aber nie gezahlten Tributs (240,000 Pfd.). Anderseits machte er sich durch sein Streben, seine Pflicht zu erfüllen, bei den Bulgaren unbeliebt und besaß nicht die Energie, sich Respekt zu verschaffen. Er wurde daher durch eine unblutige Revolution der Milizen 17. Sept. 1885 gestürzt; man verhaftete ihn und schaffte ihn über die Grenze, während gleichzeitig eine provisorische Regierung unter Stranski eingesetzt wurde. Diese proklamierte die Vereinigung Ostrumeliens mit Bulgarien, und Fürst Alexander erkannte dieselbe durch Erlaß vom 20. Sept. an; er nannte sich Fürst von Nord- und Südbulgarien. Die Pforte protestierte, schritt aber nicht mit Gewalt ein und ließ es geschehen, daß der Fürst sich in O. huldigen ließ, und daß ostrumelische Truppen am Krieg Bulgariens gegen Serbien teilnahmen. Sie übertrug die Regelung der Sache den Mächten, deren Gesandte in Konstantinopel zu diesem Zweck zusammentraten. Die Mächte würden die Union wohl gebilligt und die Verschmelzung der beiden Länder gestattet haben, wenn nicht Rußland aus Haß gegen den Fürsten Alexander Hindernisse in den Weg gelegt hätte. Das türkisch-bulgarische Abkommen vom April 1886 bestimmte daher bloß, daß Alexander auf fünf Jahre zum Generalgouverneur von O. ernannt, die Revision des organischen Statuts durch eine türkisch-bulgarische Kommission erfolgen und bis dahin die Verwaltung Ostrumeliens der Weisheit und Treue des Fürsten überlassen werden solle. Noch vor der Revision berief Alexander 14. Juni eine bulgarische Nationalversammlung nach Sofia und schickte sich an, mit derselben die völlige Union durchzuführen, als er selbst 21. Aug. gestürzt wurde und nach seiner Rückkehr abdankte. Die ostrumelischen Deputierten nahmen zwar an der im Herbst 1886 in Tirnowa zusammentretenden bulgarischen Sobranje u. der Wahl des Fürsten Ferdinand 1887 teil, u. die Union blieb thatsächlich bestehen, wie denn der Regent und Ministerpräsident Stambulow und andre bedeutende Beamte u. Offiziere in Bulgarien aus O. stammten. Doch ward die Union weder von der Pforte noch von den Mächten anerkannt. Vgl. Gopčević, Bulgarien u. O. (Lpz. 1886).
Oestrus, Schafbremse, s. Bremen, S. 384.
Ostrya L. (Hopfenbuche), Gattung aus der Familie der Kupuliferen, Bäume und Sträucher mit hartem Holz, nicht stielrundem Stamm, ziemlich glatter Rinde, länglichen oder länglich-lanzettförmigen, gesägten Blättern, monözischen Blüten in Kätzchen und häutiger, blasiger, mit ihrem Grunde die Nuß völlig einhüllender Kupula. Zwei Arten. O. carpinifolia Scop. (gemeine Hopfenbuche, Hopfenhainbuche), ein kleiner Baum mit dicht geschlossener Krone oder ein Strauch, in ganz Südeuropa und dem Orient, mit eigentümlichen, denen des Hopfens ähnlichen, bis 5 cm langen, aufrechten Blütenständen, wird in Parkanlagen angepflanzt.
Ostsee (Baltisches Meer), das große, im allgemeinen von SW. nach NO. gestreckte, in seinem nördlichen Teil gabelförmig gespaltene Meeresbecken im N. Europas, das durch den Sund, den Großen und Kleinen Belt mit dem Kattegat und der Nordsee zusammenhängt und von Dänemark, Deutschland (lübeckisches und oldenburgisches Gebiet, Mecklenburg, Preußen), Rußland und Schweden umschlossen wird. Das Becken hat eine größte Länge von 1550 und zwischen Deutschland und Schweden eine Breite von 75-220 km und bedeckt ein Areal von ca. 415,480 qkm (7546 QM.); die Küstenlänge beträgt etwa 8100 km. Die O. hat ganz den Charakter eines Binnenmeers. Die Tiefe ist sehr verschieden, im ganzen aber gering (im Mittel nur 36 m) und im allgemeinen von W. nach Osten zu abnehmend; die tiefste Stelle (395 m) findet sich bei der Insel Gotland. Das Wasser ist kälter und klarer als das des Ozeans und enthält auch infolge der geringen Verbindung mit dem offenen Meer und der zahlreichen in die O. mündenden Flüsse siebenmal weniger Salzgehalt als jener (im ganzen nur 0,49 Proz.). Mitte Dezember bilden sich an den nördlichen Meeresküsten breite Ränder von Eis, welche sich über die schmälern Buchten und Kanäle ausdehnen und die Schiffahrt auf Monate hemmen. In besonders kalten Jahren frieren nicht nur größere Teile der O. zu, wie z. B. im Winter von 1875-76 der Bottnische Meerbusen, sondern auch der ganze weite Spiegel derselben wurde schon mehrmals mit einer zusammenhängenden, festen Eisdecke überzogen, so in in den Jahren 1323, 1459 und 1709. Ebbe und Flut sind in der O. kaum bemerkbar; die Fluthöhe beträgt in der Regel nur 23 cm und steigt nur bei Falster auf 62 cm. Die Wellen sind an und für sich minder stark als in der Nordsee und den Seefahrten nicht gefährlich, dagegen bringt der häufig eintretende von heftigen Stürmen begleitete Wechsel der Winde den Schiffen oft große Gefahr. Dessen ungeachtet ist die Schiffahrt auf der O. sehr lebhaft, und dieselbe wird von Dampfern und Segelschiffen nach allen Richtungen hin durchkreuzt. Im Osten läuft das Meer in zwei große Meerbusen aus, nordwärts in den Bottnischen Meerbusen (zwischen Schweden und Finnland), welcher im S. durch die Alandsinseln fast ganz geschlossen wird, ostwärts in den Finnischen