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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ostrumelien

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Ostrumelien.

gewissen Grad auf dem Gebiet des russischen Lustspiel der Nachfolger Gogols, insofern auch er in vielen seiner Stücke die Unwissenheit und Roheit, ein Erbe der vorpetrinischen Zeit, vom Standpunkt einer höhern Weltanschauung geißelt. Sonst ist er aber ein Dichter von origineller Kraft, von reicher Phantasie, von achtungsvoller Gestaltungsgabe, der das russische Lustspiel um viele vollendete und lebenswahre Typen bereichern hat. Seine besten Stücke sind: "Gleich und gleich verträgt sich" (1850), "Die arme Braut" (1852), "Armut schändet nicht" (1853), "Das Gewitter" (Drama, 1859), "Die Mitgiftlose" (1878) etc. Mit weniger Glück hat sich O. auf dem Gebiet der historischen Tragödie versucht; seine Stücke: "Dmitrij Ssamoswanetz i Wassilij Schuiskij", "Wassilissa Melentjewa" u. a. sind weiter nichts als dramatisierte Geschichte und haben nichts von dem großen Stil der echten historischen Tragödie. Er starb 2. Juni (a. St.) 1886 auf dem Gut Stschelykow im Gouvernement Kostroma. Seine gesammelten Werke erschienen in 10 Bänden (Petersb. 1887).

Ostrumelien, rechtlich eine Provinz des türk. Reichs (s. Karte "Türkisches Reich") mit administrativer Autonomie, welche nach Art. 1322 des Berliner Vertrags vom 13. Juli 1878 neu gebildet wurde und unter der direkten politischen und militärischen Autorität des Sultans, jedoch unter Verwaltung eines christlichen Generalgouverneur stehen soll, faktisch aber seit dem Staatsstreich vom 18. Sept. 1885 mit Bulgarien vereinigt ist. O. umfaßt das Gebiet der obern Maritza und Tundscha, wird im N. vom Balkan, im Osten vom Schwarzen Meer, im W. von der Wasserscheide zwischen Maritza und Isker und im S. vom Despoto Planina, der Arda und weiter östlich von einer gebogenen, zu beiden Seiten des 42. Breitengrades verlaufenden Linie begrenzt. Nach dem oben erwähnten Abkommen erhält indessen die Türkei, solange die Verwaltung Bulgariens und Ostrumeliens von Einer Person geführt wird, die beiden an der Südgrenze liegenden, von einer technischen Kommission zu umgrenzenden Bezirke Kerdschalü (etwa 850 qkm groß mit 1822,000 Einw.) und Rubdschuz (1150 qkm mit 1012,000 Einw.) zurück, wodurch sich die türkische Grenze der Hauptstadt Philippopel bis auf 22 km nähert und das Areal Ostrumeliens von 35,901 auf 33,900 qkm, seine Bevölkerung von (1885) 975,030 auf ca. 940,000 Seelen sinkt. O. ist zum größten Teil eine von Gebirgen (Balkan, Sredna Gora und Tscherna Gora, welche dem Balkan parallel ziehen, und Despoto Planina) eingeschlossene Thalebene, an welche sich östlich Hügelland anschließt. Hauptflüsse sind Maritza mit Topolnitza, Giopsa, Tundscha und Arda. Das Klima ist gesund trotz der starken Kälte im Winter, der heißen Sommer und der nebeligen Herbste. Offiziell wird die Bevölkerung für 1885 zu 975,030 Personen (1880: 815,946, davon 411,601 männlichen und 404,345 weiblichen Geschlechts) angegeben. Die Dichtigkeit der Bevölkerung betrug 27 auf 1 qkm. Darunter waren 1885: 681,734 christliche Bulgaren, 200,498 Türken und mohammedanische Bulgaren, 53,028 Griechen, 27,190 Zigeuner, 6982 Juden, 1865 Armenier und 3733 Fremde. Nur bei den Juden übersteigt die Anzahl der Frauen diejenige der Männer; bei den andern bleibt sie hinter derselben, wenn auch nicht bedeutend, zurück. Das Schulwesen Ostrumeliens war bereits unter der Türkenherrschaft ziemlich entwickelt, hat aber nach Einrichtung der Autonomie einen großen Aufschwung genommen. 1881 besuchten schon zwei Drittel der schulpflichtigen Kinder den Unterricht, und es gab 1412 Elementarschulen mit 80,591 Schülern (davon 23,789 Mädchen), 21 Bürgerschulen, 2 Realschulen und 2 höhere Mädchenschulen. Die Thalebene ist ungemein fruchtbar und produziert Weizen, Hafer, Gerste, Hirse, Mais, Reis und Tabak (1883: 472,000 kg) in Fülle und guter Qualität, ferner Wein (1883: 290,000 hl) und Nüsse; doch ist ein beträchtlicher Teil des Landes noch unangebaut. Immerhin leisten die Bewohner Treffliches in Ackerbau, Rosenölbereitung und Gärtnerei. Die Seidenwürmerzucht ist gegen früher zurückgegangen, und allgemein wird über Verfall von Industrie und Handwerk geklagt. Reich ist O. dagegen an Wald. Der Handel ist meist in den Händen von Ausländern. Der Abbau der Mineralschätze (Kohle, Eisen etc.) hat noch nicht einmal begonnen. Rascher wird sich O. erst entwickeln, wenn es nach N. und W. Eisenbahnanschlüsse erhält; die beiden vorhandenen Linien Adrianopel-Sarambei und Tirnowa-Jamboli sind vorderhand nur Sackbahnen. Die Rechte des Sultans in O., wie Ernennung des Generalgouverneurs, das Halten von Truppen und Errichten von Befestigungen, Ernennung der Offiziere der Gendarmerie und Lokalmiliz, welcher die Aufrechterhaltung der innern Ordnung obliegt, stehen lediglich auf dem Papier. Ebenso ist der auf 240,000 türk. Pfund festgesetzte Tribut Ostrumeliens seit dem Bestehen der autonomen Provinz nie vollständig bezahlt worden.

O. ist in sechs Departements (Philippopel, Eski Zagra, Chasköi, Sliwen, Tatar-Bazardschik und Burgas) geteilt, welche wieder in 28 Kantone zerfallen; das größte Departement ist Philippopel mit ca. 187,000 Einw., das kleinste Burgas mit ca. 88,000. Den verschiedenen Verwaltungszweigen stehen sechs Direktoren vor, je einer für das Innere, die Justiz, die Finanzen, für Ackerbau, Handel und öffentliche Arbeiten und der Generalkommandant der Miliz und Gendarmerie. Die Provinzialversammlung bestand früher aus 56 Deputierten, deren Zahl nach dem bulgarischen Wahlgesetz (ein Deputierter auf je 10,000 Einw.) beträchtlich erhöht wird; sie soll jährlich zwei Monate in regelmäßiger Session tagen. Ebenso sind bereits in O. oder, wie es jetzt genannt wird, Südbulgarien fast alle Gesetze und Reglements des Fürstentums Bulgarien eingeführt; Gerichte, Militär und dessen Uniformen, Verwaltung sind hier wie dort gleich; zahlreiche Beamte und Offiziere sind aus O. nach Bulgarien und umgekehrt versetzt worden. Auch ist das Budget Ostrumeliens seit Februar 1886 mit dem Bulgariens in eins verschmolzen, das Geld ist in beiden Ländern jetzt das gleiche. Die Jahresabschlüsse des ostrumelischen Staatshaushalts ergaben meist einen kleinen Überschuß, der aber nur dadurch zu stande kam, daß der türkische Tribut nur teilweise bezahlt wurde. O. stellt nach den Bestimmungen von Anfang 1886 zwei von je einem Obersten befehligte Brigaden zu je zwei Infanterieregimentern (zu je 4000 Mann), einem Kavallerie- und einem Artillerieregiment, welche als 5. und 6. Infanteriebrigade bezeichnet werden. Die bis dahin bestehende Sappeurkompanie, die Kavallerieschwadron und die halbe Batterie Artillerie sollten gleichfalls bulgarischen Truppenkörpern einverleibt werden, und die Einrichtung eines regelmäßigen Traindienstes wurde beabsichtigt. Hauptstadt des Landes ist Philippopel.

[Geschichte.] Die Provinz O. wurde durch den Berliner Vertrag vom 13. Juli 1878 geschaffen; durch diese Schöpfung sollte der südliche Teil Bulgariens, das Rußland im Frieden von San Stefano ganz als selb-^[folgende Seite]