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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Paris

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Paris (gelehrte Gesellschaften, Kunstschätze, Presse, Theater).

mentarschulen 340 öffentliche und 1020 Privatanstalten nebst 130 Elementarschulen für Erwachsene (cours d'adultes). Die Krone des gesamten geistigen Lebens von Frankreich bildet das 1795 ins Leben gerufene Institut de France (s. Akademie). Unabhängig von dem Institut besteht die aus diesem Jahrhundert datierende Académie de médecine, dann eine Legion sonstiger gelehrter Gesellschaften für alle Wissenschaften und Hilfswissenschaften, Künste und Berufszweige. Besonders reich ist P. an Bibliotheken, darunter die großartige Nationalbibliothek mit über 2 Mill. Bänden, 100,000 Handschriften, 1½ Mill. Stichen, Schnitten und Lithographien, zahlreichen Karten, 250,000 Medaillen und Münzen und einer wertvollen Sammlung von Antiken; Bibliothek Mazarin mit 200,000 Bänden, 4000 Handschriften, 80 Reliefmodellen; Bibliothek des Arsenals mit 200,000 Bänden, 8000 Handschriften; Bibliothek Ste.-Geneviève mit 160,000 Bänden, 3500 Handschriften; Bibliothek der Sorbonne mit 180,000 Bänden und 1000 Handschriften; Bibliothek Bourbon mit 80,000 Bänden; Bibliothek der École de médecine mit 35,000 Bänden. Sehr reich an historischen Dokumenten ist auch das Nationalarchiv. Unter den übrigen wissenschaftlichen Anstalten verdienen Erwähnung: die 2 Sternwarten, das Mineralienkabinett und das große naturhistorische Museum.

Kunstschätze, Theater, Presse.

In dem Reichtum und der Mannigfaltigkeit seiner Kunstschätze steht P. unübertroffen da, denn nirgends sind die Kunsterzeugnisse aller Länder und Zeiten vollständiger vertreten und übersichtlicher zusammengestellt als in der französischen Hauptstadt. Das Louvre allein kann dem Kunstfreund eine Reise durch alle Stätten der menschlichen Zivilisation ersparen. Im alten Louvrepalast und im südlichen Flügel des neuen Louvregebäudes sind, teilweise in prächtigen Räumen (darunter die Apollogalerie), nicht weniger als 17 bedeutsame Sammlungen aufgestellt und zwar: das assyrische und phönikische Museum, das ägyptische Museum, eine große Sammlung etrurischer und griechischer Vasen, die Kollektion Campana (4500 Gegenstände der griechischen und altitalischen, namentlich etrurischen, Töpferkunst nebst pompejanischen Wandgemälden), das Museum antiker Skulpturen (darunter Meisterwerke, wie die Venus von Milo, Diana mit der Hirschkuh, der Borghesische Fechter), die Sammlung antiker Bronzen, die altchristlichen und jüdischen Altertümer, die Sammlung von Skulpturen und kleinern Kunstwerken des Mittelalters und der Renaissance, die Sauvageotsche Sammlung verschiedener mittelalterlicher Kunstobjekte, die reichhaltige Gemäldegalerie, welche über 1800 Werke aller Schulen umfaßt (darunter Raffaels große heilige Familie und La belle jardinière, Veroneses Hochzeit zu Kana, Rubens' Gemälde zur Verherrlichung der Maria von Medici und Heinrichs IV. etc.), die Sammlung La Caze, gleichfalls mit wertvollen Gemälden, die Sammlung von Handzeichnungen (35,500 Blätter), die Sammlung von Kupferstichen (5000 Blätter), das Museum moderner Skulpturen, die Lenoirsche Sammlung (Lackarbeiten, Dosen, Miniaturen, Schmucksachen, chinesische Gegenstände etc.), das Marinemuseum und das ethnographische Museum. Kunst- und Prachtliebe der Monarchen, Kunstsinn und Liberalität der Nation wie Einzelner haben diese Sammlungen geschaffen. Dazu kommen aber noch das Museum im Palais Luxembourg, welches als Ergänzung der Louvremuseen in Bezug auf die Sammlung französischer Gemälde und Skulpturen, namentlich von Künstlern der Gegenwart, dient; das Musée de Cluny, welches in dem im 15. Jahrh. erbauten Hôtel de Cluny (an der Stelle römischer Thermen, von welchen noch zwei Baderäume erhalten sind) untergebracht ist und eine reiche Sammlung von Kunstgegenständen, Möbeln und Geräten aus dem Altertum, dem Mittelalter und der Renaissance enthält; das städtische Musée Carnavalet mit Bibliothek, die Münz- und Medaillensammlung im Hôtel des Monnaies und die mit einzelnen Unterrichtsanstalten verbundenen oben erwähnten Sammlungen nebst einer großen Zahl meist schwer zugänglicher Privatsammlungen. Überdies finden noch alljährlich im "Salon" Ausstellungen neuer Kunstwerke wie auch größere Spezialausstellungen im Industriepalast statt.

Wie die hauptstädtischen Zeitungen aller zivilisierten Länder, so ist auch die Tagespresse von P. ein getreuer Spiegel des geistigen und gesellschaftlichen Lebens der Nation. An Raschheit, Zuverlässigkeit und Mannigfaltigkeit der Informationen wird sie nicht nur von der englischen, sondern in neuerer Zeit auch von der deutschen und österreichischen Presse weit übertroffen. Das Institut der Spezialkorrespondenten in fremden Hauptstädten ist in ihr nur sehr spärlich entwickelt, wie denn der französische Zeitungsleser, obwohl auch hier die Ereignisse von 1870/71 belehrend gewirkt haben, für auswärtige Angelegenheiten noch immer wenig Verständnis und noch weniger Interesse hat. Die Kenntnis fremder Sprachen, selbst des Englischen, ist bei den Pariser Journalisten eine seltene Erscheinung, was natürlich den Wert ihrer Mitteilungen über auswärtige Vorgänge und Verhältnisse sehr herabdrücken muß. Dagegen liegt ihre Stärke in dem Schwung, der Klarheit und dialektischen Schärfe ihrer räsonierenden Artikel, des sogen. Premier-Paris, in welchem die bedeutendsten politischen Federn Frankreichs glänzen, da der Journalismus hier ohne den mühseligen Durchgang durch Prüfungen und langjährige Dienste direkt zu den höchsten Staatsämtern, zu parlamentarischen Stellen, zu einem Sitz in der Akademie führt. Sehr viele französische Staatsmänner haben daher eine Zeitlang in der Presse gewirkt, deren Organe selbstverständlich die bunteste Mannigfaltigkeit in Ton und Haltung wie Parteistellung zeigen. Der Gebrauch, die Artikel zu unterzeichnen, hat das Standesgefühl belebt und schützt vor gewissen Ausschreitungen, wenn auch nicht vor der in einzelnen vielgelesenen Blättern geflissentlich hervortretenden Frivolität und Skandalsucht, vor der Neigung zur Darstellung von Verbrechergeschichten, anstößigen Begebenheiten u. dgl.

Das Bühnenwesen steht in P. anerkanntermaßen auf einer sehr bedeutenden Höhe. Die französische Schauspielkunst, in den leichtern Gattungen des Konversationsstücks und der Posse, im drastischen Volksschauspiel und im blendenden Ausstattungsstück unübertroffen, bietet hier für alle diese Gattungen die hervorragendsten Muster. Die heroische, die komische Oper, die Operette, das Ballett verfügen, wenn nicht immer über die ersten künstlerischen Kräfte, so doch über das reichhaltigste und geschulteste Personal und Material. Das französische Theater trägt stets der augenblicklichen Richtung des Tags Rechnung und steht im engsten Zusammenhang mit dem Leben. Nur auf dem Gebiet der großen Oper ist die Produktion entschieden ermattet; Rossini, Meyerbeer, Auber und Halévy waren ihre letzten glänzenden Vertreter, und von ihren Schöpfungen zehrt noch heute fast ausschließlich die Pariser Oper, welche in dem neuen