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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Paris

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Paris (Handel, Wohlthätigkeits- und Bildungsanstalten).

und Bleicherei, die Eisengießerei und Gipserzeugung vertreten. Staatsmanufakturen bestehen in P. für Tabak, Münzprägung, Buchdruck, Tapeten (Gobelins), im nahen Sèvres für Porzellan.

Hand in Hand mit der hoch entwickelten Industrie geht der in P. konzentrierte und trefflich organisierte Handel. Beim Zollamt von P. wurden 1885 in der Einfuhr (ohne Edelmetalle) 4,561,071 metr. Ztr. Waren im Wert von 427 Mill. Frank, in der Ausfuhr 890,325 metr. Ztr. im Wert von 388 Mill. Fr. behandelt. Die Zolleinnahme betrug über 113 Mill. Fr. Die wichtigsten Einfuhrwaren sind: Wein, Zucker, Obst, Woll- und Baumwollwaren, Federn, Kakao, Kaffee, Papier und Bücher, Leder, Seidenwaren, Strohhüte. Die hauptsächlichsten Ausfuhrartikel sind: Seiden-, Woll- und Lederwaren, Schmuckfedern, Spielwaren, falscher Schmuck, Modewaren und Kunstblumen, Papier und Bücher, Leder, Kleider und Wäsche. Seit etwa zehn Jahren weist allerdings der Export von Pariser Artikeln eine bedeutende Abnahme auf. Als Kommunikationsmittel dienen dem Handel außer den schiffbaren Flüssen und Kanälen die von P. aus nach allen Teilen des Landes hin auslaufenden Eisenbahnen, deren Zentralverwaltung sich durchweg in P. befindet. Die Menge der mittels der Seineschiffahrt in P. angekommenen Waren beträgt jährlich 1,6 Mill., die der abgeschickten Waren 0,6 Mill. Ton. Hierzu kommt der durch den Canal de l'Ourcq von St.-Denis und St.-Martin vermittelte Warenverkehr, welcher in beiden Richtungen zusammen 3,3 Mill. Ton. ausmacht. Für den Lokalverkehr sorgen außer den Eisenbahnen (darunter die Gürtelbahn) und den Seinedampfern die Omnibusse und Tramways. Erstere hatten 1885: 587 Wagen, 8095 Pferde und beförderten 105,4 Mill. Personen, letztere hatten 262 Wagen, 3309 Pferde und beförderten 74,3 Mill. Personen. An Kreditinstituten besitzt P. vor allen die Bank von Frankreich, 1803 gegründet, mit dem Notenprivilegium versehen, mit 94 Filialen in ganz Frankreich und einem Aktienkapital von 182 Mill. Fr., ferner 26 bedeutendere Banken mit einem Aktienkapital von 862 Mill. Fr., eine Sparkasse mit einem Einlagenstand von 72,5 Mill. Fr., ein 1777 gegründetes Leihhaus (Mont de Piété) etc. Der Konsum der Pariser Bevölkerung ist naturgemäß ein außerordentlich großer. Er bezifferte sich 1885 an Fleisch und zwar Rind- und Schaffleisch auf 149,5, an Schweinefleisch auf 24,8 Mill. kg, an Wild und Geflügel 25,6, an Fischen 24,8, Austern 6,6, Butter 17,7, Eiern 21, Käse 5,3, Obst und Gemüse 233,4 Mill. kg, an Wein auf 4,6, Bier 0,3 Mill. hl, an Öl auf 15,2, Salz 14,5 Mill. kg, an Brennholz auf 0,7 Mill. Sters, an Holzkohle auf 5,1 Mill. hl, an Mineralöle auf 992,9 Mill. kg, an Gas auf 286,5 Mill. cbm.

An Wohlthätigkeitsanstalten besitzt P. 8 allgemeine Krankenhäuser (darunter das 1877 neugebaute Hôtel-Dieu, Lariboisière, Pitié etc.), 7 spezielle Krankenhäuser, 16 Anstalten für Irre, Sieche, Findelkinder etc., 20 Wohlthätigkeitsbüreaus nebst zahlreichen Asylen, Krippen, Werkhäusern und Unterstützungsgesellschaften.

Bildungsanstalten.

Wie in keinem andern Staat, ist in Frankreich auch das Unterrichtswesen in der Hauptstadt zentralisiert. In dem gesamten höhern Unterrichtswesen weht jetzt ein frischerer Geist, und man beginnt sich aus den alten ausgetretenen Bahnen zu entfernen und namentlich nach deutschem Muster Reformen vorzunehmen. Die älteste und bedeutendste der Pariser Hochschulen ist die 1253 von Robert de Sorbon gegründete, in der Geschichte der geistigen Bewegung des Mittelalters besonders hervorragende Sorbonne, in dem 1629 unter Richelieu, der in der Kirche der Anstalt beigesetzt ist, errichteten Gebäude noch heute Sitz zweier Fakultäten, nämlich der Naturwissenschaften und der schönen Litteratur, die ehrwürdige Wiege des höhern Unterrichts, der auch hier seine Feste und Preisverteilungen feiert. Die Juristen erhalten in der am Panthéonplatz gelegenen Faculté de droit, die Ärzte in der École de médecine (Amphitheater für 1400 Zuhörer) ihre Ausbildung. Die École pratique dient noch besonders für anatomische, chemische, physische, physiologische und biologische Studien und Übungen. Außer ihr gehören noch hierher die École de pharmacie, mehrere Écoles d'accouchement, die auf alle größern Hospitäler verteilten Kliniken, die anatomischen Sammlungen Orfila und Dupuytren und der Jardin des Plantes mit seinen reichen naturwissenschaftlichen Sammlungen. Alle bisher genannten Hochschulfakultäten haben zusammen über 200 Lehrstühle und mehr als 8000 Studierende. Zu den Hochschulen ist ferner zu rechnen das Collège de France, 1529 von Franz I. ins Leben gerufen, welches ebenfalls Unterricht in Litteratur, Geschichte, Naturwissenschaft und andern Fächern erteilt, dann die École pratique des hautes études, ein Staatsinstitut mit fünf Sektionen. Endlich ist in neuerer Zeit noch eine schnell emporblühende freie katholische Universität hinzugekommen. Für den höhern technischen Unterricht bestehen 4 Anstalten: die polytechnische Schule (École polytechnique), welche vom Kriegsministerium ressortiert, Militär- und Zivileleven umfaßt und einerseits die Ausbildung für die Artillerie, das Geniewesen und die Marine, anderseits für den Straßen- und Brückenbau, Bergbau, Staatsmanufakturen, Telegraphenwesen etc. bezweckt; die École nationale des ponts et chaussées, welche für die Heranbildung von Wegebauingenieuren, zunächst für den Staatsbaudienst, bestimmt ist; die École centrale des arts et manufactures, welche Ingenieure für alle Branchen der Industrie und für öffentliche Dienste, deren Leitung nicht den Staatsingenieuren obliegt, heranzieht; die École spéciale d'architecture, welche durch Privatmittel gegründet und für die Heranbildung von Architekten bestimmt ist. Die technischen Hochschulen haben zusammen 120 Lehrstühle und gegen 1500 Studierende. Das Konservatorium für Künste und Gewerbe ist eine höhere Fachschule und hat neben reichhaltigen Sammlungen von Maschinen, Instrumenten, landwirtschaftlichen und Industrieprodukten und einer Bibliothek 15 Kurse. Nennenswerte Fach- und Speziallehranstalten sind ferner: die École des chartes zur Ausbildung von Archivaren und Paläographen, die Spezialschule für lebende orientalische Sprachen, die höhere Normalschule für Mittelschullehrer, die École des mines für berg- und hüttenmännische Ausbildung mit mineralogischem u. geologischem Museum, die Tabaksmanufakturschule, die Schule der höhern Handelsstudien, das agronomische Nationalinstitut, die École des beaux-arts für Maler, Bildhauer, Architekten, Kupferstecher und Graveure mit einer Sammlung von Kunstwerken und Gipsabgüssen und berühmtem Wandgemälde von Delaroche, die Nationalschule der dekorativen Künste, das Nationalkonservatorium für Musik und Deklamation mit wertvollen Sammlungen musikalischer Instrumente, die höhere Kriegsschule, die höhere Marineschule und die Seegenieschule. P. zählt ferner an Mittelschulen 6 Lyceen, 3 Collèges und mehrere Privatunterrichtsanstalten, endlich an Ele-^[folgende Seite]