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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Paris

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Paris (Geschichte bis 1848).

gelegt und die Elysäischen Felder neu bepflanzt. In P. wurde 10. Febr. 1763 der Friede zwischen Frankreich und Spanien einer- und Großbritannien und Portugal anderseits geschlossen, welcher das Ende des Siebenjährigen Kriegs vorbereitete. Ludwig XVI. erbaute das Théâtre-Français, das Opernhaus (jetzt Porte St.-Martin) und die Italienische Oper (jetzt Opéra-Comique) und erweiterte den botanischen Garten (Jardin des Plantes). 1784 drangen die Generalpachter zur Verhütung des Schmuggels auf eine neue Umfriedigung der Stadt, und so wurde 1786 die zum Teil bis 1860 bestehende Ringmauer errichtet.

Die Revolution von 1789 tobte ganz besonders in P. Die Erstürmung der Bastille 14. Juli 1789 gab das Signal zu einer Reihe von Verwüstungen und Unruhen, wie der Zug nach Versailles 5. Okt. 1789, der Sturm auf die Tuilerien 10. Aug. 1792, die Septembermorde, der Sturz der Girondisten (31. Mai 1793), der Aufstand des 13. Vendémiaire (1795) u. a., welche bis 1799 ganz Frankreich erschütterten. P. stand damals unter der terroristischen Herrschaft der aus Jakobinern und Cordeliers gebildeten Munizipalität dann der radikal-sozialistischen Kommune, welche an der Spitze des militärisch organisierten Pöbels die Nationalvertretungen, ja sogar den Wohlfahrtsausschuß, durch Drohungen und Gewaltstreiche zu den Ausschreitungen der Revolution zwang und einen verderblichen Einfluß auf Frankreichs Geschicke ausübte. Der Pöbel von P., welches damals etwa ½ Mill. Einw. zählte, lernte in der ersten Revolution seine auf dem Übergewicht der großen, die geistigen und materiellen Kräfte ganz Frankreichs in sich konzentrierenden Hauptstadt über die Provinz beruhende Macht kennen und fühlte sich fortan als das Herz Frankreichs, dessen Pulsschlag die ganze Nation folgen müsse, während die Provinz trotz ihres bewußten Gegensatzes gegen die Hauptstadt nur selten die Kraft und den Mut besaß, ihre eignen Wege zu gehen. Erst unter dem Konsulat trat wieder Ruhe ein; P. wurde von Napoleon I. politisch mundtot gemacht, um durch großartige Bauten zu einer seines Weltreichs würdigen Hauptstadt umgeschaffen zu werden. Doch hat Napoleon nur einen Teil seiner Pläne durchführen können. Ganze Stadtteile entstanden in erneuter Pracht, und was er auf seinen Siegeszügen an Schätzen der Kunst und Wissenschaft erbeutete, wurde in der Hauptstadt aufgehäuft. Die Kais längs der Seine wurden fortgesetzt, neue Häfen angelegt, die Wasserleitung von Ourcq begonnen; für den Handel erhoben sich neue u. bequemere Hallen, die Marktplätze St.-Martin, Blancs Manteaux, St.-Germain und des Carmes wurden eingerichtet. Der Karussellplatz wurde mit Mauern umgeben und erweitert. Ein Triumphbogen erhob sich auf demselben, und eine neue Galerie dehnte sich gegen das Louvre hin aus. Der Tuileriengarten wurde verschönert, die Triumphsäule auf dem Vendômeplatz sollte die Thaten Napoleons I. und seiner großen Armee der Nachwelt überliefern. Der Grund zur Börse sowie zum Handelstribunal wurde gelegt, und die während der Revolution teils verwüsteten, teils ihrer Bestimmung entfremdeten Kirchen und Kapellen wurden wiederhergestellt und neu ausgeschmückt. Der Triumphbogen de l'Etoile ward begonnen, die Brücken von Austerlitz und Jena sowie der Pont des Arts erbaut.

1814 war P. das Hauptobjekt der Operationen der Alliierten in Frankreich. Als die letztern nach mehreren mißlungenen Versuchen endlich durch die Siege von Laon und Arcis sur Aube sich den Weg nach P. geöffnet hatten, versuchte Napoleon durch den kühnen Marsch auf Nancy dieselben nach Osten abzuziehen; die Verbündeten folgten ihm jedoch nicht, sondern erschienen 29. März vor P., das von Marmonts und Mortiers Korps besetzt war. Am 30. März früh begann der Angriff der Russen und der preußischen Garden von Nordosten, der schlesischen Armee von Norden, des Kronprinzen von Württemberg von Osten her, und nach tapferm Widerstand der Franzosen erstürmten die Verbündeten unter großen Verlusten das Plateau von Romainville und den Montmartre, so daß die französischen Marschälle den weitern nutzlosen Kampf aufgaben, am Nachmittag einen Waffenstillstand und in der Nacht eine Kapitulation abschlossen, welche ihnen freien Abzug gewährte und die eroberte Stadt der Großmut der Sieger empfahl. Am Mittag des 31. März hielten der König von Preußen und der Kaiser von Rußland an der Spitze ihrer Garden ihren Einzug in P. durch die Porte St.-Martin nach den Elysäischen Feldern unter jubelnder Begrüßung durch die des Kriegs müde Bevölkerung. Am 3. Mai zog Ludwig XVIII. ein. Am 30. Mai wurde der erste Pariser Friede zwischen Frankreich und den Verbündeten abgeschlossen, welcher Frankreich die Grenzen von 1792 sicherte. Am 20. März 1815 hielt Napoleon wieder seinen Einzug in P. und gab 1. Juni ein glänzendes Fest auf dem Marsfeld. Aber nach der Niederlage bei Belle-Alliance verließ er P. 25. Juni für immer; in der Nacht vom 6.-7. Juli räumte Davoût nach einer Kapitulation mit Blücher und Wellington die Stadt, und 7. Juli zogen die verbündeten Truppen, 8. Juli Ludwig XVIII. zum zweitenmal in P. ein. Dies verlor jetzt die von Napoleon zusammengeraubten Kunstschätze, welche an ihre frühern Eigentümer zurückgegeben werden mußten. Am 20. Nov. wurde in P. der zweite, für Frankreich erheblich ungünstigere Pariser Friede mit den Alliierten unterzeichnet.

Unter Ludwig XVIII. wurden die Hospitäler und Armenhäuser erweitert und über 2500 neue Häuser erbaut. Die Produkte der Manufakturen und Fabriken hatten einen jährlichen Wert von 214 Mill. Fr., wovon P. selbst für 112 Mill. verbrauchte. 1830 war P. Schauplatz der Julirevolution, in welcher zum erstenmal wieder die republikanische Partei sich geltend machte, aber nicht stark genug war, die Gründung der Monarchie der Orléans zu verhindern. Unter Ludwig Philipp erlitten der Garten u. der Palast der Tuilerien große Veränderungen, mehrere Kais wurden erweitert und verschönert, ein neuer Getreidehafen entstand, eine Hängebrücke vereinigte Bercy mit La Garre, zwischen dem Pont des Arts und dem Pont-Royal erhob sich die Karussellbrücke; die Kirche La Madeleine, der Triumphbogen de l'Etoile, die Gebäude des Kais Orsay, die Schule der schönen Künste, die Kirche Notre Dame de Lorette wurden vollendet; auf dem Konkordienplatz ward der Obelisk von Luksor, auf dem Bastilleplatz die Julisäule, auf der Vendômesäule wieder die Statue Napoleons I. aufgestellt. P. erhielt besseres Pflaster, mehr Abzugskanäle, bessere Beleuchtung; die Bièvre wurde geschlämmt, und besonders ward unter Ludwig Philipp die 1840 von den Kammern genehmigte Befestigung von P. (s. oben) ausgeführt. In der Februarrevolution 1848 zeigte sich wieder die herrschende Stellung der Pariser niedern Bevölkerung Frankreich gegenüber, da nur diese die Republik ernstlich verlangte, um ihre sozialistischen Ideen durchzuführen. Die Schwäche der Regierung beförderte die Anmaßung des Pöbels, bis derselbe in der furchtbaren Junischlacht von Ca-^[folgende Seite]