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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Persien

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Persien (Klima, Naturprodukte, Bevölkerung).

so die Umgegend von Kum, Kaschan, Ispahan, Jezd, Kirman, Tebbes, Turschiz etc.

Klima und Naturprodukte.

Das Klima, welches durchweg durch die Geringfügigkeit der Niederschläge charakterisiert wird, weist nach Verschiedenheit der Lage des Landes außerordentliche Gegensätze auf; während in einigen Gegenden der Winter mit äußerster Strenge auftritt, herrscht in andern fast ewiger Sommer mit glühender Hitze. Die höchsten Gebirgskette bleiben lange mit Schnee bedeckt. Teheran hat schon Ende Oktober -5° R. und Anfang März oft noch viel von Schnee und starkem Frost zu leiden. Dagegen zeigt das Thermometer um Mitte April oft schon 22° R., und in Schiraz fällt es um Mitte Juni kaum je unter 30° R. Während die nördlichen Provinzen plötzlichen Wechseln der Witterung ausgesetzt sind, zeigen Ispahan und Schiraz sowie der ganze Süden eine auffallende Regelmäßigkeit ihrer klimatischen Erscheinungen. Im wüsten Küstenstrich herrscht afrikanische Sommerhitze bei großem Feuchtigkeitsgehalt der Luft. Im ganzen aber ist P. (mit Ausnahme der feuchten Niederungen am Kaspischen Meer) ein gesundes Land. Die Luft ist überaus trocken, der Himmel von außerordentlicher Klarheit und daher der Glanz der Sterne bei Nacht von ungewöhnlicher Pracht. Wo der Boden Persiens nur einigermaßen Bewässerung erhält, zeigt er auffallende Fruchtbarkeit; selbst an der ganz sandigen Küstenebene von Buschir, die nur Tau und wenige Gewitterregen erfrischen, erntet man 14fältige Frucht. Daher bringen auch künstliche Kanäle hohe Renten. Hauptprodukte sind: vorzüglicher Weizen, Gerste, Reis, Hülsenfrüchte, Wein in mehreren Provinzen (hochberühmt, obwohl unserm Geschmack wenig zusagend, ist der von Schiraz). Außerdem werden Maulbeerbäume in Fülle am Kaspischen Meer gebaut, wo die Seide ein wichtiger Handelsartikel ist, ebenda sowie in Gilan und Masenderan sehr viel Zuckerrohr, das man indessen schlecht behandelt. Andre vegetabilische Handelsartikel, die man gewinnt, sind: Gummitragant, Asa foetida. Gelbbeeren, Safran, Henna und Krapp. Tabak, besonders den nur in P. gedeihenden für Wasserpfeifen (tämbaku), kultiviert man im N., Indigo in Laristan (zum Färben des Bartes), Baumwolle, Hanf und Hopfen nach Bedarf. Mohn zur Opiumgewinnung wurde anfangs nur im SW., dann um Jezd, seit Beginn der 60er Jahre jedoch auf Befehl der Regierung überall und in steigendem Maß angebaut, und der Export von Opium hat sich in letzter Zeit ungemein gehoben (von 870 Kisten in 1871-72 auf 7700 in 1880-81). Daneben gewinnt man Datteln, Granatäpfel, Melonen (die von Ispahan sind die schönsten, die von Gurgab die größten der Welt) und Arbusen, Schaddaks, Zitronen und Orangen (am Kaspischen Meer), Äpfel, Birnen, Aprikosen, Pistazien, Walnüsse, Quitten etc. in Menge. Der Rand des Kaspischen Meers ist mit Eichen, Buchen, Ahornen, Ulmen, Buchsbaum, wilden Kirschen etc. bedeckt, die sämtlich durch üppig wachsende Weinranken miteinander verbunden sind. Süßholz erzeugen die Ebenen von Merdascht und die um Schiraz; die Ammoniakpflanze (Dorema armeniacum), bis fast 2 m hoch, wächst im südlichen P. und liefert das Ammoniakharz in den Handel. Die gewöhnlichen Gemüse gedeihen reichlich, und auch der Blumenflor (namentlich alle Arten von Rosen) ist in der bewässerten Gegend von seltener Pracht. Das Tierreich bietet an wilden Tieren Löwen (in den öden Gegenden längs der Flüsse) sowie Tiger, wenngleich selten; ferner Leoparden, Wölfe, Schakale, Hyänen, zahlreiche Füchse, Stachelschweine, schöne und starke wilde Schafe, Bergziegen, wilde Esel, Bären, Antilopen und Hirsche in großer Mannigfaltigkeit, große Wildschweine u. a. Zur Gazellenjagd richtet man den Gepard ab. Fischerei ist nur in den Mündungen der ins Kaspische Meer fließenden Ströme ergiebig und wird verpachtet. Als Haustiere zieht man außer den gewöhnlichen Tieren auch Kamele. Auf die Pferdezucht versteht man sich vortrefflich. Das persische Pferd ist kräftig und ausdauernd, aber ursprünglich keineswegs schön und gut geartet, daher man es durch die arabische Rasse aufzubessern versucht hat. Die Kamele bilden in den dürren und sandigen Landstrichen den Hauptreichtum der Bevölkerung; in den übrigen Landesteilen bedient man sich zum Tragen von Lasten der Maultiere. Der Reichtum der Wanderstämme besteht in Schafen, zu deren Bewachung der Hund der wichtigste Gefährte des Nomaden ist. Außerdem finden sich Rinder, namentlich aber Ziegen und fast alles europäische Geflügel. Auch die ausgebreitete Bienenzucht und die Zucht der Seidenraupe verdienen Erwähnung. Der Mineralreichtum Persiens, namentlich an Kupfer, Eisen, Blei, Arsenik, Antimon, Kobalt, ist ein bedeutender; außerdem findet sich Steinsalz in unermeßlicher Menge sowie Bitter- und Glaubersalz, Alaun, Borax, Kali und Natronsalze, Salpeter, Naphtha, Schwefel, Mangan, Nickel, Chrom, Zink, Zinn, Erdöl etc.; endlich Steinkohle (namentlich am Elburz) und Braunkohle (bei Tebriz), beide noch der Ausbeutung harrend. Von Edelsteinen sind berühmt die Türkise, welche man beim Dorf Maaden, 50 km nordwestlich von Nischapur in Chorasan, findet. Unwahrscheinlich ist, daß man noch wertvolle Gold- und Silberlager entdecken wird.

Bevölkerungsverhältnisse. Geistige Kultur.

Die Zahl der Bevölkerung Persiens läßt sich nicht mit Genauigkeit angeben; Hutum-Schindler ^[richtig: Houtum-Schindler (= Albert Houtum-Schindler, 1846–1916)] schätzt dieselbe (nach Stolze und Andreas aber zu gering) 1881 folgendermaßen:

^[Liste]

99 Städte 1963600 Einw.

Dörfer und städtelose Distrikte 3780000 Einw.

Nomaden Araber 57800 Familien

" Türken 160000 Familien

" Kurden, Lak 150000 Familien

" Belutschen, Zigeuner 4600 Familien

" Bachtiaren, Luren 52000 Familien 1909800 Einw.

Zusammen: 7653400 Einw.

(4,6 Menschen auf 1 qkm). Davon sind 6,860,600 Schiiten, 700,000 Sunniten und mohammedanische Sektierer, 8000 Parsen, 19,000 Juden, 43,000 Armenier und 23,000 Nestorianer und Chaldäer. Diese Bewohner sind nach Abstammung, Sitte und Sprache außerordentlich verschieden (Perser, Turktataren, Turkmenen, Armenier, Nestorianer, Chaldäer, Juden, Kurden, Araber, Zigeuner, Neger, Afghanen, Belutschen, Hindu etc.). Die überwiegende Mehrzahl besteht aus Tadschik, den seßhaften Ureingebornen oder Ureinwanderern, die namentlich den Nordwesten und einige mittlere Provinzen bewohnen. Daneben besteht ¼ oder ⅓ der Bevölkerung aus eingewanderten Stämmen, welche sich durch ihre Gewohnheiten und ihre Lebensweise von den übrigen Bewohnern Persiens unterscheiden. Sie heißen Ilat oder Ilijat und bewohnen die innern Ebenen im O., die Nordostgrenzen und die Gebirgsländer im W. Einige leben stets unter Zelten, im Winter auf den tiefer gelegenen Ebenen in Kischlaks oder Win-^[folgende Seite]