Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Pest; Pestalozzi

902

Pest (Komitat) - Pestalozzi.

des Gouvernements Astrachan von der P. heimgesucht. Eine eigentlich epidemische Verbreitung erlangte die Krankheit aber nur in dem Kosakendorf Wetljanka, wo sie 20 Proz. der Einwohner fortraffte und 82 Proz. der Erkrankten dem Tod anheimfielen. Man muß annehmen, daß die P. hierher aus Persien über Astrachan oder durch Truppen aus Armenien eingeschleppt worden ist. Eine weitere Verbreitung wurde durch rigorose, oft grausame Sperrmaßregeln verhindert.

Der Ansteckungsstoff der P. ist noch völlig unbekannt, er wird nicht nur durch Berührung, sondern auch durch die Luft übertragen, und dies ist gewiß die häufigste Art der Ansteckung. Auch die von den Kranken benutzten Betten, Wäsche etc. können den Ansteckungsstoff aufnehmen und denselben an bisher pestfreie Orte bringen. Dagegen ist es nicht sicher erwiesen, daß auch durch bloße Handelswaren (Baumwolle u. dgl.) die P. aus dem Orient nach Europa eingeschleppt worden sei. In den allermeisten Fällen scheint die P. innerhalb 7 Tagen nach der Aufnahme des Ansteckungsstoffs in den Körper auszubrechen, in vielen Fällen aber dauert dieses sogen. Inkubationsstadium nur 2-5 Tage und in sehr vereinzelten Fällen auch wohl bis zu 15 Tagen. Dieser Umstand ist natürlich für die Feststellung der Quarantänezeit von der größten Wichtigkeit. Die in Armut und Elend lebenden Volksklassen werden von der P. am häufigsten ergriffen. Merkwürdigerweise scheinen manche Beschäftigungsweisen ganz verschont zu werden, besonders solche, welche viel mit Wasser zu thun haben, noch mehr aber die Ölträger, Öl- und Fetthändler. Der Verlauf beginnt bald mit örtlichen Zufällen, Karbunkeln und Pestbeulen, denen dann Fieber und die Zeichen der Allgemeinerkrankung folgen, bald mit Frost, Mattigkeit, Kopfschmerz, Ohrensausen und Schwindel, Angstgefühl, verstörtem Gesicht, Appetitmangel, beschleunigtem Atem und Pulsschlag, heißer Haut, bisweilen Erbrechen und Durchfall etc. Die Pestbeulen (angeschwollene und vereiternde Lymphdrüsen) erscheinen am häufigsten in den Weichen, seltener unter den Achseln, im Nacken oder unter dem Ohr als rundliche Geschwülste mit oder ohne Rötung der darüberliegenden Haut. Sie verursachen meist lebhafte stechende Schmerzen, wachsen bis zur Größe eines Taubeneies und darüber und gehen dann gewöhnlich in Eiterung, Verjauchung und Brand über. Der Pestkarbunkel entsteht aus einzelnen flohstichähnlichen roten Flecken, die oft unter stechenden Schmerzen hier und da auf der Haut, besonders der Beine, erscheinen, später zu größern bläulichroten Flecken anwachsen, verhärten, ein Bläschen an der Spitze zeigen und endlich in einen Brandschorf mit lebhaft entzündetem Hof übergehen, unter welchem Haut und Muskeln brandig zerstört werden. Nach dem Auftreten dieser örtlichen Pestmale steigert sich gewöhnlich das Fieber zu heftigen typhusähnlichen Symptomen, es tritt ein hochgradiger Verfall der Kräfte ein, und es erfolgt dann entweder der Tod unter schlagflußähnlichen oder mit andauernder Bewußtlosigkeit einhergehenden Hirnzufällen, oder auch durch Blutungen, Entkräftung und Blutzersetzung, oder es tritt unter Eiterung der Beulen und Abstoßung der Brandschorfe allmähliche Genesung ein. Die Dauer der Krankheit ist wahrscheinlich 5-6 Tage, manche Epidemien töten jedoch schon unter den Erscheinungen der intensivsten Blutvergiftung in den ersten 24 Stunden. Tritt Genesung ein, so zieht sich diese oft durch Wochen und Monate hindurch. Die Prognose der P. ist eine sehr schlechte. Die Vorbauungsmittel gegen die Krankheit sind teils allgemeine, teils individuelle. Zu erstern gehört die von allen seefahrenden Küstenvölkern, besonders am Mittelländischen Meer, eingeführte Quarantäne. Das sicherste Vorbauungsmittel wäre wohl die Einführung von ausreichenden sanitätspolizeilichen Maßregeln in den Ländern, wo sich die P. selbständig entwickelt, namentlich also in Ägypten. Der einzelne von der P. Bedrohte isoliere sich möglichst von dem Verkehr, besonders von dem mit unreinlichen Volksklassen, vermeide den Umgang mit Pestkranken und halte sich fern von deren Wohnräumen, Betten und Kleidungsstücken. Das Einreiben des Körpers mit Baumöl verdient als Schutzmittel versucht zu werden. Die Behandlung der Pestkranken muß in der Hauptsache eine diätetische sein. Man sorge für reine, frische Luft, wende das frische und reine Wasser innerlich und äußerlich an, gebe Limonaden und andre kühlende Mittel. Tritt Genesung ein, so muß man bereiten für Darreichung einer nährenden und leichtverdaulichen Kost sorgen. Vgl. Griesinger, Die Infektionskrankheiten (2. Aufl., Erlangen 1864); Stamm, Nosophthorie (Leipz. 1862); Tholozan, Histoire de la peste bubonique en Mésopotamie, etc. (Par. 1874-77, 3 Mémoires); Derselbe, Les trois dernières épidémies de peste du Caucase (das. 1879); Derselbe, La peste en Turquie dans les temps modernes (das. 1880); Hirsch, Mitteilungen über die Pestepidemie 1878-79 im russischen Gouvernement Astrachan (Berl. 1880).

Pest (Pest-Pilis-Solt-Kiskun, spr. pescht-pilisch-scholt-kischkuhn), ungar. Komitat zwischen der Donau und Theiß, seit 1876 durch Einverleibung Kleinkumaniens erweitert, grenzt nördlich an die Komitate Hont und Neográd, östlich an Heves, Jász-Nagykun-Szolnok und Csongrád, südlich an Bács-Bodrog, westlich an Tolna, Weißenburg, Komorn und Gran und umfaßt 12,593,5 qkm (228 QM.) mit (1881) 988,532 Einw. Östlich der Donau ist das Land zum Teil eine weite, sandige und sumpfige Ebene; dagegen ist der nordwestliche Winkel, jenseit der Donau, gebirgig (Pilisberg). Flüsse sind: die Donau, die hier durch Spaltung unterhalb Visegrád die Insel Szent Endre und unterhalb Budapest die Csepelinsel bildet, die Theiß, Zagyva (mit der Gulga), der Rákos, Hajta und Tapió. Unter den Mineralquellen sind die Bäder in Budapest (Ofen) die berühmtesten. Am linken Donauufer ist das Rákosfeld. Der Boden ist um Kalocsa sowie in den hügeligen Strichen fruchtbar und liefert Weizen und andres Getreide, Mais, Hanf, Tabak, Kartoffeln und Rüben. Bedeutend ist der Weinbau, namentlich um Ofen; Holz mangelt im S., weshalb Schilfrohr, Stroh und selbst getrockneter Mist als Brennmaterial benutzt werden. Die meisten Waldungen finden sich noch im N. Die Weiden ernähren große und zahlreiche Herden von Schafen, Rind- und Borstenvieh. Der Fischfang in der Donau und Theiß ist sehr ergiebig und liefert auch 5-8 metr. Ztr. schwere Hausen. Mineralien fehlen und in der Ebene sogar Bausteine. Hauptbeschäftigung der Bewohner sind Ackerbau und Viehzucht. Die Industrie beschränkt sich auf die Hauptstadt Budapest; der Handel ist sehr lebhaft und wird durch die Dampfschiffahrt und mehrere Eisenbahnen befördert.

Pest, Stadt, s. Budapest.

Pestalozzi, Johann Heinrich, der einflußreichste Pädagog der neuern Zeit, geb. 12. Jan. 1746 zu Zürich, verlor im sechsten Jahr seinen Vater, einen Chirurgen, und wuchs, von der Wiege an schwächlich, als "Weiber- und Mutterkind" auf. Reizbares Ge-^[folgende Seite]