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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Pessinūs; Pest

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Pessinus - Pest (Krankheit).

Pessinūs, Hauptort der Tolistobojer in Galatien, unweit des Sangarios, berühmt als Hauptsitz des Kultes der Kybele. Der reiche Tempel der Göttin, deren der Sage nach vom Himmel gefallenes hölzernes Bildnis die Römer 204 v. Chr. nach Rom holen ließen, befand sich auf einem Berg vor der Stadt, und seine Priester, die Galli, standen in fast königlichem Ansehen. Im 6. Jahrh. verschwindet P. aus der Geschichte. Trümmer desselben bei Balahissar (s. d.).

Pest (lat. pestis), im Altertum jede schwere, bösartige Volkskrankheit, seit dem 6. Jahrh. die ansteckende akute Krankheit, welche durch schwere Erkrankung einzelner Abschnitte des lymphatischen Apparats (Bubonenpest) und durch die Entwickelung von Anthrax oder Karbunkel charakterisiert ist und auf der einen Seite mit dem Typhus, auf der andern mit dem Milzbrand manche Übereinstimmung zeigt. Diese Krankheit war schon vor der christlichen Zeitrechnung bekannt; als Epidemie trat sie häufig in Syrien und Ägypten auf, und im 6. Jahrh. verbreitete sie sich über ganz Europa (Justinianische P.). Im Lauf des Mittelalters waren Pestepidemien häufig; der verheerende schwarze Tod (s. d.) des 14. Jahrh. war wohl gleichfalls eine P., obwohl es bei dem noch im Mittelalter volkstümlichen Gebrauch des Wortes P. für alle Epidemien und bei dem Schweigen der ärztlichen Schriften über die Bubonenpest sehr schwer ist, zu entscheiden, ob die Schilderungen des Chronisten sich stets auf diese Krankheit beziehen. Im 16. und 17. und zum Teil noch im Anfang des vorigen Jahrhunderts war die P. in Europa ziemlich häufig; sie trat damals in Deutschland, Holland, Italien etc. bald da, bald dort in großen oder auch in kleinen örtlichen Epidemien auf und war oft wieder für längere Zeit ganz verschwunden. In Italien hat die Krankheit, abgesehen von einer kleinen Epidemie von 1691 bis 1692 in einigen Ortschaften der neapolitanischen Provinz Bari, zum letztenmal von 1656 bis 1657, im britischen Inselreich und in der Schweiz, die später von der Seuche ganz verschont geblieben sind, zuletzt von 1666 bis 1667 geherrscht; in Holland fällt der letzte Pestausbruch 1677 und auf der Iberischen Halbinsel 1678-79.

In Deutschland und in den skandinavischen Reichen verbreitete sich von S. nach O. (bez. Österreich und Rußland) her 1708 und 1709 eine schwere Pestepidemie über die Weichsel- und Odergebiete, welche erst in den Elbgegenden ihre Grenze fand, an einzelnen Punkten des nordwestlichen Deutschland auch noch in den folgenden Jahren wiederholt auftrat und in ebendieser Zeit einen großen Teil von Dänemark und Schweden überzog. Das Jahr 1711 bildet für diese Gegenden den definitiven Abschluß des Vorkommens der P. 1720-22 wurde die Provence von dieser Seuche heimgesucht, und 1743 erschien die Krankheit in Messina, von wo aus sie nach Reggio verschleppt wurde. Dauernde Sitze der P. auf europäischem Boden während des 18. Jahrh. bildeten demnach nur der Osten und Südosten dieses Kontinents; aber auch hier sind es, abgesehen von der schweren Seuche, welche sich von 1707 bis 1713 über einen großen Teil Rußlands und Österreichs verbreitet hatte, und von der Epidemie von 1770 bis 1771, welche von den südlichen Gegenden Rußlands bis nach Moskau fortgeschritten war, vorzugsweise nur die Türkei, Dalmatien, Siebenbürgen, Ungarn, Bosnien, Serbien und die Donaufürstentümer sowie das südwestliche Rußland gewesen, in welchen bis zum Schluß des Jahrhunderts die P. in verheerenden Epidemien und in weiterer Verbreitung wiederholt geherrscht hat. Ebenso hatte die Krankheit inzwischen in Ägypten, Syrien, auf dem nordafrikanischen Küstenland und in Anatolien und Armenien ihre frühere Herrschaft behauptet und in Vorderasien sich noch weiter, über Mesopotamien und Persien, ausgedehnt. In Mesopotamien herrschte die Seuche nachweisbar zum erstenmal 1773 und in Persien 1725. In letzterm Land blieb die P. ausschließlich auf den Nordwesten beschränkt, und nur die Epidemien von 1757 und 1760 haben einen bedeutenden Umfang erlangt. Auch im 19. Jahrh. wurden Mesopotamien und Persien selten von der P. heimgesucht.

Im westlichen Europa trat die P. nur noch dreimal in eng begrenzten Herden, 1813 auf Malta, 1815 in dem neapolitanischen Küstenstädtchen Noja (von Dalmatien eingeschleppt) und 1820 auf Mallorca (von Marokko her infiziert) auf. Die gleichzeitige Epidemien auf Malta, in Bukarest, Griechenland und an der siebenbürgischen Militärgrenze stehen mit einem bedeutenden Pestausbruch im Orient im Zusammenhang. Ebenhier zeigte sich die Seuche 1815 von neuem, gleichzeitig (zum letztenmal) in Dalmatien und 1828 in Kronstadt; seitdem ist Österreich von der P. verschont geblieben. In den Donaufürstentümern erlangte die Krankheit zur Zeit des russisch-türkischen Kriegs von 1827 bis 1829 eine weitere Verbreitung, und mit ebendieser Epidemie hängt das Auftreten der P. 1828 in Odessa zusammen. In Rußland hatte die P. vorher, 1807, jedoch nur in geringem Umfang, an einzelnen Punkten der Gouvernements Astrachan und Saratow, später (1812) in Odessa, sodann 1819 und 1824 an einigen Orten Bessarabiens geherrscht; dann erschien sie, wie bemerkt, 1828 in Odessa und endlich ebenhier noch einmal 1837; diese Pestepidemie ist, bis zum Wiederauftreten der Seuche 1878, die letzte auf russischem Boden gewesen. In ebendieses Jahr (1837) fallen dann auch die letzten Pestausbrüche in Griechenland sowie in Tripolis und Algerien. Auf asiatischem Boden erlosch die Seuche zuerst (1830) in Mesopotamien, sodann (1832) in Arabien, zuletzt (1835) in Persien, so daß 1837 neben der Türkei, welche von der Krankheit noch einmal (1839) heimgesucht worden ist, nur noch die alten Stätten der P., Ägypten und Syrien, Sitze der Krankheit blieben; in Syrien (und Armenien) herrschte sie zum letztenmal 1841, in Ägypten von 1843 bis 1844, und damit hatte die P. vorläufig ihr Ende erreicht.

Die neuere Periode, welche mit 1858 (Bengasi in Tripolis) beginnt, zeigt die auffallende Erscheinung, daß, während die Krankheit aus dem Terrain, welches sie nachweisbar nahe an zwei Jahrtausende behauptet hatte, bis jetzt vollständig verschwunden ist, dieselbe in Gegenden, welche bis dahin nur in großen, Jahrzehnte umfassenden Zwischenräumen, und zwar stets infolge von Einschleppung der Seuche, von ihr heimgesucht worden waren, jetzt neue Heimatsherde gefunden hat. Vier Punkte sind seit jener Zeit Sitz der Krankheit geworden: das Hochland Assyr an der Westküste von Arabien, der westliche und besonders der nordwestliche Teil Persiens, die Ufer des Euphrat und Tigris in Mesopotamien und der Distrikt von Bengasi im Paschalik Tripolis. Ob zwischen dem Auftreten der Krankheit an diesen einzelnen Punkten ein innerer Zusammenhang besteht, erscheint fraglich, und noch weniger läßt sich darüber urteilen, ob und inwieweit die Pestepidemien mit dem Vorherrschen der Krankheit an den Abhängen des Himalaja in Verbindung zu bringen sind. Im Winter 1878/79 wurde das Wolgagebiet