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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Petrus Hispanus - Petschenegen.

Notar, dann zum Großhofrichter ernannt und seit 1232 mit den wichtigsten politischen Missionen betraut. 1247 erhielt er die Würden eines kaiserlichen Protonotars und Logotheten für das Königreich Sizilien, dessen Justiz er verwaltete. Gekränkter Ehrgeiz, wie es scheint, verleitete ihn dazu, dem Kaiser durch seinen Arzt den Giftbecher reichen zu lassen, der ihn dafür blenden und in San Miniato einkerkern ließ. Er sollte zum abschreckenden Beispiel durch das ganze Königreich geführt werden, stieß sich aber zu Pisa in einer Kirche an einem Pfeiler den Schädel ein (1249). Seine "Epistolarum libri VI" (Ausg. von Iselin, Basel 1740, 2 Bde.) sind eine wichtige Quelle für die Geschichte Friedrichs II. Auch eine Abhandlung: "De potestate imperiali", und Kanzonen und Sonette hat er hinterlassen. Mit Unrecht gilt er als Verfasser der sizilischen Konstitutionen. Vgl. Huillard-Bréholles, Vie et correspondance de Pierre de la Vigne (Par. 1863); Capasso und Jannelli, Pietro della Vigna (Caserta 1882).

Petrus Hispānus, nach einigen identisch mit dem 1226 zu Lissabon gebornen, 1277 in Rom verstorbenen Papst Johann XXI., nach andern mit einem nicht vor 1260 im Kloster Stella in Navarra lebenden und dort verstorbenen Dominikanermönch, gilt als Verfasser des im Mittelalter verbreiteten Kompendiums der Logik unter dem Titel: "Tractatus summularum", welches den Ansprüchen der Kritik zufolge nichts andres als eine Übersetzung der griechischen Synopsis "Organi Aristotelici" des Michael Phellos (s. d.) ist und zuerst die scholastische Nomenklatur der syllogistischen Schlüsse enthält.

Petrus Lombardus, berühmter Scholastiker, auch Magister sententiarum genannt, geboren bei Novara in der Lombardei, studierte zu Bologna, Reims und Paris, wo er, besonders durch Abälard gefesselt, sich bleibend niederließ und einer der gefeiertsten Lehrer wurde. 1159 zum Bischof von Paris erhoben, starb er 1164. Sein Hauptwerk: "Sententiarum libri IV", ward unzähligemal kommentiert und behauptete bis auf die Reformation ein fast klassisches Ansehen. In ihm erscheint zum erstenmal im Abendland die Dogmatik zusammengeschlossen als ein systematisches Ganze. Ihren Stoff bilden die Aussprüche der Kirchenväter, welche dann unter Widerlegung der verschiedenen Einwendungen wissenschaftlich begründet werden sollen. Dies ist die Methode der Sententiarier geblieben.

Petrus Martyr, ein häufiger Taufname in Italien, weist auf den Schutzpatron der Inquisition zurück, einen Dominikaner, Petrus von Verona, welcher von dem über die Grausamkeit, womit er sein inquisitorisches Handwerk trieb, empörten Volk 1252 bei Como erschlagen wurde. Die Szene ist auf einem meisterhaften Bilde Tizians dargestellt, welches 1867 in Venedig verbrannte.

Petrus Martyr von Anglerĭa (Anglerius), Geschichtschreiber, geb. 1459 zu Arona am Lago Maggiore, aus einem in Angera angesessenen Geschlecht, ging, nachdem er sich in Rom Bildung und Gönner erworben, 1487 an den spanischen Hof, wo er bald die Gunst Ferdinands und Isabellas gewann. 1492 nahm er die Weihen und ward Kanonikus in Granada, bald darauf aber mit der Leitung einer Hofschule für die jungen Granden betraut und zum königlichen Kaplan ernannt. 1501 sandte ihn Ferdinand an den Sultan von Ägypten. Er ward Prior des Domkapitels zu Granada, päpstlicher Protonotar, Mitglied des hohen Rats von Indien, endlich designierter Bischof von Jamaica und starb um die Mitte 1525 in Granada. Er schrieb: "De orbe novo" (seit 1516 vielfach aufgelegt und fortgesetzt); "Opus epistolarum" (Alcalá 1530, Amsterd. 1670); "De legatione babylonica libri III" (1516). Das erstgenannte Buch ist die erste Beschreibung der Entdeckung Amerikas, das zweite liefert für die romanische Zeitgeschichte der Jahre 1488-1525 die wertvollsten Materialien, das letzte schildert Martyrs Abenteuer in Ägypten. Vgl. Schumacher, P., der Geschichtschreiber des Weltmeers (New York 1879); Heidenheimer, P. und sein Opus epistolarium (Berl. 1881); Mariéjol, Pierre Martyr d'Anghera (Par. 1888).

Petrus Venerabĭlis, berühmter Theolog und Asket des Mittelalters, geb. 1094 zu Montboissier, ward früh von seiner Mutter dem Kloster geweiht, stellte als Abt von Cluny (seit 1122) die herabgekommene Klosterzucht wieder her. Seine liebevolle Gesinnung, die ihn die Kirche vor Anwendung der Gewalt in Glaubenssachen warnen ließ, machte ihn zum Beschützer des unglücklichen Abälard (s. d.). P. starb 1156. Er hat Briefe und Schriften polnischen Inhalts gegen Petrobrusianer (s. Bruys), Juden und Sarazenen hinterlassen. Vgl. Wilkens, P. der Ehrwürdige (Leipz. 1857).

Petsch, türk. Ort, s. Ipek.

Petschaft (altd. betschat, von dem gleichbedeutenden tschech. pečet, auch Petschier), Werkzeug, womit bei dem Siegeln der Briefe u. dgl. ein Namenszug, eine Figur oder ein Wappen abgedruckt wird. Der Griff hat bei den Petschaften verschiedene zierliche Gestalten; die untere Platte besteht aus Messing, Stahl, aus einem edlen oder halbedlen Stein. Auch Ringe (Siegelringe) werden als Petschafte gebraucht.

Petschau, Stadt in der böhm. Bezirkshauptmannschaft Karlsbad, an der Tepl, Sitz eines Bezirksgerichts, hat ein Schloß des Herzogs von Beaufort-Spontin, zu welchem die Domäne P. mit großen Forsten gehört, eine Musikschule, Bierbrauerei, Gerberei und Schuhwarenerzeugung, und (1880) 2240 Einw., von denen viele als Musiker umherreisen.

Petschenēgen (Petscheneger), wildes Nomadenvolk türkischen Stammes, von den Russen Petschenegi, von den Deutschen Pecinacer oder Picenacer, von den Griechen Bissener genannt und sich selbst Kangli oder Kangar nennend, wohnte ursprünglich im N. des Kaspischen Meers zwischen der Wolga und dem Jaik und ward durch die Wolga von den Chasaren geschieden, während es im S. und SO. die Uzen zu Nachbarn hatte. Um 870 wurden die P. durch die verbündeten Chasaren, Uzen und Slawen aus ihren bisherigen Wohnsitzen vertrieben, wendeten sich in die heutige Ukraine, verheerten Bessarabien, die Walachei und Moldau und vertrieben 883 die Ungarn zwischen dem Don und Dnjestr aus ihren Sitzen. Das Reich der P. erstreckte sich damals vom Don bis zur Aluta in Siebenbürgen. Sie zerfielen in acht große Stämme. Später war besonders das byzantinische Reich ihren Angriffen ausgesetzt. Von den Byzantinern erhielten sie Geld, um die Ungarn und Bulgaren, vorzüglich aber die Russen zu bändigen, die sich ebenfalls um ihre Freundschaft bewarben. Der russische Großfürst Igor schloß 944 das erste Bündnis mit ihnen; 970 zogen sie vereint mit den Russen unter Swätoslaw gegen Byzanz, erlitten aber durch den kaiserlichen Feldherrn Bardas eine Niederlage und erschlugen 972 Swätoslaw auf dem Rückzug. Zur Zeit der Kreuzzüge finden wir sie besonders in Serbien und Bulgarien, in welchen Ländern sie den Kreuzfahrern auf deren Durchzügen oft