Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Pfalz

932

Pfalz (Rheinpfalz; Geschichte).

936 qkm (17 QM.) und 105,000 Einw.; an Hessen-Darmstadt die Oberämter Lindenfels, Otzberg und Umstadt, im ganzen 220 qkm (4 QM.) mit etwa 9750 Einw.; an den Fürsten von Leiningen-Dachsburg die Oberämter Boxberg und Mosbach mit 358 qkm (6½ QM.) und 26,500 Einw.; an Nassau das Amt Kaub. Die Pariser Friedensschluß von 1814 und 1815 brachten auch die jenseit des Rheins gelegenen pfälzischen Lande wieder an Deutschland zurück; den größten Teil davon erhielt Bayern, das übrige Hessen-Darmstadt und Preußen. Der badische Anteil an der Unterpfalz, wozu auch die mediatisierten leiningisch-pfälzischen Oberämter gehören, ist dem badischen Distrikt Mannheim zugewiesen; der darmstädtische Teil bildet Bestandteile der Provinz Starkenburg und Rheinhessen; der bayrische Anteil bildet den heutigen Regierungsbezirk P. (s. unten); der preußische Anteil wurde zur Rheinprovinz geschlagen. Außer Baden, Bayern, Darmstadt und Preußen besitzt jetzt auch Oldenburg in Birkenfeld einen Teil der ehemaligen Rheinpfalz. Die neue oder junge P., das Fürstentum Neuburg, gehört jetzt zu Bayern.

Der jetzige bayrische Regierungsbezirk P. (Rheinpfalz, Rheinbayern, s. Karte "Bayern") liegt auf dem linken Ufer des Rheins, getrennt vom größern Teil Bayerns, grenzt im W. an die preußische Rheinprovinz, im S. an die deutschen Bezirke Unterelsaß und Lothringen, im O. an Baden, von welchem es durch den Rhein geschieden ist, im N. an Rheinhessen und umfaßt 5928 qkm (107,66 QM.) mit (1885) 696,375 Einw. (darunter ca. 372,000 Evangelische, 295,000 Katholiken und 13,000 Juden). Der kleinere östliche Teil ist eben, steigt aber weiter nach W. in lieblicher Hügellandschaft nach dem Hardtgebirge (s. d.) empor, welches den größern westlichen Teil des Landes ausfüllt. Den höchsten Punkt erreicht die P. im Donnersberg (s. d.), 691 m. Hauptfluß ist der die Ostgrenze des Landes bildende Rhein, welchem vom Hardtgebirge eine große Anzahl meist wasserreicher Bäche sämtlich in östlicher Richtung zueilen. Auch die andern Flüsse des Landes gehören dem Flußgebiet des Rheins an und werden diesem entweder durch die Nahe (im NW.) oder durch die Saar (im W.) in der Mosel zugeführt. Die P. ist einer der fruchtbarsten Regierungsbezirke Bayerns. Der Ackerbau liefert reichen Ertrag, besonders in Weizen, Roggen und Spelz. Bedeutend ist auch der Anbau von Tabak, Hanf, Flachs, Ölgewächsen, Gemüsen, Obst etc.; nicht minder wichtig ist der Weinbau (s. Pfälzer Weine). Die Viehzucht blüht besonders im westlichen Teil des Landes, das Mineralreich liefert Eisen und Steinkohlen. Die Industrie ist bedeutend in Fabrikation von Zigarren, Steingut, Farben, Papier, Leder, Woll- und Schuhwaren, Maschinen etc.; auch Eisengießerei und Bierbrauerei sind nennenswert. Der Handel ist sehr lebhaft in Wein und Tabak. Der Regierungsbezirk besteht aus den 13 Bezirksämtern Bergzabern, Frankenthal, Germersheim, Homburg, Kaiserslautern, Kirchheimbolanden, Kusel, Landau, Ludwigshafen a. Rh., Neustadt a. H., Pirmasens, Speier, Zweibrücken und hat Speier zur Hauptstadt. Vgl. Riehl, Die Pfälzer (Stuttg. 1858); A. Becker, Die P. und die Pfälzer (Leipz. 1858); Mehlis, Fahrten durch die P. (Augsb. 1877); Voigtländer, Pfalzführer (4. Aufl., Kreuznach 1882); Näher, Die Burgen der rheinischen P. (Neustadt a. H. 1887).

Geschichte. Die Begründung der Pfalz.

Die P. am Rhein ward seit dem 3. Jahrh. von den Alemannen besetzt, kam 496 unter fränkische Herrschaft und wurde bald von fränkischen Einwanderern bevölkert. Sie bestand vornehmlich aus rheinfränkischen Gauen: dem Kreichgau (Diözese Speier), Gardachgau (Diözese Worms), Lobdengau (zwischen Rhein und Elsenz), Teilen des Maingaues, dem Speiergau, Wormsgau, Nahgau und Teilen des Einrich- und Trachgaues (z. B. Kaub und Bacharach). An der Spitze der einzelnen Gaue standen in der Karolingerzeit Grafen; doch entstand im pfälzischen Gebiet eine Reihe berühmter Königspfalzen zu Ingelheim, Kreuznach, Worms, Speier, Selz etc. König Friedrich I. verlieh 1155 seinem Bruder Konrad, der 1147 die rheinfränkischen Lande geerbt hatte, die Pfalzgrafenwürde zu Aachen, ein Amt, das im 10. Jahrh. entstanden zu sein scheint und allmählich mit Grundbesitz, wie Bacharach und Umgebung, und einzelnen Hoheitsrechte, wie der Vogtei über das Erzstift Trier und über Jülich, ausgestattet ward. Konrads Hauptsitz war die Burg auf dem Jettenbühel bei Heidelberg. Ihm folgte 1195 sein Schwiegersohn Heinrich der Welfe, Heinrichs des Löwen Sohn, und nach dessen Abdankung 1211 dessen Sohn Heinrich der jüngere. Als dieser 1214 kinderlos starb, verlieh König Friedrich II. die P. nebst der pfalzgräflichen Würde an Ludwig von Bayern, aus dem Haus Wittelsbach, der auch die Erbgüter der bisherigen Pfalzgrafen seinem Geschlecht erwarb, indem er seinen Sohn Otto mit Agnes, einer Tochter Heinrichs des ältern, vermählte. Es folgten: Otto I., der Erlauchte (1228-53), Ludwig II. bis 1294, Rudolf I. bis 1319 und Kaiser Ludwig, der schon vorher Mitregent war, bis 1329. Dieser trat im Vertrag zu Pavia (4. Aug. 1329) die P. an seine Neffen Rudolf und Ruprecht, Söhne Rudolfs I., ab. Die Kurwürde sollte zwischen P. und Bayern wechseln. Nach Rudolfs II. Tod 1353 ward Ruprecht I. Alleinherrscher bis 1390. Er verkaufte 1355 einen Teil der Oberpfalz an Kaiser Karl IV., welcher dafür der Rheinpfalz die Kurwürde allein zusprach, und kaufte 1385 Zweibrücken, Hornbach und Bergzabern. Besonders verdient machte er sich 1386 durch Gründung der Universität Heidelberg. Sein Neffe Ruprecht II., des 1327 verstorbenen Adolf Sohn, folgte 1390. Er ließ sich vom König Wenzel einen Teil der verlornen Oberpfalz zurückerstatten und verordnete 1395 in der sogen. Rupertinischen Konstitution, daß die P. stets ungeteilt dem ältesten Sohn zufallen sollte. Sein Sohn und Nachfolger Ruprecht III. (seit 1398) wurde 1400 zum deutschen König gewählt. Er eroberte den Rest der Oberpfalz, erwarb einen Teil der Grafschaft Sponheim und die Grafschaft Kirchberg am Hunsrück und erweiterte das Heidelberger Schloß durch den Ruprechtsbau. Nach seinem Tod (1410) teilten sich seine vier Söhne in die väterlichen Lande und gründeten vier Linien, jedoch so, daß beim Erlöschen der ersten Linie deren Lande ungeteilt an die zweite u. f. f. fallen sollten, damit alle pfälzischen Länder einst wieder vereinigt würden. Der älteste Sohn, Ludwig III., erhielt die Kur- und Rheinpfalz nebst Amberg und Nabburg in der Oberpfalz, Johann die Oberpfalz, Stephan Zweibrücken und Simmern, Otto Mosbach.

Die Kurpfalz.

Die Kurlinie (Heidelberger Linie) bestand unter Ludwigs III. Nachkommen bis 1559. Es herrschten Ludwig III., der Beschützer des Konstanzer Konzils, bis 1436; Ludwig IV. bis 1449; Friedrich der Siegreiche, der infolge glücklicher Kriege gegen Lützelstein, Mainz, Württemberg und Baden umfangreiche Landstriche an der Nahe, an der Bergstraße und im Elsaß erwarb, bis 1476. Dieser ordnete die