Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Pfalz

933

Pfalz (Geschichte der Kurpfalz).

Verwaltung der P., indem er an die Spitze jedes der 18 Ämter Vögte stellte, stiftete 1472 das Hofgericht und hielt ein zahlreiches Heer. Unter der Regierung seines Neffen Philipp des Aufrichtigen (1476-1508) hatte die P. viel durch den bayrisch-pfälzischen Erbfolgekrieg zu leiden, den Philipp gegen Albrecht von Bayern-München 1503 zu gunsten seines Sohns Ruprecht begann, dem sein Schwiegervater Georg von Bayern-Landshut (gest. 1503) das Herzogtum Niederbayern vererbt hatte. Doch ward auf dem Konstanzer Reichstag 1507 nur das Herzogtum Neuburg den Söhnen des inzwischen verstorbenen Ruprecht zugesprochen. Unter Ludwig V. (1508-44) fand die Reformation Eingang in die P., obgleich er selbst katholisch blieb. Ihm folgte statt seines Sohns Otto Heinrich 1544, dem Testament Philipps gemäß, sein Bruder Friedrich II. Derselbe duldete die Ausbreitung der Reformation in der P., nahm aber aus Rücksicht auf den Kaiser das Interim an. Nach seinem kinderlosen Tod ward Otto Heinrich der Großmütige Kurfürst. Derselbe verbesserte die Universität Heidelberg nach Melanchthons Plan und bereicherte die dortige Bibliothek mit vielen Handschriften. Ein schönes Denkmal seines Kunstsinns ist der prachtvolle Otto-Heinrichsbau im Heidelberger Schloß. Mit ihm starb 1559 die alte Kurlinie oder Heidelberger Linie aus.

Ihre Lande und die Kur fielen darauf an die Simmernsche Linie (s. unten), deren Haupt damals Friedrich III., der Fromme, war. Derselbe entschied sich unter dem damaligen konfessionen Hader für die Calvinische Lehre, die er auf jede Weise, unter anderm durch Besetzung der Fakultät zu Heidelberg mit reformierten Lehrern, begünstigte. Ihm folgte 1576 sein Sohn Ludwig VI., der sich wieder zur lutherischen Lehre bekannte und viele reformierte Beamte, Prediger und Schullehrer aus der Rheinpfalz vertrieb. Er starb 1583 und hinterließ die P. seinem neunjährigen Sohn Friedrich. IV. Ludwigs Bruder, der Pfalzgraf Johann Kasimir von P.-Lautern, bemächtigte sich der Regierung als Kurverweser und Vormund Friedrichs IV. und führte die Calvinische Lehre im Land wieder ein. Als Johann Kasimir 1592 starb, fiel das Fürstentum P.-Lautern an die Kurpfalz zurück. Auch Friedrich IV. begünstigte die reformierte Lehre, was in der Oberpfalz offenen Aufruhr hervorrief. Er war der vorzüglichste Beförderer der evangelischen Union (1608), starb aber schon 1610. Ihm folgte sein Sohn Friedrich V., der sich 1619 verleiten ließ, die von den Böhmen ihm angetragene Krone anzunehmen, und darüber seine Lande und die Kurwürde verlor, die von Kaiser Ferdinand II. 1623 seinem Vetter, dem Herzog Maximilian von Bayern, übertragen wurden. Der spanische Feldherr Spinola drang mit einem Heer in die Kurpfalz ein und eroberte sie größtenteils. Das Land litt unsäglich, und Mansfelds Siege und die Anstrengungen der übrigen Verbündeten Friedrichs, die P. von den Feinden zu befreien, vermehrten nur noch das Elend des Landes. Tilly eroberte und plünderte 1622 Heidelberg. Die P. aber wurde bis zum Westfälischen Frieden als erobertes Land behandelt. Dann erst erhielt Friedrichs V. (gest. 1632) Sohn Karl Ludwig die Kurpfalz zurück, auch gab man ihm eine neue, die achte, Kurstelle nebst dem Erzschatzmeisteramt; die Oberpfalz aber, der Rang, den ehemals die P. im kurfürstlichen Kollegium gehabt, und das Erztruchseßamt blieben bei Bayern. Doch wurde festgesetzt, daß diese Länder und Würden, wenn der bayrische Mannesstamm erlöschen würde, an die P. zurückfallen sollten. In den Kriegen des Kaisers und Reichs gegen Frankreich 1673-79 wollte letzteres den Kurfürsten zwingen, sich mit ihm zu verbünden, und auf seine Weigerung verwüstete ein französisches Heer die P. Nach dem Frieden zu Nimwegen aber drang Frankreich dem Kurfürsten noch eine Kriegssteuer von 150,000 Guld. ab und zog durch die Reunionskammern beträchtliche Gebiete der P. ein. Karl Ludwig starb 1680 und hatte seinen Sohn Karl zum Nachfolger.

Da mit diesem 1685 die Linie Simmern erlosch, so fielen die Kur und die dazu gehörigen Lande an Zweibrücken-Neuburg und zwar an den Pfalzgrafen Philipp Wilhelm, welcher bereits Jülich und Berg besaß (s. unten). Ludwig XIV. von Frankreich erhob Anspruch auf die Allodialverlassenschaft des Kurfürsten Karl Ludwig, da dessen Tochter Charlotte Elisabeth an den Herzog von Orléans vermählt war, und überzog 1688 die P. mit Krieg. Zahlreiche Städte wurden in Schutthaufen verwandelt, das kurfürstliche Schloß zu Heidelberg verbrannt und das Land verheert. Kurfürst Philipp Wilhelm starb 1690 als Flüchtling in Wien und hinterließ als Nachfolger seinen Sohn Johann Wilhelm. Das Kriegselend der Kurpfalz dauerte bis zum Ryswyker Frieden 1697 fort; an die Herzogin von Orléans oder vielmehr an Ludwig XIV. mußten 300,000 Thaler für seine Ansprüche gezahlt werden. Im Ryswyker Frieden hatte Frankreich zur Bedingung gemacht, daß in der P. die Änderungen des öffentlichen Kultus in Geltung bleiben sollten, die während der Jahre seines Besitzes eingeführt worden waren. Obgleich man auf einen Katholiken zwei Lutheraner und drei Reformierte rechnete, so wollte doch die Regierung des katholischen Kurfürsten die katholische Kirche zur herrschenden erheben, und die Protestanten erlitten große Bedrückungen, bis es auf Verwendung Braunschweig und Preußens 1705 zu einem Vertrag kam, in welchem den Protestanten die Wählbarkeit zu öffentlichen Ämtern und den Reformierten 5/7 aller Kirchen in der P., den Lutherischen aber alle, die sie seit 1624 innegehabt hatten, zugesichert wurden. Auf Johann Wilhelm folgte 1716 sein jüngerer Bruder, Karl Philipp, der den glänzenden Hofstaat seines Vorgängers abschaffte und die Finanzen der P. ordnete. Aber gleich nach seinem Regierungsantritt begann auf Antrieb der Jesuiten die Verfolgung der Protestanten aufs neue, und als dieselben in Heidelberg die dortige Hauptkirche den Katholiken nicht allein überlassen wollten, verlegte er 1720 seinen Hof nach Mannheim.

Da Karl Philipp 31. Dez. 1742 ohne männliche Erben starb, so fiel die Kur an die Pfalz-Sulzbachische Linie, und es gingen an deren Haupt Karl Theodor nun alle kurpfälzischen, jülichschen und bernischen Lande über. Unter diesem hochgebildeten, wenngleich verschwenderischen Fürsten blühten in der P., wie nie zuvor, Wissenschaften und Künste, Handel, Gewerbe und Ackerbau. Als 1777 mit dem Kurfürsten Maximilian III. Joseph auch der bayrische Mannesstamm erlosch, wurden die bayrischen Lande mit den pfälzischen vereinigt, bis auf das Innviertel (2202 qkm), das an Österreich fiel. Kurpfalz trat, wie im Westfälischen Frieden bestimmt worden war, wieder in seine alte Kurstelle, die fünfte im kurfürstlichen Kollegium, und in sein altes Erztruchseßamt ein, wofür es das Erzschatzmeisteramt an Hannover abtrat. Im französischen Revolutionskrieg besetzten die Franzosen den Teil der P. auf der linken Rheinseite; auch der auf der rechten Rheinseite gelegene Teil der P. litt sehr