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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Pikul; Pikullos; Pila; Pilade; Pilar; Pilaster; Pilâtre de Rozier; Pilatus

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Pikul - Pilatus.

Holztafeln, Tierhäute, Gewebe u. dgl. gemalte oder in Felswände eingeritzte Bilder, die als unmittelbar versinnlichende oder mnemotechnische Erinnerungszeichen dienen, Ereignisse und Nachrichten an entfernte Personen oder auch an die Nachwelt zu berichten, sowie auch um Formeln, Verträge und Dichtungen für den eignen Gebrauch nach dem Wortlaut zu fixieren. P. ist bei allen nicht mehr auf den untersten Stufen der Zivilisation stehenden Naturvölkern verbreitet; man findet merkwürdige Spuren derselben in Skandinavien und in allen ehemals von den Spaniern in Besitz genommenen Ländern Amerikas, namentlich in Arizona, Colorado, Neumexiko, Kolumbien, Venezuela, Guayana u. a. Oft sind die Bilder in den härtesten Granit und, z. B. an den Ufern des Orinoko, so hoch an den steilen Felswänden eingeritzt, daß man kaum begreift, wie man sie dort oben hat ausführen können, und sie in der Volkssage von Leuten, die bei der "großen Flut" mit Kähnen da oben fuhren, ableitet. Ursprünglich sind die Zeichnungen möglichst naturalistisch und einem Rebus vergleichbar, dem Sinne nach leicht zu entziffern; dann aber mischen sich Zeichen ein, die nur durch Übereinkunft und also nur dem Stamm selbst bekannt sein können, obwohl die Deutung meist naheliegend und daher nicht schwer ist. So bezeichnen die nordamerikanischen Indianer in ihren Rindenbriefen die Zahl der zu einem Unternehmen vereinigten Personen durch rohe menschliche Figuren, die oft durch ihre Totemtiere (s. Totem) wie durch Wappen genauer charakterisiert sind. Rot angemalte Glieder bezeichnen dabei entsprechende Verwundungen, Fehlen des Kopfes, daß sie getötet wurden. Pfeile und Sonnenbilder deuten Richtung und Tagereisen (Dauer) des Zugs, Kähne Flußübergänge, eine Pfeife den Friedensabschluß an. Auch ganze Geschichtserzählungen, Gesänge u. dgl. werden in dieser Weise bildlich fixiert. Viele Schriftforscher glauben, daß aus der Vereinfachung und Schematisierung solcher konventioneller Bilder die ältesten Wort-, Silben- und Buchstabenschriften hervorgegangen sind, namentlich bei den Chinesen und alten Ägyptern. Selbst die alten Mexikaner wußten lateinische Gebete niederzuschreiben, indem sie ihre Bilderschrift als Laut- und Silbenschrift benutzten. Vgl. Schrift.

Pikul (Pikol), Handelsgewicht in Ostasien; in China à 100 Kätty, nach englischen Verträgen und beim Zoll = 60,479 kg; bei mancherlei Waren = 90 bis 140 Kätty; auch in Hinterindien und auf Sumatra gebräuchlich. In Japan (Hiakin) à 100 Kätty (Kin), gleich dem chinesischen, nach preußischen Berichten = 59,295 kg, nach andern = 60,217 kg; in Niederländisch-Ostindien = 61,689 kg; in Kotschinchina (Ta) = 62,48 kg; in Siam (Hap) = 58,51 kg; in Singapur, Pinang etc. = 64,713 kg.

Pikullos, Gottheit der alten Litauer und Preußen, mit Perkunos (s. d.) besonders zu Romove verehrt, war der Gott des Todes und des Schreckens, dargestellt als ein alter, langer Mann mit grauem Barte, das Gesicht mit einem Tuch umwunden. Drei Totenköpfe, ein Menschen-, ein Pferde- und ein Stierkopf, waren seine Symbole.

Pila (lat.), Mörser; Pfeiler; Ball (s. Ballspiel).

Pilade (neulat.), s. Pilar.

Pilar (span., Pilade), der hintere Pfeiler in Pferdeställen, welcher zwei Pferdestände voneinander trennt; in der Reitbahn Name der Pfeiler aus Holz oder Eisen, zwischen denen Pferde behufs Abrichtung zu Schulpferden angebunden werden.

Pilar (span.), Münze, s. Säulenpiaster.

Pilar (Villa del P., früher Nembucú), Stadt im südamerikan. Staat Paraguay, am Paraguay, der Mündung des Bermejo gegenüber, mit (1879) 3700 Ew.

Pilaster (franz. Pilastre, span. Pilastra), Wandpfeiler von mehr oder minder schlankem Verhältnis, die mit einer Wand verbunden sind und aus derselben mehr oder weniger hervortreten. Ist ihr Vorsprung ihrer Breite etwa gleich, so nennt man sie Anten. Ihr Zweck ist teils die Erhöhung der Festigkeit hoher Wände, teils eine befriedigende Gliederung derselben, teils die Unterstützung der Architrave, teils auch nur ein dekorativer, besonders an Häuserfassaden, bei welchen die P. nach dem Vorgang Palladios bisweilen über zwei und mehr Stockwerke hinwegreichen. Sie haben, wie die Säulen, drei Teile: die Basis, welche in der korinthischen und ionischen Ordnung derjenigen der Säulen gleich ist, in der dorischen aber nur einen einfachen, aus Sockel und Ablauf bestehenden Fuß besitzt; den Schaft, welcher nicht verjüngt ist, nur die Breite des mittlern Säulendurchmessers bekommt und manchmal kanneliert ist, und das Kapitäl, welches in der korinthischen Ordnung dem der Säule ähnlich, in der dorischen und ionischen nur aus einzelnen kleinern Gliedern gebildet ist.

Pilâtre de Rozier (spr. -latr d' rohsié), Jean François, Physiker, geb. 30. März 1756 zu Metz, widmete sich der Chirurgie, dann der Pharmazie in Metz und Paris, hörte hier Vorlesungen über Mathematik, Physik und Naturgeschichte, ward sodann zu Reims Professor der Chemie, kehrte aber bald als Aufseher der Naturaliensammlung des nachmaligen Königs Ludwig XVIII. nach Paris zurück und gründete mit dessen Unterstützung 1781 eine Anstalt zur Forderung des Studiums der Physik und Chemie durch Experimente. Als die Versuche der Gebrüder Montgolfier mit dem Luftballon bekannt wurden, war P. der erste, der in Paris diese Versuche wiederholte, und 21. Nov. 1783 unternahm er die erste Luftfahrt, worüber er in der Schrift "Première expérience de la Montgolfière" (1784) berichtete. Als er 15. Juni 1785 mit dem Physiker Romain zu Boulogne aufstieg, um nach England überzusetzen, entzündete sich der Ballon, welcher eine Verbindung von Montgolfière und Charlière darstellte, und beide fanden den Tod. Vgl. Tournon de la Chapelle, Vie et mémoires de P. (Par. 1786).

Pilatus (im Mittelalter auch Frakmont, Mons fractus genannt wegen seines zerklüfteten Gipfels), Gebirgsstock der Luzerner Voralpen, am Unterende des Vierwaldstätter Sees dem Rigi gegenüber aufragend. Auf seiner untern, sanft ansteigenden Hälfte ist der P. bewaldet und bietet hier Weiden dar; die obere Hälfte aber besteht aus kahlen, verwitterten, in mehreren Spitzen emporragenden Felskolossen, von welchen das Tomlishorn (2133 m) der höchste ist. Andre Punkte heißen Esel (2123 m), Gemsmattli (2052 m), Widderfeld (2080 m), Matthorn (2040 m), Klimsenhorn (1910 m) etc. Auf der Höhe des P. liegt der Pilatussee (s. Pilatus, Pontius). Auf den trefflichen Alpenweiden des Bergs werden im Sommer über 4000 Stück Rindvieh ernährt. Auf dem Esel ist das Chriesiloch, eine schlotartige, schief eingesenkte Höhle; nachdem man diese auf Leitern durchklettert hat, eröffnet sich eine überraschende Aussicht auf die Berner Alpen. Eine noch freiere Aussicht bietet das Tomlishorn dar. Auf Klimsenhornegg und am Esel sind Gasthäuser. Auf der Bründelenalp befindet sich das Dominikloch, eine Höhle hoch oben an einer senkrechten Felsenwand, worin eine über 3 m hohe bildsäulenähnliche Figur