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Pozzo di Borgo - Pracherthaler.
686 m ü. M., mit (1879) 425 Einw., unter denen 60 Indianer.
Pozzo di Borgo, Karl Andreas, Graf von, berühmter russ. Diplomat, geb. 8. März 1764 zu Alala auf Corsica, wirkte hier erst als Advokat, dann als Generalprokurator, ward 1791 in Ajaccio zum Deputierten für die Gesetzgebende Versammlung Frankreichs gewählt. Da er durch die Auffindung eines Briefs von ihm an Ludwig XVI. in dessen Papieren (10. Aug.) in den Verdacht royalistischer Ansichten geriet, so kehrte er im September nach Corsica zurück und verband sich seitdem mit der Partei Paolis. Dieser ernannte 1794 P. zum Präsidenten des Staatsrats, später zum Staatssekretär. Da er sich aber den Haß der französischen Partei, besonders der Bonapartes, zugezogen hatte, ging er 1796 nach London und 1798 nach Wien, um die Koalition gegen Frankreich zu befestigen, und begleitetete ^[richtig: begleitete] Suworow nach Italien; 1803 trat er als Staatsrat in russische Dienste und ward in dieser Stellung mit den wichtigsten diplomatischen Geschäften betraut. Nach der Schlacht bei Jena wirkte er in Wien für eine neue Koalition gegen Napoleon, nahm aber nach dem Frieden von Tilsit seinen Abschied aus dem russischen Dienst. 1808 begab er sich nach Wien. Seine Wirksamkeit für den Krieg von 1809 veranlaßte Napoleon I., seine Auslieferung zu verlangen. Das österreichische Kabinett wies dieselbe jedoch zurück, und P. reiste über Konstantinopel nach London, wo er für eine Versöhnung Englands mit Rußland wirkte. 1812 berief ihn der Kaiser wieder nach Petersburg. Nach der Schlacht bei Bautzen begab er sich zu Bernadotte nach Stralsund und bewog ihn, am Kriege gegen Napoleon teilzunehmen; er war dann Kommissar der Alliierten in Bernadottes Hauptquartier. Auf dem Frankfurter Kongreß im November 1813 redigierte er die gegen Napoleons Dynastie gerichtete Proklamation der Mächte. Nach dem Einzug der Alliierten in Paris nach London zu Ludwig XVIII. gesandt, bestimmte er diesen, Frankreich eine liberale Konstitution zu geben. P. war darauf russischer Gesandter in Paris, dann auf dem Kongreß zu Wien. Nach Napoleons Landung an der französischen Küste 1815 begab sich P. als Kommissar zur englisch-preußischen Armee nach Belgien und wurde bei Waterloo leicht verwundet. Er ward hierauf wieder russischer Gesandter in Paris. 1822 nahm er an dem Kongreß zu Verona teil. 1825 erhob ihn Kaiser Nikolaus zum Grafen sowie zum General der Infanterie und zum kaiserlichen Generaladjutanten. 1834 ward er als Gesandter nach London geschickt, um die Tories gegen die Whigs zu stützen; doch nahm er seiner geschwächten Gesundheit wegen schon 1835 seinen Abschied aus dem Staatsdienst und lebte seitdem als Privatmann zu Paris, wo er 15. Febr. 1842 starb. Er veranstaltete eine neue Ausgabe der seltenen "Storia di Corsica" (Pisa 1828-32, 5 Bde.). Sein Leben beschrieb Uwarow (Petersb. 1846). Eine Autobiographie ist abgedruckt im 2. Bande der Aktenstücke der kaiserlich Russischen Historischen Gesellschaft.
Pozzuōli, Kreishauptstadt in der ital. Provinz Neapel, 11 km westlich von der Stadt Neapel auf einer vorspringenden Landspitze am Golf von P. gegenüber dem Vorgebirge Misenum gelegen, mit Neapel durch Dampftramway verbunden, hat eine Kathedrale, ein Spital, ein Seminar, Fabrikation von Seife, eine neue große Schiffswerfte (Armstrong), Handel, Schiffahrt und (1881) 11,967 Einw. Im Hafen von P. sind 1885: 578 Schiffe mit 61,864 Ton. eingelaufen. P. ist Bischofsitz. Nach der Stadt hat die vulkanische Puzzolanerde ihren Namen. P. steht an der Stelle des alten Puteoli (s. d.), einer der reichsten Handelsstädte des Altertums, von welcher noch bedeutende Überreste vorhanden sind, so namentlich die Trümmer eines Tempels des Augustus (jetzt Kathedrale), die berühmten Ruinen des sogen. Serapistempels (Rundbau), Ruinen von Tempeln des Neptun und der Diana, eines Amphitheaters aus der Zeit der Flavier (mit Raum für 30,000 Zuschauer), des großen alten Hafens u. a. Die Umgebung der Stadt ist verödet und von Malaria heimgesucht, bietet aber eine große Zahl merkwürdiger Naturerscheinungen dar. Hiervon sind insbesondere zu erwähnen: die Solfatara (s. d.); das königliche Jagdschlößchen Astroni mit dem in einem Krater liegenden Jagdpark; der ehemalige See von Agnano (s. d.) mit Dampfbädern und der bekannten Hundsgrotte (s. d.) am Südrand; der Monte Nuovo, eine vulkanische Erhebung von 140 m Höhe, welche erst 1538 entstand; der Lukriner See (s. d.); der Averner See (s. d.); die Sibyllengrotte an der Südseite des letztern; die Bäder des Nero, eine Grotte mit heißer Quelle, zu der man durch Höhlen und einen 74 m langen Stollen hinabdringt; die Ruinen von Bajä und Cumä (s. d.) sowie von Villen, an die sich die größten Namen der Römerzeit knüpfen. S. "Karte der Umgebung von Neapel".
pp., ppp., s. v. w. pianissimo; s. Piano.
pr., bei Datumsangaben Abkürzung für praeteriti (lat.), des vergangenen, vorigen (Jahrs oder Monats). - pr. pr. Abkürzung für praeter propter (lat.), ungefähr.
Prae (lat.), vor, voraus; daher das P. haben, den Vorzug, den Vorrang haben.
Präadamiten, vorweltliche Organismen, die nur noch fossil vorkommen, insonderheit Menschen, die "vor Adam" gelebt haben.
Präadvīs (neulat.), vorläufiges Gutachten.
Praeambulum (lat.), Vorrede; in der Musik s. v. w. Präludium; weitschweifige Einleitung (Präambel).
Praeantecessor (lat.), der Vorgänger des Vorgängers in einem Amt.
Präbénde (neulat.), ursprünglich die Naturalverpflegung, welche Mönche und Weltgeistliche an gemeinsamem Tisch erhielten; dann überhaupt die von einer öffentlichen Anstalt (auch in der protestantischen Kirche) gewährten jährlichen Einkünfte; auch s. v. w. Leibrente; daher Präbendar, der eine Leibrente Genießende.
Praecessor (lat.), Vorgänger im Amt.
Prachatitz, altertümliche Stadt im südwestlichen Böhmen, am Fuß des Bergs Libin (1091 m, mit Wallfahrtskapelle und Aussichtsturm) gelegen, hat alte Ringmauern und Befestigungsreste, eine gotische Dechanteikirche, ein Rathaus (mit Wandgemälden von 1571), ein Staatsrealgymnasium, eine Bürgerschule, ein Studentenkonvikt, Fabrikation von Posamentier- und Wirkwaren, Bierbrauerei und (1880) 4359 Einw. P. ist Sitz einer Bezirkshauptmannschaft und eines Bezirksgerichts. Die Stadt trieb einst bedeutenden Salzhandel und hat jetzt noch wichtige Getreide- und Viehmärkte. P. ist Geburtsort des Baumeisters des Wiener Stephansturms, Hans von Prachatitz. In der Nähe der Kurort St. Margaretha. Vgl. Meßner, P., ein Städtebild (Budweis 1885).
Prachern, niederdeutscher Ausdruck für betteln, unablässig bitten; daher Pracher, (zudringlicher) Bettler; Pracherherberge, niedere Kneipe; Prachervogt, Bettelvogt.
Pracherthaler, s. Bettlerthaler.