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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Presse

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Presse (gegenwärtig Gesetzgebung).

durch Verbreitung, Anschlag oder Ausstellung von Schriften gehört, nämlich die Aufforderung zu einem hochverräterischen Unternehmen, zum Ungehorsam gegen die Gesetze oder die obrigkeitlichen Anordnungen, zur Begehung einer strafbaren Handlung und die Anreizung verschiedener Klassen der Bevölkerung zu Gewaltthätigkeiten gegeneinander (Strafgesetzbuch, § 85, 110, 111, 130).

Die Verantwortlichkeit für die durch die P. begangenen strafbaren Handlungen bestimmt sich nach den allgemeinen Strafgesetzen. Die Preßgesetzgebung hat jedoch ergänzende und verschärfende Bestimmungen hinzugefügt. Das belgische Preßgesetz von 1831 führte in dieser Hinsicht zuerst das System der stufenweisen Verantwortlichkeit ein, nach welchem der Verfasser, der Redakteur oder der Verleger, der Drucker und der Verbreiter verfolgt werden können, jedoch immer nur einer der Beteiligten und zwar in der angegebenen Reihenfolge. Kann der zuerst Angegriffene seinen Vormann im Bereich der inländischen Gerichtsbarkeit nachweisen, so fällt die gegen jenen gerichtete Verfolgung fort. Kann oder will er dagegen diesen Nachweis nicht führen, so trifft ihn die Strafe des Thäters auch ohne den Nachweis der eignen Verschuldung. Dieses System hatte in der frühern deutschen Preßgesetzgebung, insbesondere in der preußischen Verordnung vom 30. Juni 1849 sowie in Baden, Württemberg etc., ebenfalls Anwendung gefunden. Dasselbe erscheint jedoch verwerflich, weil es eine Strafe eintreten läßt, ohne daß der Beweis der Schuld erbracht ist. Das deutsche Preßgesetz hat deshalb nach dem Vorgang des preußischen Preßgesetzes dieses System der stufenweisen Verantwortlichkeit verlassen. Nur der verantwortliche Redakteur einer periodischen Druckschrift wird nach § 20 des Reichspreßgesetzes auch ohne den besondern Beweis seiner Schuld als Thäter bestraft, sofern nicht durch besondere Umstände die Annahme seiner Thäterschaft ausgeschlossen wird. Eine Umgehung des Gesetzes kann freilich insofern bewirkt werden, als nicht der wirkliche Redakteur, sondern ein Strohmann (Sitzredakteur) auf den Druckexemplaren als verantwortlicher Redakteur bezeichnet wird. Um solchem Mißbrauch einigermaßen zu begegnen, bedroht § 18 des Preßgesetzes den Verleger einer periodischen Druckschrift mit Geldbuße bis zu 1000 Mk. oder Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten, wenn er wesentlich geschehen läßt, daß auf der Druckschrift eine Person fälschlich als Redakteur bezeichnet wird.

Dem Verleger, dem Drucker und dem gewerbsmäßigen Verbreiter und in erster Linie dem verantwortlichen Redakteur, welcher die Vermutung der wissentlichen Veröffentlichung widerlegt hat, gegenüber stellt das Reichspreßgesetz (§ 21) die Vermutung einer fahrlässigen Handlungsweise in Bezug auf die Veröffentlichung des strafbaren Inhalts auf und bedroht dieselben, falls sie nicht als Thäter oder Teilnehmer nach den allgemeinen Strafgesetzen zu bestrafen sind, mit einer außerordentlichen Strafe bis zu 1000 Mk. oder mit Haft oder Festungshaft oder Gefängnis bis zu einem Jahr. Von dieser außerordentlichen Strafe kann der Angeschuldigte sich befreien, wenn er die Anwendung pflichtmäßiger Sorgfalt oder Umstände nachweist, welche diese Anwendung unmöglich gemacht haben. Die Bestrafung bleibt ferner auch dann ausgeschlossen, wenn er den Verfasser oder einen der in der Reihenfolge des § 21 vor ihm Benannten im Bereich der deutschen Gerichtsbarkeit nachweist. Für diese außerordentliche Bestrafung ist also das System der stufenweisen Verantwortlichkeit in der Weise angenommen, daß neben dem Thäter des Preßdelikts nur eine der mitwirkenden Personen (Redakteur, Verleger, Drucker u. Verbreiter) und nur in der angegebenen Reihenfolge belangt werden kann.

Mit der Bestrafung des Thäters verbindet sich nach § 40 des Strafgesetzbuchs die Vernichtung der noch nicht in den Privatgebrauch übergegangenen Exemplare der strafbaren Druckschrift, wobei zugleich die zur Herstellung bestimmten Platten und Formen unbrauchbar zu machen sind. Eine vorläufige Beschlagnahme kann sowohl durch das für die Untersuchung zuständige Gericht als auch durch die Polizeibehörden verfügt werden. Die Beschlagnahme von Druckschriften ohne richterliche Anordnung findet jedoch nur statt bei gewissen Übertretungen des Preßgesetzes (§ 6, 7, 14 und 15), sowie wenn der Inhalt der Druckschrift den Thatbestand einer der in den § 85, 95, 111, 130 und 184 des Strafgesetzbuchs mit Strafe bedrohten Handlungen begründet. Die Bestätigung der vorläufigen Beschlagnahme muß von der Staatsanwaltschaft binnen 24 Stunden bei dem zuständigen Gericht beantragt und von dem Gericht binnen fernern 24 Stunden erlassen werden. Die Beschlagnahme tritt außer Kraft, wenn nicht binnen fünf Tagen der bestätigende Gerichtsbeschluß der anordnenden Behörde zugegangen ist. Eine Beschwerde gegen die Freigebung findet nicht statt. Die Beschlagnahme muß ferner wieder aufgehoben werden, wenn nicht binnen zwei Wochen nach der Bestätigung die Strafverfolgung in der Hauptsache eingeleitet worden ist.

Die Verjährung der Strafverfolgung wegen derjenigen Verbrechen und Vergehen, welche durch die Verbreitung von Druckschriften strafbaren Inhalts begangen werden, sowie der im Preßgesetz mit Strafe bedrohten Vergehen gegen die Ordnung der P. tritt nach § 22 binnen sechs Monaten ein, welche von dem Tag der ersten Verbreitung gerechnet werden (wogegen die Strafverfolgung wegen der Verbreitung des Nachdrucks nach § 34 des Gesetzes über das Urheberrecht vom 11. Juni 1870 binnen drei Jahren vom Tag der letzten Verbreitung verjährt). Die Kompetenz der Schwurgerichte ist auf die mit höhern Strafen bedrohten Verbrechen beschränkt. Die 1848 von der Nationalversammlung in Frankfurt beschlossenen Grundrechte enthielten dagegen den Satz, daß über alle Preßvergehen, welche von Amts wegen verfolgt werden, die Schwurgerichte entscheiden sollen. Auch bei der zweiten Lesung des Preßgesetzes und der deutschen Strafprozeßordnung wurde ein gleich lautender Beschluß vom Reichstag gefaßt. Derselbe scheiterte jedoch an dem Widerspruch der Regierungen, welche nur so viel zugestanden, daß in dem Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz, § 6, die Beibehaltung der Kompetenz der Schwurgerichte für Preßvergehen in denjenigen Ländern (Bayern, Württemberg, Baden und Oldenburg), wo dieselbe durch die Landesgesetzgebung begründet ist, ausgesprochen wurde. Jene Forderung ist seitdem oft, aber ohne Erfolg wiederholt worden. Auch die Beseitigung des Zeugniszwanges ist nicht gelungen. Zu gunsten des Redakteurs, des Verlegers, des Druckers und des Hilfspersonals der P. wollte nämlich der Reichstag seiner Zeit eine Ausnahme von der allgemeinen Zeugnispflicht für solche Untersuchungen einführen, in welchen der Redakteur einer periodischen Druckschrift wegen einer darin abgedruckten Zuschrift strafrechtlich verfolgt werden könnte. Dies scheiterte jedoch ebenfalls an dem Widerspruch der Bundesregierungen. Wahrheitsgetreue Berichte über