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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Prozession; Prozessionskreuz; Prozessionsspinner; Prozeßlegitimation; Prozeßleitung

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Prozession - Prozeßleitung.

fluß der allgemeinen Handlungs- und Dispositionsfähigkeit. Wer sich durch Verträge verpflichten kann, ist prozeßfähig. Dabei wird besonders hervorgehoben und bestimmt, daß die natürliche Gewalt, unter welcher ein Großjähriger steht, die ehemännliche Gewalt und eine etwanige Geschlechtsvormundschaft auf die P. ohne Einfluß sind. Personen, welchen die P. fehlt, wie Minderjährige, Geisteskranke u. dgl., bedürfen eines gesetzlichen Vertreters; doch ist die Zulassung eines Prozeßunfähigen oder eines nicht legitimierten gesetzlichen Vertreters bei Gefahr im Verzug gestattet.

Prozession (lat.), überhaupt jeder feierliche öffentliche Aufzug mehrerer Personen, besonders in der römisch-katholischen Kirche ein feierlicher Aufzug der Geistlichkeit und des Volkes um Altäre, Kirchen oder durch die Straßen, wobei heilige Gegenstände, Evangelienbuch, Reliquien, Bildnisse, Kreuze und Fahnen, zur Schau getragen sowie geistliche Lieder und Gebete (Litaneien) abgesungen werden. Je nach dem Tag, an welchem sie stattfinden, und dem Zweck, dem sie dienen, gibt es Fronleichnams-, Votiv- und verschiedene andre Prozessionen. Einige, welche alles Unheil von den Feldern abwenden sollen, werden auch Bittgänge (s. d.) und wegen der Kreuze, die mit herumgetragen werden, Kreuzgänge genannt. Aus dem Heidentum gingen die Prozessionen in das Christentum über und wurden seit dem 4. Jahrh. üblich, im 5. und 6. Jahrh. zu regelmäßig wiederkehrenden Institutionen ausgebildet. In manchen protestantischen Ländern, z. B. in Sachsen, sind den Katholiken Prozessionen auf den Straßen nicht gestattet u. auch in katholischen Ländern hier u. da auf die Kirchen beschränkt.

Prozessionskreuz (Vortragekreuz), s. Kreuz, S. 198, und Kruzifix.

Prozessionsspinner (Eichenprozessionsspinner, Cnethocampa processionea L., s. Tafel "Waldverderber II"), Schmetterling aus der Familie der Spinner (Bombycidae), 3,7 cm breit, dünn bräunlichgrau beschuppt, mit zwei verwischten, dunklern Querbinden auf den Vorderflügeln, lichtern Hinterflügeln mit sehr schwacher, dunklerer Querbinde, zottig graubraun behaartem Mittelrücken und walzigem, bräunlichem Hinterleib, welcher in einen braunen, knopfartigen Büschel kurzer, dichter Haare endet. Das Männchen ist kleiner und schärfer gezeichnet. Der Schmetterling findet sich in Mitteleuropa, Ungarn, Nordfrankreich, aber nur lokal; er erscheint im August u. September, schlüpft abends aus, und alsbald nach der Paarung stirbt das Männchen. Das Weibchen legt 150-250 Eier in Häufchen u. lose mit einigen Afterhaaren bedeckt an die Rinde der Eichenstämme. Die im Mai des kommenden Jahrs ausschlüpfende Raupe ist vorn bläulich-, hinten grünlichgrau mit schwärzlichem Streifen über dem Rücken und rötlichbraunen Knospenwarzen, welche lange Büschel weißer Haare tragen, die starke Entzündung auf der Haut des Menschen und auf den Schleimhäuten der Tiere erzeugen. Die Haare (s. Fig.) sind nämlich mit Widerhaken versehen und stehen mit Giftdrüsen in Verbindung, aus welchen sie sich bei der Berührung mit einer ätzenden Flüssigkeit füllen, die beim Abbrechen der Haare sich entleert. In den abgebrochenen Haaren trocknet dies Sekret ein und erhält sich lange Zeit. Auf feuchter Haut wird es wieder flüssig und wirksam. Die Raupen leben gesellig vom ersten Frühjahr bis Juni an Eichen, ruhen des Tags am Stamm, ziehen abends in geschlossener Ordnung auf den Fraß und setzen sich am Morgen wieder am Stamm klumpenweise zusammen. Besonders später behalten sie denselben Ruheplatz bei und umspinnen denselben mit losen Fädchen, an welchen die Häute nach der Häutung und die Kotklümpchen hängen bleiben. Sie verpuppen sich auch in dem verdichteten Nest in papierartigen, weißlichen, bienenwabenartig fest miteinander verbundenen Kokons. Die Puppe ist gedrungen, fast tonnenförmig, hellbraun mit kantig vorstehenden Leibesringen und zwei Haken. Der P. wird den Eichenwaldungen sehr verderblich, und im Notfall geht die Raupe auch auf andre Laubhölzer und selbst auf Feldfrüchte. Zur Bekämpfung sammelt man die Raupen- und Puppennester, hat aber die größte Vorsicht anzuwenden, um sich gegen die Brennhaare der Raupe zu schützen. Die von der Raupe befallenen Forsten sind im übrigen dieser Brennhaare halber für die Menschen wie für das Vieh abzusperren. Die Sammler der Nester atmen am besten hinter einem Tuch und bestreichen den Körper mit Fett. Ist Entzündung eingetreten, so gibt man innerlich und äußerlich Öl und Milch; bei Neigung zum Brechen ist dies zu unterstützen und bei innerlichen Leiden jedenfalls der Arzt zu rufen. Der Kiefernprozessionsspinner (C. pinivora Kuhlw.), 3,3 cm breit, dem vorigen sehr ähnlich, erscheint im April und Mai, aber nur lokal in den Tiefebenen und dem Hügelland um das Ostseebecken, auch bis Dessau, Dresden. Die Raupen, deren Haare ebenso gefährlich sind wie die der vorigen, erscheinen im Juni, Juli, meist in Gesellschaft der Nonnenraupe, an den Kieferzweigen klumpenweise, ziehen zum Fraß im Gänsemarsch auf und fressen hauptsächlich Kiefernadeln, im Notfall Wacholder- und Birkenblattstiele. Sie bauen keine dichten Nester auf den Bäumen, ruhen aber im dürren Sand versteckt unter einem Gewebe. Hier verpuppen sie sich im Juli oder August in filzgrauen, nicht so regelmäßig miteinander verbundenen Kokons, und die Puppen überwintern. Die Eier werden, wie es scheint, in Reihen an die Nadeln abgesetzt. Die Wirkungen des Fraßes kommen etwa denen der Forleule gleich.

^[Abb.: Brennhaar der Prozessionsraupe. b Widerhaken, ch elastischer Ring, g Giftdrüse, c Haut der Raupe.]

Prozeßlegitimation (Legitimatio ad processum), der Nachweis, daß der für eine Partei in einem bürgerlichen Rechtsstreit Auftretende zu ebendieser Vertretung berechtigt ist. Dieser Nachweis ist entweder durch Prozeßvollmacht (s. d.) oder dadurch zu erbringen, daß der Vertreter ein Vertretungsverhältnis nachweist, welches ihn zur Prozeßführung für die betreffende Partei berechtigt, z. B. als Vorstand einer Korporation, Genossenschaft u. dgl. Der Nachweis eines Rechtsanwalts, daß er zur Ausübung der advokatorischen Praxis befugt sei, wird durch den Eintrag in die bei jedem Gericht zu führende Liste der zugelassenen Rechtsanwalte bewirkt (Legitimatio ad praxim).

Prozeßleitung, die richterliche Thätigkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, insofern sie die Ordnung und den Fortgang des Verfahrens und seiner Verhandlungen zum Gegenstand hat. Die P. ist eine