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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Regen

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Regen (regenarme und regenreiche Gegenden, Einfluß der Waldungen etc.).

die Niederschläge in den Wintermonaten so vermehrt, daß Dezember und Januar die regenreichsten Monate sind. An den Westküsten von England und Schottland ist die jährliche Regenhöhe mehrfach größer als 1875 mm, erreicht in Cumberland 2500 mm u. beträgt in Seathwaite im Borrowdale an dem südlichen Ende Derwentwaters im Durchschnitt 3500 mm und etwas höher; an einem Hügelabhang betragen die Durchschnittsniederschläge sogar 4375 mm, die größte Höhe, die in Europa gemessen ist. Das Innere Europas erhält seinen meisten R. im Sommer, zum Teil aus dem Grund, weil dann die Wärme häufigere und stärkere aufsteigende Luftströmungen verursacht, mehr aber infolge der über Mitteleuropa im Sommer aus NW. von dem Atlantischen Ozean hereinbrechenden kalten Luftströmungen (s. unten: Regenverhältnisse von Deutschland); doch ist die durchschnittliche jährliche Regenmenge (ca. 700 mm) viel geringer als in Westeuropa. Norwegen liefert ein schönes Beispiel für den Einfluß der Höhenverhältnisse auf die Regenmenge. Auf der Windseite der Gebirgsmassen Norwegens, d. h. an der Westküste, an welche die feuchten Seewinde anprallen und zum Aufsteigen gezwungen werden, beträgt die Regenmenge über 1900 mm jährlich, in Bergen auch noch 1722 mm, in Christiania dagegen auf der Land- (Schutz-) Seite des Windes nur 725 mm. In sehr bedeutenden Höhen über den gewöhnlichen Wolkenschichten nehmen die Niederschläge wieder ab, weil die Luft hier überhaupt nicht viel Feuchtigkeit enthält und sich die meisten Niederschläge unterhalb bilden. Im Innern Asiens ist die jährliche Menge des Niederschlags durchschnittlich sehr gering, so z. B. in Barnaul nur 190 mm (in St. Petersburg noch 450 mm). Die Ostküste Asiens zeichnet sich durch die Trockenheit ihres Winters (diese ist auch für die ganze zirkumpolare Zone oder die sechste Regenzone charakteristisch) aus, in dem nordwestliche Landwinde herrschen, und durch die Feuchtigkeit ihres Sommers, welche eine Folge der vorherrschenden südöstlichen Seewinde ist. Die jährliche Regenmenge beträgt in Peking 620 mm, in Japan 1000-1100 mm, an der Mündung des Amur 880 mm.

In Nordamerika besitzt der nördliche Teil der Westküste ähnliche Regenverhältnisse wie die Küsten des nordwestlichen Europa, d. h. einen regnerischen Herbst und eine jährliche Regenmenge zwischen 1500 und 3000 mm. Die kalifornische Küste, welche in der subtropischen Regenzone liegt, hat dagegen Winterregen, wie Südeuropa; in San Francisco ist die jährliche Regenmenge 600 mm. Im O. des Felsengebirges finden wir ein sehr regenarmes Gebiet. Der östliche Teil Nordamerikas erhält seinen Niederschlag hauptsächlich in der Gestalt von Sommerregen, welche durch die in dieser Jahreszeit daselbst herrschenden Seewinde (östliche) verursacht werden. Die Regenverhältnisse der südlichen Erdhälfte sind im ganzen weniger bekannt als die der nördlichen; doch zeigen auch hier die Westküsten einen größern Regenreichtum als die Ostküsten infolge der herrschenden Seewinde und der Konfiguration des Landes (hohe Gebirge im W.); so z. B. hat das südliche und mittlere Chile, wo die feuchten Seewinde von dem Küstengebirge aufgefangen und zum Abgeben ihres Dampfgehalts gezwungen werden, Regenhöhen von 2400-3350 mm, von welchen der größte Teil auf die Wintermonate Juni und Juli fällt, während Buenos Ayres an der Ostküste nur 1340 mm Regenhöhe hat; ferner ist die Regenhöhe an der den Westwinden ausgesetzten Westküste von Neuseeland 2840 mm, während sie an der Ostküste nur zwischen 650 und 800 mm sich bewegt. In dem südlichen, außerhalb der Tropen gelegenen Teil von Australien beträgt die jährliche Regenhöhe an der Südküste 700 bis 800 mm, an der Ostküste 1200 mm; im südlichsten Teil von Afrika schwankt sie zwischen 600 und 770 mm. - Innerhalb der einzelnen Regengürtel gibt es Gebiete und einzelne Orte, die man als regenlos, regenarm und regenreich bezeichnen kann. Regenlos ist z. B. die Sahara, regenarm der Wüsten- und Steppengürtel von Nordostafrika, Arabien, Syrien, Mesopotamien, Iran bis zur Gobiwüste, die Küsten von Peru und Nordchile, das Innere Australiens und die östliche Seite des Felsengebirges in Nordamerika sowie das Hochplateau in Mexiko. Zu den regenreichsten Gegenden der Erde gehören, wie zum Teil schon erwähnt, die des Kalmengürtels, ferner Indien, die Südseite der Alpen. Die Südwestseiten der Pyrenäen, des Harzes, des Riesengebirge, des Kaukasus sind im Vergleich zu den Nordostseiten derselben Gebirge viel regenreicher; man nennt sie deshalb auch die Regenseiten der Gebirge. Um die Größe der Niederschläge durch eine Zeichnung zu veranschaulichen, pflegt man entweder diejenigen Orte, welche gleiche Jahresniederschläge besitzen, durch Kurven zu verbinden, die man Isohyeten nennt, oder man pflegt Regenkarten zu entwerfen, auf welchem die verschiedenen Gebiete desto dunkler gezeichnet sind, je mehr R. in ihnen fällt. Da die Regenmengen an nahegelegenen Orten oft sehr verschieden sind, so können diese Karten nur dann ein richtiges Bild geben, wenn sie auf zahlreiche Beobachtungen basiert sind, und da diese noch für weite Gebiete fehlen, so ist es vorläufig erst möglich, für die Kulturstaaten einigermaßen genaue Regenkarten zu entwerfen. Die Ansicht, daß Waldungen den R. befördern, kann nicht in Abrede gestellt werden; die Vergleichung bewaldeter Berggipfel mit unbewaldeten ergibt auf erstern häufigere Nebel- und Quellenbildung, mithin größere Feuchtigkeit. Die Entwaldung vermehrt die Verdunstung und beeinflußt die Verteilung der Niederschläge, wahrscheinlich auch die Größe derselben. Dieser Einfluß wird freilich nicht überall gleich deutlich hervortreten, sondern sich nur unter besondern Verhältnissen in unzweifelhafter Weise geltend machen. So wird berichtet, daß die Provence, namentlich das Var-Departement, vor 1821 einen Reichtum an Bächen und Quellen besaß, daß aber, nachdem in diesem Jahr die Ölbäume, die fast Wälder bildeten, erfroren und abgehauen waren, die Quellen versiegten und der Ackerbau schwierig wurde. Ebenso wird aus der neuern Zeit berichtet, daß in gewissen Teilen der Insel Mauritius früher selten ein trockner und wolkenloser Tag war, daß aber gegenwärtig infolge der Entwaldung die Trockenheit so häufig ist, daß das Zuckerrohr nicht mehr gedeiht und sein Anbau vielfach hat aufgegeben werden müssen, daß die Flüsse einen Teil ihrer Gewässer verloren haben, Bäche beinahe ganz verschwunden und Sümpfe und Seen ausgetrocknet sind. Wenn auch die ganze Regenmenge, welche auf die Insel fällt, durch die Entwaldung nicht wesentlich beeinflußt sein wird, so fällt der R. gegenwärtig doch weniger in den Bezirken, welche durch ein übertriebenes Entwaldungssystem nackt gemacht sind. Ähnliche Verhältnisse sind auch auf den Westindischen Inseln eingetreten. Umgekehrt hat auch die in dem letzten Dezennium zunehmende Bewaldung in dem mittlern Teil von Vorderindien eine Zunahme der Regenhöhe zur Folge gehabt. - In neuerer Zeit ist mehrfach die Ansicht ausgesprochen, daß die