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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Richter

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Richter (Personenname).

auf die Berufsrichter, also nicht auf die Handelsrichter, welche aus dem Handelsstand zu Beisitzern in die Handelskammern der Landgerichte gewählt werden, und deren Amt ein Ehrenamt ist, ebensowenig auf die Gewerbtreibenden, welche Mitglieder der Fabrik- und Gewerbegerichte sind, und auf diejenigen, welche als Schöffen oder Geschworne fungieren; auch auf die zur Verhütung von Prozessen bestellten Schiedsmänner oder Friedensrichter finden diese Vorschriften keine Anwendung. Die Grunde, welche einen R. in Ansehung einer einzelnen Untersuchungs- oder Zivilprozeßsache unfähig machen, sind in der deutschen Strafprozeßordnung und in der Zivilprozeßordnung aufgeführt; so ist z. B. ein R. in einer Untersuchung unfähig, in welcher er selbst der Verletzte, in einer Prozeßsache, in welcher er selbst Partei, in einer Rechtssache, in der er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist, etc. Auch kann ein R. wegen Besorgnis der Befangenheit aus allen Gründen abgelehnt werden, welche geeignet sind, Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Vgl. Deutsche Strafprozeßordnung, § 22 ff.; Zivilprozeßordnung, § 41 ff.; Gerichtsverfassungsgesetz, § 1-11.

Richter, 1) Joseph, dramat. Dichter und Publizist, geb. 16. März 1748 zu Wien, ist historisch merkwürdig dadurch, daß er der erste Theaterdichter war, welcher eine Tantieme und zwar die Einnahme der dritten Aufführung seiner Stücke erhielt. Auch ist er der Gründer einer im österreichischen Dialekt geschriebenen Zeitschrift: "Eipeldauer Briefe" (gegründet 1785), die nach ihm von Gewey, Bäuerle, Gleich, Weiß und Anton Langer (unter dem Titel: "Briefe des Hans Jörgel") fortgesetzt wurde und eine reiche Quelle für interne Sittengeschichte und den Volksdialekt bildet. R. polemisierte auch gegen den Hanswurst. Von seinen eignen Stücken, für die Gegenwart ohne Wert, wurden die "Zimmerherren in Wien" und das Schauspiel "Das Räubermädchen von Baden" noch im ersten Viertel des 19. Jahrh. auf Wiener Vorstadtbühnen gegeben. R. hatte fremde Länder besucht und in Frankreich den Encyklopädismus kennen gelernt, den er auch durch sein "ABC-Buch für große Kinder" nach Wien zu verpflanzen suchte und zwar mit vielem Erfolg. Er war rastlos in der Polemik gegen alle, welche Kaiser Joseph bekämpften; starb 16. Juni 1813. Seine "Sämtlichen Schriften" erschienen in 12 Bänden (Wien 1813).

2) Jean Paul Friedrich, gewöhnlich mit dem Schriftstellernamen, den er selbst gewählt hatte, Jean Paul genannt, der gefeiertste unter den deutschen Humoristen, wurde 21. März 1763 zu Wunsiedel geboren. Sein Vater, dort Rektor und Organist (die Mutter war aus Hof gebürtig, Tochter eines wohlhabenden Tuchmachers), erhielt, als Jean Paul zwei Jahre zählte, die Pfarrstelle des unweit Hof lieblich gelegenen Dorfs Joditz, und hier verbrachte der Dichter seine Kindheitsjahre in stiller, häuslicher Beschränkung, meist sogar von der Dorfschule fern gehalten. Aus jener Zeit stammte die Neigung Jean Pauls zum Stillleben, zum "geistigen Nestmachen", der er sein ganzes Leben lang treu blieb. In dem nahen Schwarzenbach, wohin der Vater 1776 versetzt wurde, besuchte der Knabe zuerst regelmäßig die öffentliche Schule, blieb aber im übrigen meist auf selbstgewählte Bildungsmittel angewiesen. Er las schon damals in regellosem Durcheinander alles, was ihm vorkam; in Exzerptenhefte, welche bald zu Foliantendicke anschwollen, trug er, wie er das bis ins Alter fortgetrieben hat, die mannigfaltigsten Notizen ein. Das unermeßliche Detail aus den verschiedenartigsten Wissensgebieten, welches er in dieser Art zusammenhäufte, diente ihm später nicht eben vorteilhafterweise zur Verwertung in seinen Schriften. Um Ostern 1779 bezog er das Gymnasium in Hof. Bald darauf starb sein Vater. Die Mittellosigkeit der Mutter wurde zwar anfangs für Jean Paul wenig fühlbar, weil seine Familie Unterstützung bei den Hofer Großeltern fand. Als aber nach kurzer Zeit auch diese starben, ohne daß von ihrem Vermögen etwas an Jean Pauls Mutter kam, kehrte bei dieser bitterste Armut ein, unter welcher auch der Dichter lange Jahre schwer zu leiden hatte. Schon während seiner Gymnasialzeit regte sich in Jean Paul schriftstellerische Produktionslust. So schrieb er 1780 eine Anzahl Aufsätze über philosophische und naturwissenschaftliche Gegenstände. Unter den ihm damals bekannten Schriftstellerei wirkte Hippel am stärksten auf ihn. 1781 ging er nach Leipzig, um Theologie zu studieren; es war ihm jedoch mit seiner Brotwissenschaft von Anfang an kein rechter Ernst. Unter den Professoren, welche er hörte, fesselte ihn der Philosoph Platner eine Weile; bald aber zog er sich fast ausschließlich auf litterarische Privatstudien zurück. Jetzt wurde Rousseau sein Lieblingsautor, auch von den englischen Humoristen und Satirikern fühlte sich das wahlverwandte Element in ihm mächtig angezogen. Zu den elf großen Quartbänden von Exzerpten, die er nach Leipzig mitgebracht, gesellte sich hier eine weitere stattliche Reihe. Jean Paul trug mit bienenartiger Emsigkeit unglaubliche Massen von Notizen zusammen; in zierlicher Schrift wurden Sammlungen witziger Einfälle, interessanter Begebenheiten, Anekdoten u. dgl. angelegt und fortgeführt; ein besonderes Buch, welches den Titel "Thorheiten" trug, füllte sich mit Stoff zu künftigen Satiren. Als aber gegen Ende 1781 die materielle Bedrängnis immer höher stieg und die Hoffnung auf Gelderwerb durch Unterricht fortwährend unerfüllt blieb, beschloß er, aus schriftstellerischen Arbeiten den Lebensunterhalt für sich und die Seinigen zu gewinnen. Er arbeitete zunächst, angeregt durch des Erasmus "Encomium moriae", ein (bis jetzt ungedrucktes) "Lob der Dummheit" aus, in welchem diese redend eingeführt wird und ihr Eigenlob verkündigt. Das Buch fand keinen Verleger. Dagegen gelang es Jean Paul, einen solchen für eine Sammlung einzelner satirischer Aufsätze zu finden, die anonym unter dem Titel: "Grönländische Prozesse" (Berl. 1783) erschien und Satiren über Schriftsteller, Theologen, Weiber, Stutzer, den Ahnenstolz u. dgl. enthielt. Der Stil des Buches ist schon echt Jean-Paulisch, insofern es darin von oft sehr gesuchten, oft aber auch überaus treffenden Gleichnissen wimmelt und die Antithese bereits als eine bis zum Übermaß gebrauchte Form der Diktion dort vorherrscht. Es weht ein Geist freisinniger Auflehnung gegen alles Dumme und Schlechte durch das Buch; aber schon hier, wie in allen spätern Werken Jean Pauls, ist zu merken, daß der Verfasser die Welt und das Leben mehr aus Büchern als aus unmittelbarer Erfahrung kannte. Die "Grönländischen Prozesse" fanden bei Publikum und Kritik kühle Aufnahme, der Verleger Voß hatte keine Lust zu weitern Experimenten mit dem jugendlichen Autor; dennoch arbeitete dieser rüstig fort und schrieb neue satirische Aufsätze. Aber mitten in dieser Thätigkeit sah er sich von der Not gedrängt, seinen Gläubigern durch heimliche Entfernung von Leipzig auszuweichen. Im November 1784 traf er, fast erstarrt vor Kälte und mit erfrorner rechter Hand, in Hof ein, wo jetzt seine Mutter in den beschränktesten Umständen lebte. Unter mannigfaltiger Störung und Entbehrung setzte