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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Rotes Kreuz

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Rotes Kreuz (Hilfsinstitut für die vaterländische Armee).

ist gestattet, an Stelle des roten Kreuzes den roten Halbmond zu setzen; Japan hat das rote Kreuz zwar beibehalten, aber durch weiße Querlinien gleichsam in vier rote Rechtecke verwandelt. R. K. ist auch die allgemeine Bezeichnung für die Pflege der Kranken und Verwundeten im Krieg, wie dieselbe in der Genfer Konvention vertragsmäßig artikuliert worden ist, und speziell für das Institut der freiwilligen Krankenpflege, wie sich dasselbe aus den Beschlüssen der von Delegierten fast aller europäischen Länder und namentlich der Regierungen beschickten Genfer Konferenz vom Oktober 1863 entwickelt hat. Zum Roten Kreuz gehören daher auch die Ritterorden (Johanniter, Malteser und Georgsritter) und die geistlichen Genossenschaften, welche sich mit der Pflege der Verwundeten und Kranken im Krieg befassen. Ganz vorzugsweise versteht man aber unter den Vereinen des Roten Kreuzes diejenigen Hilfsvereine, welche auf Grund der Beschlüsse der 1863er Konferenz dem militärischen Sanitätsdienst dienstbar sind. Das Rote Kreuz umfaßt heute 33 Landesvereine und erstreckt sich über die ganze Welt. Diese Landesvereine bestehen nur in Staaten, welche der Genfer Konvention beigetreten sind, und die Aufnahme in die Gemeinschaft erfolgt durch das internationale Komitee in Genf. In den verschiedenen Ländern haben die Vereine verschiedene Namen angenommen: Vereine vom Roten Kreuz (sociétés de la croix rouge), Vereine zur Pflege im Feld verwundeter und erkrankter Krieger (sociétés de secours aux blessés militaires) etc.; die ursprüngliche, zu Verwechselungen Anlaß gebende Bezeichnung "internationale Hilfsvereine" ist fast gänzlich in Wegfall gekommen. Die Vereine sind teils Männer-, teils Frauenvereine (s. Frauenvereine vom Roten Kreuz), teils solche, in denen sowohl Männer als Frauen Aufnahme finden. Den Hauptzweck bildet die Fürsorge für die Verwundeten und Kranken im Krieg, bei einigen Vereinen sogar den alleinigen, so z. B. in Italien und Rußland. Die Mehrzahl der Vereine erstreckt aber statutarisch ihren Zweck auch auf die Hilfsleistung in Notständen, welche, wie der Krieg, rasche und geordnete Hilfe verlangen. Es beruht dies auf den Beschlüssen der Berliner internationalen Konferenz von 1869. Bei dem amerikanischen Roten Kreuz ist die Pflege der verwundeten und erkrankten Krieger nicht mehr der Hauptzweck, vielmehr will der Verein Hilfe leisten in allen Fällen öffentlicher Not, welche durch Krieg, Pestilenz, Feuer, Hunger, Überschwemmung etc. hervorgerufen sind, und zwar mit Geld, Material, Krankenpflegern oder anderm persönlichen Beistand.

Die Kriegsthätigkeit der Vereine ist eine doppelte: 1) als Hilfsinstitut für die vaterländische Armee mit dem Zweck, im Fall eines Kriegs im Sanitätsdienst der eignen Armee helfend und ergänzend einzutreten, und 2) bei Kriegen zwischen auswärtigen Staaten den Verwundeten und Kranken der kriegführenden Armeen werkthätige Hilfe zu bringen durch sanitäres Personal und Material.

1) In den meisten Ländern ist die Stellung der Vereine durch den Staat und die Gesetzgebung geordnet und mehr oder weniger militarisiert worden. Vollkommen autonom ist das Rote Kreuz in England. Ziemlich unabhängig von den Militärbehörden und der Regierung ist es in Rußland; im Krieg 1877/78 nahm es sogar eine leitende Stellung ein und entfaltete freie Thätigkeit. Doch sind gegenwärtig auch in Rußland Maßregeln in Aussicht genommen, um die Organisation des Roten Kreuzes eng an das Sanitätswesen der Armee anzuschließen. In den Staaten, in denen die Gründung des Roten Kreuzes von der Regierung ausging (z. B. den Niederlanden, Spanien, den Vereinigten Staaten), blieb die Oberleitung des Vereinswesens in den Händen der staatlichen Organe. In andern Staaten sind die Vereine durch Akte der Gesetzgebung in ein festes und organisches Verhältnis zur Armee gebracht worden. In einer Anzahl von Staaten ist der in den Beschlüssen der Genfer Konferenz aufgestellte Grundsatz, daß sich in jedem Land Ein Hilfsverein etc. bilden solle, und daß dem Zentralkomitee dieses Vereins die gesamte Leitung der auf die freiwillige Kriegskrankenpflege gerichteten Thätigkeit zustehen solle, zur Durchführung gelangt. Es ist dies der Fall in Dänemark, in Italien, wo das Zentralkomitee in Rom unmittelbar unter dem Kriegsminister steht und der Vereinspräsident vom König auf den Vorschlag des Kriegs- und Marineministers ernannt wird, auch bei der Mobilmachung der Armee besondere Vollmachten erhält, in Belgien, in den skandinavischen Staaten und namentlich in Frankreich (Präsidialdekret vom 3. Juli 1884). Der französische Verein steht direkt unter der Autorität des Kriegsministeriums, des Militärkommandos und des Direktors des Militärsanitätswesens. Der Gesellschaft selbst ist das Monopol beigelegt worden; jeder Verein muß sich ihr unterordnen.

In Österreich-Ungarn und in Deutschland bilden die Vereine vom Roten Kreuz nur den einen Faktor der freiwilligen Krankenpflege neben den Ritterorden. Organisation der österreichisch-ungarischen Vereine. Die in den im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern bestehenden Landesvereine und Frauenvereine sowie der Patriotische Hilfsverein in Wien haben sich in einem organischen Verband geeinigt: zur österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuz. In Ungarn ist der ungarische Landes-Frauen-Hilfsverein mit dem Verein vom Roten Kreuz der Länder der heiligen Krone Ungarns 16. Mai 1881 zu einem gemeinsamen Verein zusammengetreten. Die Präsidenten beider Vereine treten im Kriegsfall als kaiserliche, bez. königliche Kommissare zur Seite des Generalinspektors der freiwilligen Krankenpflege. Für die Vereinsvereinigung der beiden Reichshälften ernennt der Kaiser ein Mitglied des Herrscherhauses zum Protektor-Stellvertreter. Im Krieg ist die Thätigkeit eine gemeinsame. Im J. 1886 zählte der österreichische Verein ca. 54,000 Mitglieder in etwa 400 Vereinen mit einem Vermögen von 3,366,790 Gulden; der ungarische 48,000 Mitglieder mit ca. 400 Vereinen und einem Vermögen von 1,600,000 Guld. - In Deutschland bestehen in allen Ländern Landesvereine, welche an sich in ihrer Organisation und ihren Leistungen selbständig sind. Durch Übereinkunft vom 20. April 1869 haben sich die deutschen Vereine jedoch eine Gesamtorganisation geschaffen in dem Zentralkomitee der deutschen Vereine vom Roten Kreuz. Dasselbe wird gebildet durch das Zentralkomitee des preußischen Vereins und durch Vertreter sämtlicher Landesvereine; die Mitglieder führen darin einzeln oder vereint so viele Stimmen, als dem betreffenden Staat im Bundesrat zustehen. Das Zentralkomitee hat keine Exekutive, im Frieden ist es lediglich ein Ratgeber für die Landesvereine. Im Krieg ist dessen Stellung jetzt gesetzlich geregelt und hierdurch die Bestimmung in § 5 der Übereinkunft, daß ihm im Kriegsfall die einheitliche Vertretung der deutschen Vereine bei den Heeren und die Herbeiführung des einheitlichen Zusammenwirkens derselben obliege, zum größten Teil aufgehoben (vgl. Kriegssanitätswesen). Die