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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Rumänien

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Rumänen - Rumänien.

^[Liste]

Rumänien 5500000

Ungarn 1172000

Siebenbürgen 1500000

Bukowina 210000

Rußland 1000000

Serbien, Bulgarien 250000

Zusammen: 9632000

Da das Volk ungemein fruchtbar ist und sich nicht von andern Nationalitäten assimilieren läßt, so ist es stark im numerischen Fortschritt begriffen und dehnt sich räumlich auf Kosten der Magyaren, Szekler, Siebenbürger Sachsen, Serben und Bulgaren aus. Die bei weitem überwiegende Zahl (etwa 9 Mill.) gehört der orthodoxen Kirche an. Wie schon die Sprache andeutet, sind die R. ein Mischvolk, und es bestätigen dieses auch die von Kopernicki vorgenommenen Schädelmessungen, welche eine große Mannigfaltigkeit ergeben. Es lassen sich drei Haupt- und zwei Neben- und Übergangsgruppen unterscheiden. Die zahlreichsten Schädel zeigen den Mitteltypus, dann folgt der brachykephale und zuletzt, als am wenigsten vertreten, der dolichokephale Typus. Welcker giebt den R. einen Breitenindex von 80, rechnet sie also zu den Subbrachykephalen. Die Männer sind meist von Mittelgröße, und kleine Gestalten gehören zu den Ausnahmen. Der Wuchs ist schlank, regelmäßig, das Profil meist hübsch, das Auge schwarz, der Mund wohlgebildet. Die Haare sind dicht, lang und dunkel. Im Sommer hüllt sich der Rumäne (immer die ländliche Bevölkerung als Typus festgehalten) in Leinenstoff, der als weite Hose und bunt gesticktes Hemd getragen wird. Ein breiter Filzhut oder eine Schaffellmütze dienen als Kopfbedeckung. Im Winter trägt er wollene Hose, Pelzjacke und Lodenmantel. Das rumänische Mädchen zeichnet sich durch Schönheit der Gestalt und Bewegung aus; Kopf- und Gesichtsbildung erinnern oft an antike Statuen, die dunkeln, von langen Wimpern beschatteten Augen geben dem Gesicht einen idealen Ausdruck. Allgemein üblich ist die Unsitte des Schminkens der Wangen und Färbens der Augenbrauen. Das lange, weiße Hemd, meist bunt gestickt, läßt gewöhnlich die Formen deutlich erkennen. Außer einer Schürze ist es im Sommer das einzige Kleidungsstück der rumänischen Bäuerin, die sonst mit Blumen im Haar und Gold- und Silbermünzen am Hals geschmückt ist. Während Schönheit und Sittenreinheit dem Mädchen nachgerühmt werden, ist dieses bei der Frau weniger der Fall, die eine untergeordnete Stellung einnimmt und die Arbeit im Garten, Feld und Wald, das Weben und Färben der Stoffe zu besorgen hat. Bei den R. der höhern Stände und in den großen Städten zeigt sich dagegen in allen Äußerlichkeiten ein starkes Nachahmen des Pariser Geschmacks, und die Bojarinnen gelten als prachtliebend und kokett. - Mit der geistigen Bildung sieht es in den niedern und mittlern Ständen des Volkes noch schlimm aus, und erst neuerdings geschieht in Bezug auf Gründung von Volksschulen in den verschiedenen Ländern etwas mehr. Der Rumäne gilt als hinterlistig, feig, grausam und faul, Charaktereigenschaften, die seine Nachbarn übereinstimmend ihm nachsagen; doch hat er im letzten orientalischen Krieg (1878) sich als tapferer Soldat gezeigt. Viele suchen im Nichtsthun und Rakitrinken ihr größtes Lebensglück; gern sind sie Fuhrleute. Im allgemeinen ist dem Rumänen das Streben nach Kapitalbesitz fremd. Dabei ist jedoch seine natürliche Begabung eine vorzügliche und entwickelungsfähige, sein natürliches Geschick zu mechanischen Arbeiten groß, auch zeigt er große Anlagen zum Kunstgewerbe, und sein Formensinn ist beachtenswert. Viele R. führen in den Gebirgsländern ein nomadisierendes Hirtenleben, während andre in den fruchtbaren Gegenden Siebenbürgens und des Königreichs Rumänien Ackerbauer sind, und selbst die Popen bestellen ihre Felder selbst; aber die Früchte dieser Thätigkeit fallen nur noch selten dem Arbeiter selbst in den Schoß, da der Rumäne auf dem platten Land in einem sonst in Europa kaum wieder gekannten Maß dem Juden verschuldet ist. Mais ist das Hauptnahrungsmittel des Rumänen, welcher als dünner Brotkuchen genossen wird, während Schafkäse, Speck, Zwiebeln, Obst und Fische die Zukost bilden. Charakteristisch für den Rumänen ist sein starker Aberglaube, der sein steter Begleiter auf dem ganzen Lebensgang ist. Seine Religion ist infolge der niedrigen Bildungsstufe der Popen eine sehr äußerliche. Im Festkalender spielt das Fest des Hauspatrons die größte Rolle, und Musik, Gesang, Tanz, meist von Zigeunern ausgeführt, hören das ganze Jahr wegen der vielen Feiertage nicht auf. Der Gesang der R. ist schwermütig und wenig melodiös. Vgl. Pič, Über die Abstammung der R. (Leipz. 1880); Slavici, Die R. in Ungarn, Siebenbürgen und der Bukowina (Teschen 1881); de Rosny, La patrie des Romains d'Orient (Par. 1885, mit Atlas).

Rumänien (hierzu Karte "Rumänien, Bulgarien, Serbien etc."), Königreich an der untern Donau, aus der Walachei (s. d.) und Moldau (s. d.), den sogen. Donaufürstentümern, auf dem linken Donauufer, welche 1859-78 als Fürstentum R. unter türkischer Oberhoheit standen, und der Dobrudscha auf dem rechten Donauufer bestehend, liegt zwischen 43° 38' bis 48° 50' nördl. Br. und 22° 40'-29° 30' östl. L. v. Gr. und grenzt im N. an das Königreich Ungarn und die Bukowina, im O. an Rußland u. das Schwarze Meer, im S. an Bulgarien, im W. an Serbien.

[Physische Beschaffenheit.] Die Moldau ist von einer von N. nach S. zwischen Sereth und Pruth ziehenden Parallelkette der Karpathen und von mehreren von NW. nach SO. gerichteten, zwischen den Flüssen Moldowa, Bistritza, Trotusch, Putna gelegenen Ausläufern des Hochgebirges erfüllt. Im N. der Walachei ziehen die Transsylvanischen Alpen (mit Bucsecs, 2519 m, Negoi, 2543 m, u. a.), deren Hauptkamm die Grenze gegen Siebenbürgen folgt, von O. nach W. und verzweigen sich dann in Ketten, welche eine südliche Richtung nehmen, um längs des mächtigen Donaustroms die fruchtbare Ebene zu bilden (tief gehende schwarze Erde in den Distrikten Romanatzi, Teleorman, Jalomitza mit der ausgedehnten Ebene von Baragan, Braila). Betrachtet man von der Donau aus die Walachei, so türmt sie sich amphitheatralisch von der Ebene zum Hügelland, dem Sitz der Weinberge, und zum Hochgebirge auf. Die wichtigsten Pässe, welche aus der Walachei nach Siebenbürgen führen, sind von W. nach O. der Vulkanpaß (850 m), Roteturmpaß (360 m), Törzburger Paß (240 m) und der Tömöspaß (1051 m), welchen die Eisenbahn Kronstadt-Predeal-Plojesti überschreitet; aus Siebenbürgen führt unter andern nach der Moldau der Ojtoczpaß (846 m). Der Hauptkamm des Gebirges im W. an der Donau ist durch kristallinischen Schiefer, nach O. zu abwechselnd durch Kalkstein-Sandstein und Konglomeratformationen gebildet. Die Ebene gehört tertiärer, das Donauthal quaternärer Bildung an. Mammutknochen werden in der walachischen Ebene, dieselben wie Dinotheriumknochen in der erwähnten Parallelkette der Karpathen in der Moldau gefunden. Vom Eisernen Thor bis unterhalb Silistria bildet die Donau die Südgrenze gegen Bulgarien; ihr nördliches Ufer ist flach und mit Sümpfen und Seen, den Überbleibseln früherer Strombetten, bedeckt. Ihr strömen aus der Wa-^[folgende Seite]