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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Rumänien

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Rumänien (Geschichte).

gasch und Bassaraba) vereinigten. Damit schließt Rumäniens ältere Geschichte, und es beginnt die neue, welche bis zum Verfall der Fürstentümer unter der Fanariotenherrschaft reicht, und in welcher die Fürstentümer auf Grundlage von Verträgen oder Kapitulationen unter die türkische Suzeränität kamen. Näheres über diese Zeit s. Moldau und Walachei.

Die neuere Geschichte Rumäniens beginnt mit dem Pariser Frieden vom 30. Aug. 1856, welcher das russische Protektorat in den Fürstentümern aufhob, einen Teil des russischen Bessarabien (Ismail, Bolgrad, Kahul) der Moldau zuteilte und außerdem in den Art. 23 und 25 bestimmte, daß die Bevölkerung selbst bezüglich der Grundlagen der Neugestaltung und der Verwaltungsreform befragt werden solle. Die Pforte verfügte nun die Abberufung der beiden Hospodare und ersetzte sie durch provisorische Kaimakame, deren Amt bis zur endgültigen Regelung der staatlichen Verhältnisse dauern sollte. Zum Kaimakam in der Moldau wurde Theodor Balsch, nach dessen Tod (1857) Fürst Vogorides, in der Walachei Alex. D. Ghika ernannt. Im März 1857 erließ endlich die Pforte zwei Fermane behufs Einberufung der Volksversammlungen (Diwane), und Anfang Juni trat die internationale Kommission der Großmächte in Bukarest zusammen. Die Diwane versammelten sich im Oktober zu Bukarest und zu Jassy und beschlossen in gleichlautenden Programmen die folgenden Punkte: 1) Aufrechterhaltung der Autonomie und der Rechte der Fürstentümer; 2) Vereinigung derselben zu Einem Staat R.; 3) erblicher Fürst aus einer herrschenden europäischen Dynastie; 4) Neutralität der Fürstentümer; 5) Ausübung der gesetzgebenden Gewalt durch eine Volksvertretung; dies alles unter der gemeinsamen Garantie der Vertragsmächte. Aber weder die Pforte noch die Mächte waren zur Bewilligung dieser Forderungen geneigt. Die Konferenz der Großmächte in Paris bestimmte vielmehr 19. Aug. 1858, daß die Fürstentümer Tribut an die Pforte zahlen und je einen Hospodar wählen sollten, dem der Sultan die Investitur zu erteilen habe. Die neugewählten gesetzgebenden Versammlungen der Walachei und Moldau wählten jedoch Anfang 1859 beide den Obersten Alexander Cusa zum Fürsten und stellten dadurch zunächst eine Personalunion her, welche später zur Realunion führen sollte. Cusa bestieg den Thron unter dem Namen Alexander Johann I., nachdem er zuvor eine Urkunde unterzeichnet hatte, wonach er sich verpflichtete, im Fall der Realvereinigung der Fürstentümer zu gunsten eines ausländischen Fürsten abzudanken. In der ersten Zeit seiner Regierung schon stellten sich die aus der Doppelstellung Cusas für die Verwaltung entspringenden Schwierigkeiten heraus. Mit zwei Ministerien, zwei Residenzen, in Jassy und Bukarest, und einer Zentralkommission in Fokschani, war eine komplizierte Maschinerie gegeben, mittels welcher die Organisation eines neuen Staats, die Einbürgerung der neuen Verfassung und die dadurch notwendig gewordenen durchgreifenden Reformen schwer durchgeführt werden konnten. Schon im April 1859 waren die Vertreter der sieben Vertragsmächte zu einer Konferenz zusammengetreten; sie erkannten zwar die Doppelwahl Cusas als der Konvention vom 19. Aug. 1858 widersprechend nicht an, empfahlen aber doch der Pforte die Erteilung der Investitur, welche denn auch Anfang Oktober in zwei besondern Fermanen erfolgte.

Bei der durch die langjährige Fanariotenherrschaft verursachten Verderbtheit des herrschenden Bojarenstandes und der Armut und Verkommenheit der bäuerlichen Bevölkerung war ein gesundes politisches Leben nicht möglich. Parteileidenschaft schuf bald Hader zwischen den Versammlungen und dem Fürsten, führte zu fortwährendem Ministerwechsel (Cusa hatte während drei Jahren in der Moldau 6, in der Walachei 9 Ministerien), zu Auflösungen der Versammlungen, hemmte die Entfaltung der neuen Institutionen und ließ kein Vertrauen auf dieselben aufkommen. Indes war Cusa, der allerdings durch sein leichtfertiges Leben bei den bessern Elementen Anstoß erregte, eifrig für die vollständige Union bemüht, und nach längern Verhandlungen zwischen den Vertretern der Vertragsmächte genehmigte endlich die Pforte 4. Dez. 1861 wenigstens die zeitweilige Union mit der Bestimmung, daß die Zentralkommission aufgehoben werden und der Fürst unter Mitwirkung eines gemeinsamen Ministeriums und einer einzigen Nationalversammlung regieren solle. Eine fürstliche Proklamation vom 8. Dez. erklärte hierauf die Gründung des einheitlichen Staats R. unter dem Kabinettspräsidium des hochkonservativen B. Catargiu trat 5. Febr. 1862 die erste einheitliche Nationalversammlung in Bukarest zusammen. Am 20. Juni 1862 wurde jedoch Catargiu beim Verlassen der Kammer am hellen Tag meuchlings erschossen. Die Kammer stellte sich dem neugebildeten ebenfalls konservativen Ministerium Cretzulesco feindlich gegenüber, wurde daher aufgelöst und 12. Okt. 1863 vom Fürsten ein neues Kabinett unter Vorsitz Cogalnitscheanos gebildet, welches der neuen Versammlung versöhnlich gegenübertrat und Reformen in Aussicht stellte. Die Kammer beschloß im Einvernehmen mit dem Kabinett die Abschaffung der Todesstrafe und der körperlichen Züchtigung sowie die Säkularisation der Klostergüter. Als jedoch die Kammer die Beratung eines neuen Wahlgesetzes verweigerte und dem Ministerium ein Tadelsvotum gab, wurde sie 14. Mai 1864 mittels Militärs gewaltsam aufgelöst. Eine Proklamation des Fürsten forderte das Volk auf, sich über ein Zusatzstatut der Pariser Konvention von 1858, enthaltend die Abänderung des Wahlgesetzes, Einführung des allgemeinen Wahlrechts, eines Senats und eines Staatsrats, auszusprechen. Die Volksabstimmung vom 22. Mai ergab 682,621 Stimmen mit Ja und 1307 mit Nein. Cusa reiste nun nach Konstantinopel, versicherte sich dort der Genehmigung der Pforte für den Staatsstreich, und nachdem auch die Mächte das Zusatzstatut und das neue Wahlgesetz bestätigt hatten, erfolgte deren Publikation 19. Juli.

Bis zum Zusammentritt der neuen Kammern (18. Dez. 1864) übte Cusa eine unumschränkte Gewalt aus und benutzte sie, um mehrere wichtige Gesetze zu erlassen: ein Ruralgesetz, welches die Fronen ablöste und den Bauern Grundeigentum verlieh, ein Zivil-, Kriminal- und Handelsgesetzbuch nebst den Prozeßordnungen, eine neue Gerichtsorganisation, ein Unterrichtsgesetz u. a. Alle diese Reformen dienten aber nicht dazu, Cusas Ansehen zu befestigen. Als 23. Juli 1865 die Regierung die Einführung des Tabaksmonopols und die Ablieferung der Tabaksvorräte an den Staat für 15. Aug. anordnete, kam es in Bukarest zu einem Aufstand, dessen Unterdrückung mit Waffengewalt der Regierung auch keine dauernde Macht verlieh. Die Finanzen waren durch Verschwendung und mutwillige Ausgaben zerrüttet; für 1865 ergab sich ein Defizit von 17 Mill., während anderseits Mißernten und Hungersnot die Steuerkraft des Landes erschöpft hatten und dieses dem Bankrott nahebrachten. Die Allmacht von Günstlingen (wie