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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Saint-Pol; Saint-Pons; Saint-Pourçain; Saint-Priest; Saint-Privat la Montagne; Saint-Quay; Saint-Quentin

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Saint-Pol - Saint-Quentin.

2) Jacques Henri Bernardin de, ausgezeichneter franz. Schriftsteller, geb. 19. Jan. 1737 zu Havre, genoß eine freie, aber sehr unregelmäßige Erziehung, machte frühzeitig weite und abenteuerliche Reisen, immer von dem Verlangen erfüllt, irgendwo seine ideale Republik, wie er sie in der "Arcadie" (Angers 1781) beschreibt, zu gründen, war bald in französischen, bald in russischen Diensten, in Polen, Preußen und auf der Isle de France, aber nirgends ließ ihn sein unruhiger Geist verweilen, bis er endlich 1771, von allen Hilfsmitteln entblößt, aber reich an Erfahrungen und Beobachtungen, sich in Paris niederließ. Sein erstes Werk: "Voyage à l'Isle de France" (1773, 2 Bde.), hatte keinen Erfolg; um so größern aber die "Études de la nature" (Par. 1784, 3 Bde.), in denen er die Vorliebe seiner Zeit für die Natur und ihren Haß gegen die gesellschaftlichen Mißbräuche auf das glücklichste traf, ein Werk, wissenschaftlich zwar wertlos, aber durchglüht von Begeisterung und tiefem religiösen Gefühl für die Herrlichkeit der Natur und in glänzender, reiner Sprache. Von der größten Bedeutung für diese Studien war sein Verkehr mit J. J. Rousseau gewesen, der bis zu dessen Tod ein inniger blieb. Der vierte Band dieser "Études" (1787) enthält das unzählige Male aufgelegte, in fast alle Sprachen übersetzte reizende Idyll "Paul et Virginie" (deutsch unter andern von Eitner, Hildburgh. 1866), in welchem sich alle Vorzüge des Dichters und Schriftstellers vereinigt finden, und welches seinen Ruhm so vermehrte, daß er zum Lehrer des Dauphins designiert, zum Nachfolger Bussons ^[richtig: Buffons] in der Leitung des botanischen Gartens gewählt und zum Professor der Moral an die neugegründete Normalschule berufen wurde, Ämter, denen er in keiner Beziehung gewachsen war, und die er bald aufgeben mußte. Nachdem er 1795 Mitglied des Instituts geworden war und 1798 durch eine Pension von 8000 Frank in die sorgenfreie Lage versetzt war, nach der er sich sein ganzes Leben hindurch gesehnt hatte, starb S. 21. Jan. 1814 auf seinem Landgut Eragny bei Paris. Unserm Gefühl widerstrebt in seinen Werken die ewige Sentimentalität und der Schwulst in Gefühlen und Ausdrücken, worin sich jene Zeit nicht genugthun konnte; aber er bleibt für uns der Hauptvertreter Rousseauscher Ideen. Vortrefflich sind wegen ihrer frischen Natürlichkeit und der feinen Satire die beiden Erzählungen: "La chaumière indienne" (1790) u. "Le café de Surate"; die 1796 erschienene Fortsetzung der "Études", die "Harmonies de la nature" (3 Bde.), leidet schon an starker Übertreibung. Wir erwähnen noch: "Voeux d'un solitaire" (1789); "De la nature de la morale" (1798); "Voyage en Silésie" (1807); das Drama "La mort de Socrate" mit dem "Essai sur les journaux" (1808); "Essai sur J. J. Rousseau"; "Récits de voyage" u. a. Von seiner ersten Frau blieben S. zwei Kinder, Paul und Virginie; seine zweite vermählte sich nach seinem Tod mit Aimé Martin, welcher die "Oeuvres complètes" (Par. 1813-20, 12 Bde.), die "Correspondance" (1826, 4 Bde.), die "Oeuvres posthumes" (1833-36, 2 Bde.) und die "Romans, contes, opuscules" (1834, 2 Bde.) Saint-Pierres herausgab, in der Biographie (1826) aber ein übertrieben günstiges Bild von ihm zeichnete. Vgl. Fleury, Vie de Bern. de S. (Par. 1844); Prévost-Paradol, Éloge de S. (das. 1852).

Saint-Pol (spr. ssäng-poll), 1) (S. de Léon) Stadt im franz. Departement Finistère, Arrondissement Morlaix, am Kanal La Manche und an der Eisenbahn Morlaix-Roscoff, hat eine alte Kathedrale, ein Collège, niederes Seminar, einen kleinen Hafen, Granitbrüche, Leinwandfabrikation, bedeutenden Handel mit Hülsenfrüchten und (1886) 3328 Einw. - 2) (S. sur Ternoise) Arrondissementshauptstadt im franz. Departement Pas de Calais, an der Ternoise und den Eisenbahnlinien Abbeville-Béthune, Arras-Etaples und Lens-S., mit Collège, Bibliothek, Lederfabrikation, Handel, eisenhaltiger Mineralquelle und (1881) 3694 Einw.

Saint-Pons (spr. ssäng-pong, S. de Thomières), Arrondissementshauptstadt im franz. Departement Hérault, am Südabhang der Monts de l'Espinouse, mit kleinem Seminar, Eisenbergwerken, Marmorbrüchen, Wollspinnerei, Fabrikation von Tuch und Wolldecken und (1886) 2822 Einw.

Saint-Pourçain (spr. ssäng-purssäng), Stadt im franz. Departement Allier, Arrondissement Gannat, an der Sioule, hat eine alte Abteikirche, Färberei, Weinbau, Vieh- und Getreidemärkte und (1886) 3390 Einw.

Saint-Priest (spr. ssänng-prih oder -priäst), Alexis Guignard, Graf, franz. Diplomat und Historiker, geb. 20. April 1805 zu Petersburg, wo sein Vater als Emigrant im höhern Staatsdienst stand, wurde in Odessa erzogen und wandte sich dann nach Paris. Er bekleidete nacheinander Gesandtschaften am brasilischen, portugiesischen und dänischen Hof und trat 1841 in die französische Pairskammer. Er starb auf einer Reise in Moskau 27. Sept. 1851. Von seinen Schriften sind hervorzuheben: "Histoire de la royauté" (Par. 1842, 2 Bde.); "Histoire de la chute des Jésuites au XVIII. siècle, 1750-82" (das. 1844); "Histoire de la conquête de Naples par Charles d'Anjou" (das. 1847-48, 4 Bde.), sein bedeutendstes Werk, und "Études diplomatiques et littéraires" (das. 1850, 2 Bde.).

Saint-Privat la Montagne (spr. ssäng-priwá la mongtánnj), Dorf im deutschen Reichsland Elsaß-Lothringen, Bezirk Lothringen, Landkreis Metz, nördlich von Amanweiler, zur Gemeinde Montigny gehörig, mit 500 Einw., bildete 18. Aug. 1870 in der Schlacht bei Gravelotte (s. d.) den Hauptstützpunkt des französischen rechten Flügels und war vom 6. Korps (Canrobert) besetzt. Mit seiner Einnahme durch die Garde und das 12. (sächsische) Korps am Abend war der Sieg bei Gravelotte entschieden.

Saint-Quay (spr. ssäng-käh), Dorf im franz. Departement Côtes du Nord, Arrondissement St.-Brieuc, am Kanal La Manche, mit Reederei, besuchten Seebädern, Seefischerei und (1881) 2577 Einw.

Saint-Quentin (spr. ssäng-kangtäng), Arrondissementshauptstadt im franz. Departement Aisne, an der Somme, am Kanal von St.-Quentin (s. unten) und an der Nordbahn (Paris-Brüssel, mit Zweigbahnen nach Guise und Roisel), ist gleich den drei Vorstädten gut gebaut; die frühern Festungswerke sind jetzt in Promenaden umgewandelt. Unter den öffentlichen Gebäuden zeichnen sich die gotische Kollegiatkirche mit alter Krypte und das gotische Stadthaus mit schöner Fassade aus. S. zählt (1886) 44,642 Einw., ist eine der gewerblichsten Städte des nördlichen Frankreich, besitzt Spinnereien und Webereien für Baumwolle und Schafwolle, Hand- und Maschinenstickereien, Bleichereien und Appreturen; außerdem Maschinenbauanstalten, Fabriken für Rübenzucker, Hüte, Papier, Seife und Bier. Die Stadt treibt auch lebhaften Handel mit Industrieerzeugnissen sowie mit Schlachtvieh, Pferden, Getreide etc. Sie ist Sitz eines Handelsgerichts, hat ein Lyceum, eine Bibliothek von 15,000 Bänden, eine Handels-, eine Ackerbaukammer und eine Filiale der Bank von Frankreich. Der Kanal von