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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Säugetiere (Sinnes-, Verdauungs-, Atmungsorgane)

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Säugetiere (Sinnes-, Verdauungs-, Atmungsorgane).

eine größere Entfaltung der riechenden Schleimhautfläche als in irgend einer andern Klasse, fehlt jedoch bei den Walen. Die äußern Nasenöffnungen werden meist durch bewegliche Knorpelstückchen gestützt, die bei Verlängerung der Nase zu einem Wühl-, Tast- oder sogar Greiforgan, dem Rüssel, an Zahl zunehmen. Bei tauchenden Säugetieren können die Nasenöffnungen entweder einfach durch Muskeln oder durch Klappenvorrichtungen verschlossen werden. Augen finden sich überall, sind aber bei den in der Erde wühlenden Säugetieren sehr klein, liegen mitunter sogar tief unter der Haut und vermitteln dann kaum noch Lichteindrücke. Mit Ausnahme der Affen und des Menschen sind die Sehachsen bei keinem Säugetier parallel. Eigentümlichen Glanz, hervorgerufen durch eine besondere Stelle in der Aderhaut, das sogen. Tapetum lucidum, besitzen manche Beuteltiere, Wale, Robben, Huftiere, deren Augen daher im Dunkeln leuchten. Außer dem obern und untern Augenlid findet sich meist eine innere Nickhaut (s. d.), wenngleich nicht in der vollkommenen Ausbildung und ohne den Muskelapparat der Nickhaut der Vögel, zuweilen sogar auf ein kleines Rudiment im innern Augenwinkel reduziert. Am Gehörorgan ist vorzüglich das äußere Ohr stark ausgebildet und durch besondere Muskeln beweglich, fehlt jedoch den im Wasser und in der Erde lebenden Tieren entweder ganz oder nahezu; die Wasserbewohner können es durch eine besondere Klappe schließen. Im innern Ohr ist stets eine Schnecke vorhanden (vgl. Ohr). Als Tastorgane dienen wegen ihres Reichtums an eigentümlichen Tastkörperchen in der Haut die Enden der Gliedmaßen, außerdem auch noch Zunge, Lippen und Rüssel. In den Lippen speziell befinden sich meist lange, borstenartige Tasthaare; auch die Haare auf der Flughaut der Fledermäuse sind empfindliche Tastorgane. Der Geschmack hat seinen Sitz vornehmlich an der Zungenwurzel, aber auch am weichen Gaumen und erreicht eine bei weitem höhere Ausbildung als in irgend einer andern Tierklasse.

Die Verdauungsorgane der S. sind durch die schärfere Sonderung und verschiedenartigere Entwickelung ihrer einzelnen Abschnitte sowie auch durch größern Drüsenreichtum vor denen andrer Wirbeltiere ausgezeichnet. Der Mund ist nur bei den Walen nicht von weichen Lippen umgeben. Die seitlich die Mundhöhle schließenden muskulösen Backen enthalten zuweilen besondere Erweiterungen, die Backentaschen (s. d.), welche bis hinter den Schädel zurückreichen können. Zähne sind in ihrem Vorkommen auf die Kiefer beschränkt. Völlig zahnlos sind nur der Ameisenigel, das Schuppentier und der Ameisenfresser (Echidna, Manis, Myrmecophaga), während die Bartenwale, welche an der Innenfläche des Gaumens senkrechte, in Querreihen gestellte Hornplatten tragen (sogen. Fischbein), wenigstens vor der Geburt Zähne besitzen. Hornzähne, d. h. erhärtete Warzen der Mundschleimhaut, sind beim Schnabeltier und Borkentier (Ornithorhynchus und Rhytina) vorhanden. Die echten Zähne (s. d.) sitzen stets in besondern Höhlen (Alveolen) der Kiefer (s. d.) mit einer oder mehreren Wurzeln, während die Krone frei hervorragt; hiervon weichen jedoch die Zähne mit sogen. unbeschränktem Wachstum ab, welche innerhalb und außerhalb des Kiefers gleichgestaltet sind und bei der Abnutzung stets nachwachsen. Wo das Gebiß, wie bei den Delphinen, als Greif- und Schneideapparat verwendet wird, sind alle Zähne gleichartig kegelförmige Fangzähne; bei allen übrigen Säugetieren unterscheiden sich die Zähne nach ihrer Lage in den vordern, seitlichen und hintern Teilen der Kiefer als Schneidezähne (dentes incisivi), Eckzähne (d. canini) und Backenzähne (d. molares). Die erstern sind meißelförmig und dienen zum Abschneiden der Nahrung, die Eckzähne sind meist kegelförmig oder auch hakenförmig gekrümmt und als Waffen zum Angriff und zur Verteidigung geeignet. Nicht selten (Nagetiere, Wiederkäuer) fallen sie gänzlich hinweg, und das Gebiß zeigt eine weite Zahnlücke zwischen Schneide- und Backenzähnen. Letztere wechseln sehr in der Form und dienen mit ihren schneidenden, häufiger höckerigen oder mahlenden Kronen zur weitern Zerkleinerung der Nahrung. Kloakentiere, Zahnlücker und echte Wale bilden nur einmal Zähne; bei den übrigen Säugetieren entsteht ein sogen. Milchgebiß, welches noch nicht alle Backenzähne enthält und auch sonst Abweichungen zeigt, aber in einem bestimmten Alter ausfällt und der zweiten, bleibenden Zahnreihe weicht (s. Zähne). Bei den Raubtieren entwickeln sich ein oder zwei Backenzähne zu eigentümlichen Fleisch- oder Reißzähnen, vor denen die Lückenzähne und hinter welchen die Höcker- oder Kauzähne stehen. In andern Fällen bilden sich Schneidezähne zu großen Stoßzähnen aus, wie beim Elefanten, Narwal, Walroß, Dugong. Wegen der Einzelheiten und besonders wegen der sogen. Zahnformeln s. Gebiß. - Die von der Mundhöhle durch den weichen Gaumenvorhang getrennte Schlund- oder Rachenhöhle geht nach hinten in die engere Speiseröhre über, welche in den Magen führt. Letzterer bildet in der Regel einen einfachen, quer gestellten Sack, zerfällt aber bisweilen in mehrere Abschnitte, die bei den Wiederkäuern als vier gesonderte Magen unterschieden und benannt werden (s. Wiederkäuer). Der Darm (bei Fleischfressern 4-5mal, bei Pflanzenfressern 6-28mal länger als der Körper) zerfällt in Dünndarm und Dickdarm, deren Grenze durch das Vorhandensein einer Klappe und eines namentlich bei Pflanzenfressern mächtig entwickelten Blinddarms bezeichnet wird. Der Endabschnitt des Dickdarms, der Mastdarm, mündet (mit Ausnahme der durch den Besitz einer Kloake charakterisierten Kloakentiere) hinter der Öffnung der Harn- und Geschlechtswerkzeuge durch den After aus. Das Herz der S. besteht, wie das der Vögel, aus einer rechten venösen und einer linken arteriellen Abteilung (jede mit Vorhof und Kammer, s. Herz) und liegt gewöhnlich in der Mittellinie der Brusthöhle. Die paaren Lungen hängen frei in der Brusthöhle und zeichnen sich durch den Reichtum der Bronchialverästelungen aus. Die Atmung geschieht hauptsächlich durch die Bewegungen des Zwerchfells, welche eine vollkommene, meist quer gestellte Scheidewand zwischen Brust- und Bauchhöhle bildet und bei der Zusammenziehung seiner muskulösen Teile die Brusthöhle erweitert. Die Luftröhre verläuft in der Regel gerade und teilt sich an ihrem hintern Ende in zwei zu der Lunge führende Bronchien. Sie beginnt in der Tiefe des Schlundes mit dem Kehlkopf (s. d.), welcher zugleich Stimmorgan ist. Zuweilen finden sich am Kehlkopf häutige oder knorpelige Nebenräume, welche teils, wie beim Walfisch, die Bedeutung von Luftbehältern haben, teils, wie bei manchen Affen, als Resonanzapparate zur Verstärkung der Stimme dienen. - Die Nieren bestehen in einzelnen Fällen aus einer Anzahl getrennter Läppchen, sind jedoch meist dichte, bohnenförmige Drüsen; die Harnleiter münden stets in eine Harnblase ein, deren Ausführungsgang (Harnröhre) in mehr oder minder nahe Beziehung zu dem Leitungsapparat der Geschlechtsorgane tritt und mit ihm zusammen vor dem After